Zehn Thesen zur Kritik von Niklas Luhmann’s Theorie
(Repliken von Jenö Bango)
(Basiert auf den Kapitel VI.
des Buches “Komplexe Gesellschaft. Eine
der möglichen Luhmannschen Theorien” von Béla Pokol. Logos Verlag Berlin. 2001.
Zweite, erweiterte Ausgabe)
1.
Eingebettet in der Systemebene der psychischen Systeme
hat Luhmann die Menschen von der sozialen Systeme isoliert. Infolgedessen sind
solche sozialen Strukturen und Mechanismen, welche auf die ganze Persönlichkeit
der Menschen basiert werden müssten,
von der Erklärung des Aufbaus der sozialen Systeme
abgeschnitten.
Replik: Das
einzige Buch von Luhmann, in dem er die “ganze Persönlichkeit des Menschen” mit
bestimmten Beschränkungen akzeptiert,
wurde über die Liebe, (aus soziologischer Sicht und nicht aus Gefühl) als
symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium geschrieben (Luhmann, 1982). Es
behandelt die Intimität als ein Systemfaktor, mit dem die Person, durch die
Tatsache, dass sie das Weltbild des anderen bedingungslos annimmt, das
Fundament für Paarsystem oder für das System Familie liefert. Dadurch, dass
Luhmann den Menschen als Umwelt der
sozialen Systeme erklärt, praktiziert
er für die einen eine Art methodologischer Antihumanismus, für die
anderen befreit das Soziale von den
lästigen Subjektivität und hebt den Menschen auf einen höheren Niveau – die
Umwelt ist nämlich immer komplexer als
das System. Ein anderes Gebiet wo Mensch und/als Person zur Geltung kommt ist
bei Luhmann in seiner wenigen Äußerungen zur Sozialen Arbeit zu finden. Hier
geht es um die Hilfe zur Selbsthilfe und dafür sollte man persönliches
Verständnis aufbringen. “Wenn man eine Person zu verstehen versucht dann geht es
darum, dass man sieht was eine bestimmte Äußerung, die die Person tut oder was
eine bestimmte Kommunikation die an sie
adressiert ist für sie bedeutet...in der Sozialarbeit muss man sich um
ein weniger technisches, dafür um ein mehr menschliches Verständnis bemühen”
(Bardmann, 1997, 67) Luhmann unterscheidet zwischen Person (als Adressat und
Mitwirkende an Kommunikation) und Mensch (biologische, neurophysiologische,
bewusstseinmässige Organismus). Der Mensch als Person ist für die Erklärung und
Aufbau der sozialen Systeme (Interaktion, Organisation, Gesamtgesellschaft)
sehr wichtig – der Mensch als Organismus ist dann die komplexere Umwelt der
sozialen Systeme. Der Mensch als Person spielt eine beschränkte Rolle in den
ausdifferenzierten funktionalen Teilsysteme wie z.B. als “homo oeconomicus” im
Wirtschaftssystem die seine Kommunikationen nach der Binarität
zahlen/nichtzahlen (rentabel/ nichtrentabel) ordnet und nicht etwa nach Moral, Recht oder Kunst. Der Mensch als
“psychisches System” zielt auf das Bewusstsein ab ohne das kein Kommunikation
möglich ist. Bewusstsein und Kommunikation sind strukturell gekoppelt. Pokol
hat Recht, der Mensch als “psychisches System” ist von den sozialen Systemen
“isoliert” d.h. er ist nicht Teil
dessen, sondern ihre Umwelt und gerade
diese Isolierung erlaubt ihm eine Autonomie und zugleich eine
Unberechenbarkeit. Er ist als psychisches System keine “Trivialmaschine” oder
eine Manipuliermasse für soziale Systeme. Der angebliche Antihumanismus von
Luhmann will den Menschen die größtmögliche Freiheit garantieren. Es ist eine andere Frage ob dies ihm gelingt. Ob
Pokol diese Zweiteilung ( “Halbierung”?) des Menschen in Person und in lebendigen Organismus akzeptiert mag
dahingestellt werden. Pokol muss auf jeden Fall den Rollenbegriff (Mangelware
bei Luhmann) akzeptieren und diese an Personen knüpfen und auch muss sich die
Frage stellen: welche Stellenwert bekommen die symbiotischen Mechanismen die
die organischen Fähigkeiten des Menschen in sozialen Fähigkeiten (Rollen) übersetzen?
2.
Eine Konsequenz davon ist die Unterbelichtung der
Bedeutung der Menschengruppen in dem sozialen Geschehen in der Luhmannschen
Theorie. Solche soziale Strukturen, die die dauerhaften Spaltungen der
Menschengruppen aufgrund der nationalen, religiösen, wirtschaftlichen,
kulturellen usw. Gruppierungen bedeuten, finden keinen Platz in der Analyse von
der luhmannschen Theorien. Die dauerhaften Solidaritäten in einer solchen
Menschengruppe und die dauerhaften Gegensätze und Kämpfe zwischen den
innerlich solidären, äußerlich aber feindlichen
Menschengruppen erhalten keine
Thematisierungen in den Luhmannschen Analysen.
Replik: Der Ausdruck “Menschengruppe” ist ziemlich
unklar. Es ist mir nicht sicher was der Verfasser der Thesen damit gemeint hat.
Es ist wohl wahr, dass Luhmann den Gruppenbegriff nicht benutzt hat und wurde
dafür auch genügend und schon ziemlich früh kritisiert (Tyrell, 1983). Unter
Menschengruppen können wir die Masse,
das Publikum, das Aggregat, die Menge sogar auch Sozialkategorien wie Alter,
Geschlecht, Einkommen usw. verstehen, insofern als diese situationsbedingt die
entsprechenden Rollen spielen. Wenn wir das “soziale Geschehen” in einer
Perspektive der historischen Evolution betrachten dann kommen wir auf eine
andere Interpretation der “Menschengruppen”. Diese sind in archaischen
Gesellschaften die segmentären Menschengruppen, in der stratifizierten
Gesellschaften die Stände, später in der Industriegesellschaften die Klassen
und in der Moderne die funktional ausdifferenzierten Teilsysteme der
Weltgesellschaft. Diese historisch-evolutiven Differenzierungen sind aber nicht
chronologisch sondern diachronisch zu deuten d.h. sie co-existieren in der
heutigen Gesellschaft auch und sind nicht spurlos verschwunden. Luhmanns
italienische Schüler – die sich die Mühe genommen haben in der luhmannschen
Begriffslabyrinth fündig zu werden – weisen darauf hin, dass diese
Differenzierungen quasi im Hintergrund noch heute aktiv sind und noch “dauerhafte Spaltungen und auch
Solidaritäten” bewirken können. “In der funktional differenzierten Gesellschaft
verschwinden Stratifikation und Segmentation als Differenzierungsmuster nicht.
Sie sind aber nicht mehr die primäre Differenzierungsformen und gewinnen
deshalb eine neue Bedeutung. Auch wenn die Stratifikation keine Grundprämisse
in der Gesellschaft mehr ist, wird sie ständig durch Auswirkungen der
funktionalen Differenzierung reproduziert und sogar verstärkt als
Differenzierung in mehr oder weniger offenkundige soziale Klassen. Die
Segmentation reproduziert sich ihrerseits in Formen, die von Funktionen
abhängig sind: zum Beispiel als Differenzierung der Nationalstaaten in der
Politik, der Unternehmen in der Wirtschaft, der Schulen im Erziehungssystem”
(Baraldi, – Corsi – Esposito, 1998, 70). Diese Menschengruppen finden wohl
Platz in der luhmannschen Systemtheorie – wenn auch nur überschattet von den
dominierenden Funktionssysteme. Pokol möchte die Vorrangstellung der
Teilsysteme nicht erkennen, vielleicht befürchtet er eine neue Hierarchisierung
oder eine neue Zentrum/Peripherie-Differenz in der zentrumslosen
Weltgesellschaft. Er bemängelt, dass die “innerlich solidären, äußerlich aber
feindlichen Menschengruppen” keine Thematisierung bei Luhmann erfahren. Ich möchte diese generelle Feststellung an
einem konkreten Beispiel anzweifeln. In der modernen Wohlstandsgesellschaften
haben wir eine relativ große, homogene Menschengruppe, die Arbeitslosen. In
manchen Ländern bedeuten sie 10 bis 15%
der aktiven, arbeitsfähigen Bevölkerung. Da die meisten Arbeitslosen ihre
Situation nicht strukturbedingt sondern eher als persönliche
Schicksalsschlag - trotz aller Logik –
betrachten, bildet sich bei ihnen keine Solidarität. Innerhalb dieser
Menschengruppe betrachten sie sich als Konkurrenten und Gegner. Sie sind äußerlich feindlich, aber innerlich
nicht solidarisch. Versuche Solidargemeinschaften oder sogar Gewerkschaft für
Arbeitslose zu gründen (kurzlebige Versuche in Frankreich) scheiterten gerade
an nichtvorhandene Solidarität. Luhmann beschäftigt sich natürlich nicht mit
diesem Problem gibt aber zu, dass viele Menschen aus den funktionalen
Teilsysteme (Wirtschaft, Kultur, Erziehung usw.) ausgeschlossen sind und dies
ist ein Paradox, da die funktionale Inklusion im Prinzip für jeden gelten
sollte. Das Thema Inklusion/Exklusion gewinnt aber in den letzteren Schreiben
Luhmanns Gewicht, besonders nach dem “Favellas-Schock”. Hartmut Esser
kommentiert dies ziemlich sarkastisch. Niklas Luhmann “entdeckte” bei einem
Brasilien-Besuch die Elend der Favellas, wo keine Personen nur “Körper” leben,
(in einer Milieu von Gewalt und Verbrechen) die aus der funktionalen
Teilsystemen ausgeschlossen sind. “Aufgearbeitet hat Luhmann den Schock in
einem Aufsatz, mit dem das Begriffspaar “Inklusion und Exklusion” seinen
endgültigen Einzug in die Luhmann-Lexika hielt. Und das Fazit daraus: offenbar
gibt es doch außerhalb der sozialen Systeme leibhaftige Menschen, und inmitten
einer sich modernisierende Gesellschaft auch massive und systematische soziale
Ungleichheiten, in der Form des schreiendesten Elends sogar (Esser, 2002). Die
essersche Kritik konzentriert sich zwar auf die Ungleichheitsthese, aber
enthüllt einen Schwachpunkt der luhmannschen Systemtheorie; das Postulat der
prinzipiellen Gleichheit d.h. das Faktum, dass die Gesellschaft den Individuen
erlaubt Person zu sein und an jede Kommunikation teilzunehmen, aber die
strukturellen Voraussetzungen zu dieser Inklusion garantiert nicht. Pokol
vermutet richtig, dass Menschengruppen aus funktionellen Teilsysteme de facto
ausgeschlossen sind bzw. dass diese Gruppen in einen anderen Alltagsrealität
sich befinden als die Mitglieder der organisierten oder institutionalisierten
“professionellen” Funktionssysteme.
3.
In der Luhmannschen Theorie werden die einzelnen sozialen
Ereignisse von der funktionalen Mechanismen bestimmt und die Effekten der Kämpfen und die Solidaritäten der gegnerischen oder
freundlichen Menschengruppen auf diese Ereignisse werden annulliert. Das ist
eine halbierte strukturelle Analyse.
Soziale Ereignisse sind nach Pokol nicht in
luhmannschen Sinn interpretiert, d. h. wie Kommunikationen ohne Dauer - sondern
dauerhaft. Pokol denkt offensichtlich an sozialen Strukturen, denn erst darin
können funktionale Mechanismen (wie Anschluss und Selektion) wirken. Nun wenn
nach Luhmann soziale Strukturen in der modernen Gesellschaft von funktionalen
Differenzierungen festgelegt sind – so wird es zumindest bei Pokol
interpretiert – dann ist es richtig von einer “Halbierung” zu schreiben. Ich
habe versucht zu beweisen, dass Luhmann nicht nur die funktionelle Differenzierung, sondern auch
andere vorangegangene aber noch
co-existierenden Differenzierungen im Kauf nimmt obwohl die Analyse dieser keine primäre Stellung in seiner
Theorie annimmt. Ich würde statt “Halbierung” eher an eine “Invisibilisierung”
in seiner strukturellen Analyse denken, und dies bedeutet theorietechnisch doch
eine Möglichkeit, durch weiteren Analysen diese zu “entdecken” d.h. zu
visibilisieren. Zum Teil ist dies durch eine gründlichere Auslegung des
Inklusion/Exklusion-Konzeptes schon im Gange. Lassen wir wiederum Esser zum
Wort zu kommen. “Wenn Luhmann und andere von Inklusion und Exklusion sprechen,
wird etwa auffälligerweise nicht mehr nur von psychischen Systemen, sondern
jetzt nahezu bruchlos auch von “Individuen”, ja von “konkreten Individuen”, von
“Personen, von “Menschen” und sogar von
der “Bevölkerung” gesprochen” (Esser 2002, 30). Es gibt eine Strukturierung der Gesellschaft “von
Unten”, die exkludierten, handelnden Individuen die sich eine Sozialität
außerhalb der Funktionssysteme konstruieren. Esser gibt eine
Gesellschaftsdefinition, die meiner Meinung nach etwa mit der
Gesellschaftsauffassung von Pokol
korreliert: “Gesellschaften “bestehen” und reproduzieren sich, so kann man
zusammenfassen, eben aus dem Zusammenspiel und der wechselseitigen Konstitution
von beide. Von sozialen Systemen und von Akteuren” (Esser 2002, 31). Esser
kombiniert und miteinander versöhnt hier die Selbstorganisation der Systeme und
der methodologische Individualismus. Pokol schreibt in seiner These von Kämpfe
(doch nicht Klassenkämpfe?) anstatt Konflikte. Es sind nämlich nicht Kämpfe,
sondern Konflikte die die gesellschaftliche Evolution vorantreiben. Konflikte
sind kommunizierte Widersprüche, Freiheiten die das Nein-Sagen ermöglichen. Sie
werden in der luhmannschen Systemtheorie nicht ignoriert oder “annulliert”
sondern nur unterbelichtet. Die neuen sozialen Bewegungen sind Konfliktsysteme
und haben Protest als Thema. “Im Keime
enthalten diese Bewegungen die Möglichkeit zu einer radikalen Kritik der
Gesellschaft, die weit über das hinausgeht, was Marx hatte sehen und wagen
können” (Luhmann, 1996, 103). Luhmann sieht, dass die funktionale
Differenzierung eben solche Folgeprobleme hat, wie von Pokol gerade geschildert (Solidaritäten und Kämpfe
oder Konflikte) und diese werden von der modernen Gesellschaft, da sie keine
Kontroll- oder Steuerungszentrum hat ignoriert, deswegen denkt an einen neuen
Mechanismus; und diese sind die sozialen Bewegungen (Luhmann, 1996, 23).
4.
Mit dieser Halbierung konnte Luhmann viele solche
funktionelle und institutionelle Aspekte der Organisierung der sozialen Welt
herausheben und stärker im Zentrum der Analyse
stellen, die von der traditionellen Gesellschaftstheorien nicht beobachtet
werden konnten aber für diese heuristische Vorteile musste großer Preis bezahlt
werden: Die Theorie von Luhmann musste eine halbierte Gesellschaftstheorie
bleiben.
Replik: Der erste Teil der These ist klar und
deutlich: wenn man die Halbierungsthese akzeptiert, dann entsteht für Luhmann
der Vorteil, die neuen Semantiken und
Heuristiken gekonnt einzusetzen und ältere, “alteuropäische” Begrifflichkeiten
ignorieren. In der zweiten größeren Hälfte der Gesellschaft kann man gesellschaftstheoretisch kaum mit Begriffen wie Autopoiesis und
Konstruktivismus operieren, - hier sind die funktionalen Differenzierungen nur
“diffus“ vorhanden. Diese bleiben für die professionellen Institutionensysteme
reserviert die die ausdifferenzierten Funktionen professionell wahrnehmen. Die Alltagswelt oder Lebenswelt der
größeren Hälfte wo sich auch die “Körper” befinden werden noch wohl mit der
traditionellen Gesellschaftstheorien beobachtet werden. Dies tun der
methodologische Individualismus, die Milieu-Theorien von Vester und Hradil, die
Kultursoziologie von Bourdieu, die Risikosoziologie von Beck, die
phänomenologische Richtung von Hitzler , die “rational-choice-Theorien” und
viele andere mehr. Auch in der Sozialarbeitswissenschaft wird die praktische
Arbeit mit sozial Benachteiligten meistens aufgrund der Lebensweltkonzept
gemacht. Die von Pokol hypostasierte “halbierte Gesellschaftstheorie” nimmt
schon Konturen in der vierten These. Es wäre hieraus zwei Konsequenzen zu
ziehen: 1. Die luhmannsche Theorie
erklärt nur die eine (kleinere) Hälfte der modernen Gesellschaft. Dies
könnte man wiederum zweierlei Weise interpretieren: a) entweder die Theorie hat
keine universelle Charakter und dann ist sie nicht tauglich oder b) die Theorie
kann erweitert, korrigiert werden – wie dies auch Pokol vorhat. 2.
Infolgedessen die von Luhmann geplante
“soziologische Aufklärung” (Abklärung oder Abrechnung mit der “alteuropäischen”
Soziologie) ist gescheitert. Es scheint, dass mit der luhmannschen
systemtheoretischen Begrifflichkeiten
kann keine universelle Erklärung (als Aufklärung) der modernen
Gesellschaft abliefern. In einfachen Wörtern: mit Luhmann kann nicht alles
erklären – aber ohne ihn wäre wiederum nur eine “halbierte Erklärung” zu haben.
Albert Scherr fasst diese Gedanke für
die Sozialarbeitswissenschaft passend
zusammen: “Die von Luhmann vorlegte Theorie sozialer Systeme bietet aufgrund
ihrer Selbsteinschränkung auf ein kommunikationstheoretisch gefasstes
Verständnis des Sozialen eine notwendige, aber keine hinreichende Grundlage für
Theorien der Sozialen Arbeit. Es handelt sich um eine soziologische,
insbesondere gesellschafts-, organisations-, und interaktionstheoretische
Grundlegung, die eine psychologische, sowie eine normative Erweiterung bedarf”
(Scherr, 2000, 82). Ich lese aus dieser
Zitat heraus, dass die luhmannsche
Systemtheorie auch für die Gesellschaftstheorie und für die Soziologietheorie “eine notwendige, aber
keine hinreichende” Basis ergibt.
5.
Die Aufgabe besteht darin, in den
gesellschaftstheoretischen Analysen die doppelten Strukturen der Gesellschaft
als Ausgangspunkt zu benutzen. Die dauerhaften Strukturen bedeuten einerseits
die funktionellen Mechanismen und die institutionellen Aufbau der einzelnen
funktionellen Teilsysteme und Organisationen aber andererseits die stabilen Kohäsionen und
Feindlichkeiten der Menschengruppen auch, die meistens nicht innerhalb der
einzelnen Teilsysteme sondern gesamtgesellschaftlich (mehrere Teilsysteme
durchgeschnitten) organisiert sind.
Replik: Hinter den “doppelten Strukturen als Ausgangspunkt”
verbirgt sich ein Verdacht der Dichotomisierung. Dichotomische Auffassungen
sind immer auch Ideologieverdächtigt und das ist für eine Theorie nicht sehr
dienlich, wie wir sie in geopolitischen Dichotomien (Ost-West, Nord-Süd)
feststellen könnten. Die scharfe Trennung der Welt und die Gesellschaft in zwei
Hälften sind auch empirisch falsch. Pokol enthärtet dieser Verdacht indem er
die strukturelle Trennung quer durch funktionelle Systeme und durch
“Menschengruppen” verortet. Die “gesamtgesellschaftlich organisierten” stabilen
Strukturen – in mehreren Teilsystemen – können wiederum einen anderen Verdacht
erwecken: Eine Hybridisierung von System und Lebenswelt oder ein Synkretismus
wäre für die Einheit der Theorie nicht sehr positiv. Pokol soll diese zwei
Gefahrenzonen in seiner Theorie noch aufarbeiten. Wir können auch sagen, dass
die doppelte strukturelle Analyse
theorietechnische Risiken innehat, die aber durch eine Verfeinerung und
Präzisierung der Thesen noch im Kauf genommen werden kann. Postmoderne Theorien
sind nicht risikofrei, können sogar “ambivalent” und paradoxierend sein,
pflegen nicht eine dogmatisch-rationelle Harmonie sondern gehen von einer
Differenz aus, schöpfen aus “älteren” (Lebenswelttheorie) und neueren
(Systemtheorie) Wissensvorräten (Lyotard, 1979). Pokol ist auf dem besten Weg
eine postmoderne Theorie der Gesellschaftsanalyse abzuliefern.
6.
Vergleichend Parsons und Marx hat David Lockwood zwei
Integrationsformen - Systemintegration
und soziale Integration – unterschieden. Es ist nötig, diese Unterscheidung
weiter zu fassen und als zwei parallelen Strukturen der modernen Gesellschaften
zu bestimmen: Strukturen, die auf Spaltungen der Menschengruppen basiert sind
und Strukturen, die auf die institutionellen Mechanismen der einzelnen
funktionellen Handlungsbereichen beruhen.
Replik: Zu dieser These wären auch weitere
Erklärungen nötig. Lockwoods Integrationsbegriff ist natürlich in der
luhmannschen Systemtheorie nicht gebräuchlich. Es fehlt damit eine wesentliche
Vergleichsmöglichkeit. Wenn Luhmann von Systemen spricht versteht er immer
soziale Systeme, als autopoietische Systeme wobei die Frage der
Integration durch die
Kommunikationsformen (Interaktion, Organisation, Gesellschaft) gehandhabt ist.
Integration im lokwoodschen Sinne wäre nur durch Irritation möglich, also wenn
das System durch die Umwelt dazu angeregt wird, neue Elemente durch eigene
Strukturbedingungen zu konstruieren. Im Übrigens die Sozialintegration bei
Luhmann – wie schon darauf früher hingewiesen
wurde – durch die Sozialinklusion ersetzt wurde. Die Hypostasierung von
parallelen Strukturen der modernen Gesellschaft ist damit weit entfernt von der
luhmannschen Systemtheorie. Pokol verfolgt hierbei konsequent sein Programm,
seine “theorietechnische Abkoppelung” von Luhmann und rechnet damit, dadurch
eine neue Argumentationsweise einzuführen. Auf der Ebene der funktionalen
Teilsysteme wendet sich seine Argumentation von Kommunikation ab und zur
Handlung zu – wobei man den Einfluss von Talcott Parsons und Richard Münch
deutlich verspürt. Wenn von “parallelen Strukturen“ die Rede ist dann wäre noch
eine Präzisierung notwendig: Parallele berühren sich bekanntlich nicht. Ist
dann die gesellschaftliche Evolution unterschiedlich und wo gibt es Berührungspunkte?
Luhmann würde Fragen: wie beobachtet man diese parallele Strukturen? Die
folgende 7. These beantwortet dann teilweise diese Fragen.
7.
Ein Beispiel für den heuristischen Vorteil des
Ausgangspunkts von der doppelten Strukturen der Gesellschaften: Es gab keinen
Systemwechsel in der Ebene der Strukturen der hierarchischen Menschengruppen in
Ost-Mitteleuropa nach 1989, denn blieben die Gruppen der früheren
Parteifunktionären und Apparatschiks größtenteils die führenden Kräfte in jeden ehemaligen
Ostblockstaates. Aber in der Ebene der institutionellen Strukturen der
funktionellen Handlungen und der funktionellen Organisierung der Gesellschaft
gab es eine grundlegende Systemwechsel
in Richtung auf die Marktwirtschaft und auf die Wahlen basierte Machtausübung.
Ohne diese doppelte Thematisierung der gesellschaftlichen Strukturen kann die
heutige Realität in Ost-Mittel-Europa nicht begriffen werden.
Replik: Eine
Verdeutlichung seiner Theorie erfolgt hier aufgrund eines Beispiels aus
Ost-Mitteleuropa – hier schreibt Pokol selbst als Kenner und das Beispiel
scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein. Dass die selben Personen die
früher für die Planwirtschaft und Parteihierarchie agierten, plötzlich für die Marktwirtschaft und Parlamentarismus
optiert haben kann aber unterschiedlich interpretiert werden. Die eine
Interpretation lautet so (in Frageform): Waren die “führende Kräfte” der
ehemaligen Ostblockstaaten (vor allem in Ungarn) wirklich die selben, oder gab
es schon früher eine Art Gratwanderung im Handeln und Bewusstsein dieser
Menschengruppe? Ich erlaube mir diesbezüglich meine These, als
Diskussionsbeitrag zu Pokols These zu erörtern. Ich habe in einer
Veröffentlichung kurz nach der Wende 1991 zehn Thesen zur Postsozialismus in
Ungarn aufgestellt (Bango, 1991, 210-229). These 9 lautete: Das
“Damaskus–Syndrom” ist in Ungarn eine kollektive Begleiterscheinung des
Postsozialismus. Auf dem Weg nach Damaskus wurde durch Wunder aus Saulus ein
Paulus. Am Anfang fragten die Christen: War dieser nicht der befürchtete Christenverfolger? Paulus rechtfertigte
sich und wurde ein Apostel. Soweit das Neue Testament. Die christliche
Überlieferung bestätigt solche Bekehrungen bis in unsere Zeit hinein. Für den
ungarischen Postsozialismus stellt sich die Frage der Bekehrung anders. Hier
handelt sich um Massenbekehrungen: In Ungarn sollen aus 700.000 Saulus genauso
viele Paulus werden. Etwa so viele ehemalige Parteimitglieder bekehren sich
jetzt zur Demokratie. Nicht ohne Ironie bemerkte dazu der ungarische Schriftsteller
Péter Esterházy: Noch nie gab es einen solchen Stoßverkehr auf dem Wege nach
Damaskus wie heutzutage! Die klassische individuelle Rechtfertigung geht
eigentlich in drei Richtungen: A) Ich war immer dagegen (dafür), nur konnte ich
nichts tun. B) Ich wusste nichts davon. C) Ich habe mich geirrt, jetzt bin ich
aber auf dem richtigen Weg. Die Partei mit ihrer Selbstauflösung und mit der
Gründung der neuen Partei aus der alten
(Selbstsubstitution) lieferte eine neue, kollektive Rechtfertigung für ihre Mitglieder,
die an dem “Damaskus-Syndrom” gelitten haben: Die stalinistische Vergangenheit
kollektiv zu verurteilen, für den neune, “richtigen” Sozialismus zu plädieren
und die Versöhnung mit dem Volk zu suchen. Die ungarische Wende war nicht mit
großen Massenprotesten und Demonstrationen begleitet. Weil die Wende sich nicht
zu schnell vollzog, sondern eigentlich schon 1985 eingeleitet und 1988 nur beschleunigt wurde hatten die
Machthaber genügend Zeit, sich neue Anpassungsmechanismen auszudenken und
auszuprobieren. Der Opposition wurden oft Ideen auf dem goldenen Teller
geliefert – zur Verwirrung dieser politisch unerfahrenen Leute und zur
Täuschung des Volkes. Ein Grund für das
Gelingen der ungarischen Wendestrategie von Oben lag in dem “larvierten
politischen Pluralismus” in Ungarn. Darunter verstehe ich ein Vorhandensein des
Andersdenkens in der Partei selbst. Anders gesagt: die schrittweise Überwindung
des monolithischen Charakters durch die Parteiführung. Der Politologe Csaba
Gombár glaubte schon in den frühen siebziger Jahren, die folgenden politischen
Gruppierungen in der ungarischen Gesellschaft entdecken zu können. “Sektierende Gruppen der
Kommunisten, Zentristen oder Kadaristen, Progressive (d.h. Anhänger der osteuropäischen Integration und der Wirtschaftsreformen),
Euro-Kommunisten, Anhänger des modernen Syndikalismus, radikale, neue Linke,
agrarorientierte Populisten, Technokraten, Manager, ortsgebundene loyale
Staatsbürger, Staatsbürger ohne politische Konzept, politisch Namenlose und
Lumpen-Gruppierungen” (Gombár nach Hankiss, 1989, 151). Es hatte aber auch
andere Gründe, warum das “Damaskus-Syndrom” in Ungarn eigenständige Züge
entwickelte. Sie lagen in der “Hybridisierung der Gesellschaft” d.h. in der ab
1988 beschleunigte Verschmelzung der “zweiten” Gesellschaft mit der “ersten”.
Die erste Gesellschaft kann ohne die zweite (und umgekehrt) nicht existieren.
Sie haben sich gegenseitig auch in ihrer Entwicklung gehindert. Die
Verschmelzung wird von Hankiss hervorragend illustriert auf der familiären
Ebene: “Wenn die Frau des Staats- oder Parteichefs eine Modeboutique in der Budapester Innenstadt hat, sein Sohn
Generalvertreter einer westlichen Firma
in Ungarn und sein Schwiegersohn Direktor einer neugegründete
Aktiengesellschaft oder eines Holdings ist, wenn sein Enkel in Oxford studiert
und seine Schwiegermutter eine Pension am Plattensee unterhält; dann können die
Partner der “großen Koalition” sich schon am Weihnachtstisch versammeln.”
(Hankiss, 1989, S.328). Die veränderten funktionellen Strukturen (Wirtschaft,
Politik) und die unverändert (?)
gebliebene Menschengruppen - kann aber indirekt auch als Beweis für die
luhmannsche These gelten, nach der die Gesellschaft nicht aus Menschen sondern
aus Kommunikationen besteht. So
argumentiert András Karácsony in einer Fußnote – mit den selben Hinweis auf die
ungarischen veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse wie Pokol: “Denken wir
nur daran, dass seit 1989/90 in Ungarn
eine andere Gesellschaft existiert als in den früheren Jahrzehnten. Vor allem
ist die Situation (Funktion) der Politik, das Recht, die Wissenschaft, die
Religion in der Gesamtgesellschaft – dagegen die Menschen sind entscheidend die
selben geblieben wie früher. Die Gesellschaft und die Individuen bilden nicht
eine gemeinsame Identität“ (Karácsony in Szabó, 2000, 88 ). Diese Argumentation
wäre richtig mit der Einschränkung, dass die Menschen sind nicht eben “die
selben“ wie früher, da die Biographien ändern sich nicht nur zwischen den
Generationen sondern auch innerhalb der selben Generation. Die strukturelle
Kopplung besteht ohne Zweifel zwischen
psychischen Systemen und Kommunikation. Neue Kommunikationen benötigen neue
Menschen, aber die neuen Kommunikationen sind gleichermaßen für “neue“ und
“alte“ Menschen gültig. Bemerkenswert ist, dass mit dem selben Beispiel aus
Ungarn, sowohl die luhmannsche autopoietische Gesellschaftstheorie, als auch
die “doppelte Strukturen“ von Pokol argumentieren kann.
8.
Aufgrund der gesamtgesellschaftliche Solidaritäten bzw. Feindlichkeiten
der einzelnen Menschengruppen gibt es systematischen Verzehrungen innerhalb der
einzelnen funktionalen Teilsysteme, die von Luhmann nicht beobachtet werden
können. Die Kämpfe der feindlichen Menschengruppe bestimmen
gesamtgesellschaftlich viele Ereignisse in den einzelnen funktionellen
Teilsysteme. Z. B. die wirtschaftlich
gut ausgerüsteten Menschengruppen können mit Geld Lehrstühle,
wissenschaftlichen Stiftungen, Zeitschriften, Stipendien usw. gründen und in
der Wissenschaft können auf diese Weise
die wahr/falsch binäre Code von anderen
Selektionsgesichtspunkten in den Hintergrund geschoben werden. Oder mit Geld können
wirtschaftlich starke Menschengruppen auch in den Massenmedienbereich starke
Positionen ausbauen und mit dem Macht des Geldes schaffen sie auch Medienmacht
und dann mit der Hilfe der Massenmedien auch politische Macht.
Replik: Hier wird eine Vermischung von System und Lebenswelt
angesprochen. Die zwei parallel verlaufenden Strukturen irritieren sich, interpenetrieren sich
sogar Kämpfe der feindlichen
Menschengruppen bestimmen die Ereignisse in den einzelnen funktionellen
Systeme. Nach der Autopoiesisthese Luhmanns dies ist eine Unmöglichkeit. Pokol
ist dazu gezwungen die Autopoiesis für die funktionale Teilsystemen entweder
ablehnen oder eine für eine “weichere“ Autopoiesis zu optieren, wie diese bei
Gunter Teubner zu lesen ist. Teubner will die Härte der luhmannschen
Autopoiesis sozusagen aufweichen, indem er die autopoietische Autonomie
graduell vorstellt. Er folgt den Konzept von Roth: die Autopoiesis kann infolge der Evolution
des Systems wachsen oder schwinden. Die Rückkopplungen der Teile, die
strukturellen Variabilitäten und die interne Selbstdifferenzierung markieren
diesen Weg. Teubner führt in seinem Gedankengang die Idee des Hyperzyklus, der evolutionär die Selbstbeobachtung,
Selbstkonstitution und schließlich die Autopoiesis innehat,
an. (Teubner, 1982) Die Verkettung
Wirtschaft – Wissenschaft – Macht im
Beispiel von Pokol korrespondiert eigentlich mit der Kritik von Richard
Münch an Luhmann. Diese Kritik kann von Pokol akzeptiert werden. Münch macht einen Unterschied zwischen analytischen
und empirischen Differenzierung in autopoietischen Subsysteme aus dem
Blickwinkel seiner voluntaristischen Handlungstheorie. Münch erkennt, dass die
Theorie der autopoietischen Systeme Luhmanns per
Definition wahr ist – soweit sie analytisch und nicht empirisch interpretiert
wird.. Er beweist auf dem Beispiel der Wirtschaft, dass die empirische Autonomie
von Systemen von Faktoren konstituiert wird, die sich außerhalb dieser Systeme
befinden. Die Interpenetration der gesellschaftlichen Subsysteme (Recht,
Religion, Wirtschaft usw.) ist bei Münch nicht ein “Hilfskonstruktion“ (wie,
seiner Meinung nach, die strukturelle Kopplung bei Luhmann) um die
Geschlossenheit der Systeme durchzubrechen, sondern empirisch feststellbar. Das
Problem bei der autopoietischen ausdifferenzierten Systeme ist die Konnexion,
die Interdependenz untereinander im Griff zu haben (Münch in Preyer, 1996,
347-356). Es wäre noch zu prüfen ob bei der Verkettung von Geldmacht –
Medienmacht – politische Macht nicht um Interferenz handelt d.h. der Fall in
dem ein System (hier Wirtschaft) in der Lage ist, sein Handeln als Prämisse der
Handelns andere Systeme (hier Massenmedien und Politik) zu setzen. Pokol sieht,
dass die Interpenetration oder die Interferenz der funktionalen
Teilsysteme Prozesse sind, die - wenn
nicht determinieren doch bestimmend – von lebensweltlichen
Gesellschaftsstrukturen generiert werden. Das dominante System ist Wirtschaft
(Code Geld) und das Wertdual
zahlen/nichtzahlen dirigiert das Wertdual der Wissenschaft wahr/falsch.
Simplifiziert (und positiv) könnte dies meinen, dass je mer Geld in der
Forschung investiert, desto bessere Wahrheiten können entstehen. Offensichtlich
aber handelt es sich bei Pokol nicht um dieses “Positivum” sondern eher um eine
negative Manipulation der Investoren die in der heutigen Wissensgesellschaft
das Wissen für ihren Profit
“kolonisieren”.
9.
Die zusammengeflochtenen Kette von Geld, geistige Macht,
Medienmacht, politische Macht kann erst aufgrund der gesamtgesellschaftlichen
Gruppierungen der Menschen beobachten werden und diese Beobachtungsmöglichkeit
ist annulliert mit der halbierten strukturellen Thematisierung von der
luhmannschen Theorie.
Gesamtgesellschaftliche Solidaritäten und Feindlichkeiten
der Menschengruppen schneiden die Teilsysteme durch und sie bestimmen in vielen
Fällen die einzelnen
’Operationen’ innerhalb diesen Teilsystemen.
Replik: Diese These ist eine Wiederholung der
Vorigen, mit dem Unterschied, dass hier zwei typische luhmannschen Begriffe
Beobachtung und Operation eingeführt werden. Die Beobachtung ist eine Operation
von Unterscheidung und als solche ein empirischer Vorgang. Pokol beobachtet die
Gesellschaftsstrukturen nach Maßstab seiner Theorie d.h. als Einheit der
Unterscheidung Sozialstruktur und
Systemstruktur. Der Erkenntnisgewinn sollte dabei ein komplexes
Gesellschaftsbild sein das zeigt: Funktionssysteme und Lebensweltstrukturen
sind voneinander empirisch nicht zu trennen. Eine zirkuläre Kettenkausalität
wird von ihm unterschwellig vermutet. Die Funktionssysteme werden durch den
Mechanismen der Solidarität und Feindlichkeit der Gruppen von Handelnden
durchgewebt und stören die nach der binären Code organisierten systemischen
Operationen. Die Frage ist – unter anderen – wie wehren sich die
Funktionssysteme gegen diese Störung? Die Vertreter der Funktionssysteme
(Unternehmer in der Wirtschaft, Politiker in der Politik, Wissenschaftler in
der Wissenschaft) sehen die widersprüchliche und abhängige soziale Realität die
ihre Verständnis von wirtschaftlicher, politischer und wissenschaftlicher
Autonomie herausfordert und sie wollen “ihre Autonomie gegen einen Angriff von
außen schützen“ (Münch, 1996, 356). Es kann eine paradoxe Situation entstehen:
dadurch, dass die einzelnen
professionellen Funktionssysteme ihre Autonomie gegenüber der Interpenetration der
Lebenswelt abschirmen wollen, gründen sie eine “unheilige Allianz“
untereinander unter Führung des Wirtschaftssystems. So wird von der
“Menschengruppen“ – die aus den systemischen Vorteilen “diffus“ unprofessionell
und nur am Rande profitieren (Geld, Macht, Wissen) – diese Systemstrukturen als
privilegiert und ungerecht beobachtet. Die in Aussicht gestellten
Inklusionsmöglichkeiten – solange sie nicht konkret realisiert werden –
bleiben für die Masse nur ein schwacher
Trost. Die Vorstellung von Inglehart
von einer “postmaterialistischer Gesellschaft“ d.h. von einer Gesellschaft wo
materielle Werte nicht mehr im Vordergrund der Wertevorstellungen liegen
scheint ziemlich utopistisch zu sein. Er sieht in einem Prozess der
Postmodernisierung die Abschwächung des Wirtschaftssystem zu Gunsten der
persönlichen, lebensweltlichen Optionen der Menschen. “Die Postmodernisierung
kann als eine Verschiebung der Überlebensstrategien gesehen werden, und zwar
von der Maximierung des Wirtschaftswachstums hin zur Maximierung des Existenz
und des Wohlbefindens mit Hilfe eines veränderten Lebensstils“ (Inglehart,
1998, 155). Es besteht eine Wechselbeziehung zwischen Postmodernisierung und
Demokratie. Das subjektive Wohlbefinden, verbunden mit postmaterialistischen Werten wie Vertrauen
und Toleranz sollte zu Demokratie führen. Andererseits der Wohlstand ist eine Voraussetzung der
Demokratie. Er postuliert nämlich, dass in seiner Theorie der
postmaterialistische Wertewandel auf der Ebene der Nationen erfolgen wird, die
eine wirtschaftliche Stabilität vorweisen können. Aus seiner Theorie könnte man herauslesen – salopp formuliert –,
dass Reichtum gleich Demokratie.
Abgesehen davon, dass diese
Gleichung empirisch nicht stimmt (die reichen Ölstaaten sind nicht
demokratisch – und Indien ist die größte Demokratie der Welt) und gesicherte
Reichtum führt nicht notwendigerweise zu postmaterialistischen Werte. “Auch
verschwenderische Luxusgüter können entstehen, Kitsch und Kultobjekte werden
für die Wohlhabenden, die alles schon besitzen, für mehr Prestige und Protzerei
sorgen...Die demokratische und postmaterialistische Weltgesellschaft dehnt sich
nur auf die “erste Welt“ aus, auf die sogenannte westliche, amerikanisierte
Welt“ (Bango, 2003, 189). Systemtheoretisch betrachtet heißt es, dass
Wirtschaftssystem und Machtsystem ineinander aufgehen und gemeinsam die anderen Funktionssysteme dominieren
werden. Dies ist auch die Befürchtung von Pokol. Die von ihm erwähnte
“Operationen“ der Teilsysteme werden von solchen “Menschengruppen“ bestimmt,
die die wirtschaftliche und politische Macht gleicherweise besitzen. Eine
andere optimistischere Vorstellung wäre es – wenn ich Pokol richtig
interpretiere – wenn die neue im
Entstehen befindliche Sozialstruktur der Bürgergesellschaft, mit neuen
Institutionen die postmaterialistischen Werte praktizierend sich in Vertrauen, Toleranz und sozialem Engagement übt und die starren,
professionellen Teilsysteme – Habermas apostrophierend – “re-kolonisiert“. Im
Wirtschaftssystem wird das Kapital nicht der wichtigste Arbeitgeber sein, sondern
das Gemeinwohl. Hier heißt es dann nicht mehr Lohnarbeit sondern sinnvolle
Tätigkeit oder “Bürgerarbeit“ wie Ulrich Beck dies vorstellt (Beck, 1997).
“Diese Arbeitgeber sind Schulen, Umweltbehörden, Krankenhäuser, Sozialämter, -
die heute schon pädagogische, ökologische, gesundheitliche und soziale
Tätigkeiten finanzieren. In der Tätigkeitsgesellschaft werden aber diese
Arbeitgeber weiter differenziert, auf lokale oder eher regionale Ebene gehoben,
wo es eine bessere Chance für selbstorganisierte, grundfinanzierte Bürgerarbeit
(Bürgertätigkeit) gibt und wo die an dieser Tätigkeit beteiligten eine Art
“Gemeinwohlunternehmen“ gründen können, ohne sich die oft störenden
hierarchisch-zentralistischen Strukturen der Ämter und Behörden zu Eigen zu
machen“ (Bango, 2001, 133.
10.
Die Organisierung
der doppelten Strukturen der sozialen Welt haben verschiedene Schwerpunkte. Die
Strukturen einigen funktionellen Teilsysteme organisieren sich stärker auf der Ebene der
Weltgesellschaft - wie Luhmann
herausgehoben hat - aber viele Strukturen anderer Teilsysteme sind stärker auf der Ebene der
nationalen Gesellschaften determiniert. Z. B. sind die Geldwirtschaft oder die
Wissenschaft größtenteils auf der Ebene der Weltgesellschaft organisiert aber
die politische Strukturen bauen stärker auf die nationalen
Ebene der Menschengruppe auf. Auf diese
Weise können fortsetzenden Kämpfen zwischen solchen
Menschengruppen gekämpft werden, die einerseits
weltgesellschaftlich über die Geldmacht disponieren können und andererseits
solche, die auf der nationalen Ebene stärkere Einbettung haben.
In fast jeden europäischen und nordamerikanischen
demokratischen politischen Systemen gibt es diese Spaltung der politischen
Kräfte und das bedeutet nicht nur die Kämpfe der Menschengruppen
sondern auch der Rivalisierung der verschiedenen funktionellen Strukturen. Mit
der Thematisierung der doppelten Strukturen der Gesellschaft kann einerseits
die politischen Kräfte (und Menschengruppe) der
Weltgesellschaft und andererseits die der nationalen Gesellschaften besser
begriffen werden.
Replik: Das Thema Weltgesellschaft taucht zum ersten Mal in den pokolschen Thesen auf. Ich möchte deshalb diesmal etwas ausführlicher auf dieses Thema und die damit zusammenhängenden anderen Themen wie Gesellschaftsbegriff, Nation und Region eingehen. Die Theorie der doppelten Strukturen der sozialen Welt muss sich mit diesen Realitäten der Weltgesellschaft sich auseinandersetzen. Nach Luhmann die moderne Gesellschaft ist Weltgesellschaft – es gebe keine nationale Gesellschaften mehr. Da die Gesellschaft, die globale Erreichbarkeit der Kommunikationen bedeutet, kann es nach der Entdeckung der Erde nur Weltgesellschaft geben. Meiner Meinung nach von nationaler Gesellschaft kann nur dann die Rede sein, wenn diese als integrale Teil der Weltgesellschaft gemeint ist. Die Unterscheidung Weltgesellschaft/Nationalgesellschaft wäre nicht nur für Luhmann sondern für viele anderen Soziologen unbrauchbar. Es lohnt sich um den Gesellschaftsbegriff herum Ausschau zu halten, und mindestens zwei Meinungen zu lesen, die die Komplexität des Begriffes enthüllen. 1. Der Gesellschaftsbegriff war ursprünglich ein Kampfbegriff, teilweise schon aus den Zeiten der Aufklärung, teilweise aus den Zeiten der Romantik entstanden. Wendepunkt war endgültig die französische Revolution 1789, die das “Soziale“ und die “Gesellschaft“ gegen die bürgerlichen, postfeudalen und reaktionären Auffassungen über das Ganze der menschlichen Zusammenlebensformen, etwa wie das “Ständische“ oder die “Adeligen“ umzutauschen versuchte. Tenbruck entdeckte den Widerspruch zwischen Gesellschaft als vorstaatliches Gebilde und Gesellschaft als Ganzheit, die sich nur durch den Staat identifizieren ließ. Er würde lieber von Vergesellschaftungen sprechen, um diese Paradoxa zu lösen, wobei “wir wieder von benennbaren Staaten, Nationen, Kulturen, Stämmen, Völkern, Religionen, Verbänden (warum nicht Regionen auch? - von mir J.B.), Parteien, Ideologien, Wirtschaften, Publik und dergleichen mehr als so vielen Vergesellschaftungen zu sprechen lernen“ (Tenbruck, 1986, 270). 2. Es sei fraglich, ob die systemtheoretische Neuformulierung des Gesellschaftsbegriffs in der Lage sei, eine Gesellschaftstheorie zu etablieren. Dies ist eine deutliche Kritik an Luhmanns Spätwerk “Die Gesellschaft der Gesellschaft“, in dem die endgültige Formulierung der Luhmannschen Gesellschaftstheorie dargelegt wurde. (Firsching, 1998, 161-173). Gesellschaftsgrenzen und Kommunikationsgrenzen sind identisch – dies gilt aber nur für die Weltgesellschaft, hier gibt es keine soziale Umwelt mehr. Eine Gesellschaft kommuniziere autopoietisch nur in sich. Firsching ist dafür, dass man also statt Gesellschaft nur von sozialen Systemen und ihren strukturellen Kopplungen spricht. Für die Globalgesellschaft gibt es keine “rational choice“ – eine Auswahl der unter sich bietenden Handlungsalternativen. Für die Weltgesellschaft wäre nur die Weltgesellschaft die Alternative. Pokol meint dagegen dass es “nationale Ebenen gibt wo die Politik abspielt“ – er denkt als Politologe an die Nationalstaat d.h. die nationale Gesellschaft lässt sich durch den Staat identifizieren. Der so oft totgesagte Nationalstaat lebt munter weiter und wir sehen noch längst nicht die Auflösung der “postwestfälischen Staatenordnung“ wie dies Weltgesellschaftstheoretiker glauben möchten wenn sie von “transstate structures“, von Denationalisierung und von neuer politischen Räume schreiben ( Albert in Kohler-Koch, 1998, 49-75). Der Nationsbegriff ist für die Soziologie eigentlich verdächtig, da hier auch die schärfste Beobachtung die dabei anfallenden Komplexitäten kaum reduzieren kann. Historisierende, pschychologisierende (emotionale), völkerkundige und kulturspezifische bzw. kulturanthropologische (z. B. Nationalcharakter) Standpunkte vermischen sich mit Macht- und Politikaspekte. Auch Pokol knüpft der Nationsbegriff (nationale Gesellschaft) an politische Systeme. Unter Nation versteht Günther Hartfiel eine “Gemeinschaft vom Menschen mit dem Bewusstsein gleicher politisch-kulturellen Vergangenheit und dem Willen zum gemeinsamen Staatswesen. Ein Volk wird demzufolge dadurch zur Nation, dass es sich seiner historischen und kulturellen (abgrenzbaren) Eigenwertes bewusst wird und sich als Träger und Subjekt gemeinsamer Werte und Zielvorstellungen interpretiert.“ (Hartfiel, 1976, 476). Meiner Meinung nach die innere Differenzierung der globalisierten Weltgesellschaft ist nicht auf der Ebene der Nation zu suchen sondern auf der Ebene der Regionen. Nationen liegen quer durch Nationalstaaten - es gibt kaum ein Staat mit nur einer Nation. Notgedrungen entstehen Probleme (Kämpfe und Konflikte) der nationalen Minderheiten, die als Volk obwohl eine eigene Geschichte, Territorium, Sprache und Kultur haben nie zum eigenen Nationalstaat sich formieren könnten (Paradebeispiel sind Kurden) oder von ihrem eigentlichen Mutternation durch Staatsgrenzen getrennt werden (Paradebeispiel in Europa ist Ungarn, das in angrenzenden Nachbarstaaten die zahlreichste – mehr oder weniger drei Millionen – nationale Minderheit in Europa hat). Der einheitliche Nationalstaat ist eher eine politische Wunschvorstellung und in der Moderne kann die Minderheitenfrage nur durch Föderalisierung und Regionalisierung gelöst werden. Die Zukunft der Differenzierung in der Weltgesellschaft liegt nicht in der Nation sondern in der Region. Der Regionsbegriff ist in alltäglicher Interpretation nicht überraschend, jeder kann damit umgehen. Meist verbinden wir damit ein geographisch abgegrenzten Gebiet mit besonderer spezifischer Kultur, Politik, Religion, Sitten, Bräuchen, Traditionen, Sprache und anderen regionsspezifischen sozialen Gegebenheiten. Unter Region werden allgemein bestimmte räumliche Einheiten von mehreren Siedlungen verstanden, die sich durch ein historisch gewachsenes Bewusstsein der Zugehörigkeit der Bewohner auszeichnet (Bango, 1998). Auf dem Weg zur postglobalen Gesellschaft. Verlorenes Zentrum, abgebaute Peripherie, “erfundene” Region, Berlin, Duncker&Humblot) Der Europarat definierte 1978 folgendermaßen: “Eine Region ist vor allem eine menschliche Gemeinschaft, die fest mit der Landschaft verbunden ist und die durch den Gleichklang von Geschichte, Geographie und Wirtschaft gekennzeichnet ist, durch welche die Bevölkerung zu einer Geschlossenheit bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele und Interessen gelangt” (zitiert nach Reimann, 1992,129). Sozialwissenschaftlich betrachtet ist der Regionsbegriff viel problematischer. Die von Niklas Luhmann inspirierte systemtheoretische Soziologie – soweit sie sich überhaupt mit der Definition der Region beschäftigt – vertritt einander ausschließende gegenteilige Meinungen. Zwei davon sollen hier geschildert werden. Die erste Meinung sieht in der Region ein Sozialsystem und ein funktional ausdifferenziertes System, die andere behauptet, Region sei die nähere Umwelt der Subsysteme der Gesellschaft. Die erste Meinung betrachtet die Region als eine Synthese von Globalem und Lokalem in der Weltgesellschaft. Sie wäre ein a) nicht “nur“ topographisch, räumlich-grenzziehender Ort, b) eine neue Form der Kommunikation anschließend an die “klassischen“ soziale Systeme wie Interaktion, Organisation und Gesellschaft und c) ein neues ausdifferenziertes Funktionssystem gleichrangig mit Religion, Politik, Recht usw. Sie ist struktural gekoppelt mit diesen. Sie ist mit einem doppelten binären Code von Teilen/Behalten bzw. Vermitteln/Trennen versehen, die als Charakteristika einer “Proto-Sozialität“ zu betrachten wären, und entsprechend ausgestattet mit dem symbolisch generalisierten Medium der Beziehung und mit dem Doppelprogramm der Solidarität und Inklusion. Ihre Rolle ist lediglich kommunikativ, signalisiert die funktionale Diversität und die Supra-Territorialität eines “sozialen Raumes“ ohne fixierte topographische Grenzen. Sie kann in der heutigen Zeit noch funktional äquivalent sein unter Umständen mit einer Provinz, einem Staat oder einer Stadt – sie wird aber erst evolutionär die volle Autopoiesis in der kommenden Zeiten erreichen (Bango, 2003, 205). Die zweite Meinung beruft sich auch auf die luhmannsche Systemtheorie und bezeichnet die Region als intra-sozietale Umwelt der globalen Funktionssysteme. Man sollte Regionen nicht wie Dinge oder separate Objekte behandeln. Man sollte sie genauer von Nation und Gesellschaft abgrenzen, man sollte die Regionen auch von den Teilsystemen der Gesellschaft genauestens unterscheiden. Sie sind also keine Systeme, sie konditionieren nur die Funktionssysteme und erarbeiten regionale Kopplungsmechanismen, ihre Kommunikationsweise verschafft den Funktionssystemen neue Informationsmöglichkeiten. Man sollte sie als gesellschaftsinterne, konstruierte Zurechnungspunkte begreifen – alle Regionen sind ausnahmslos interne Umwelt der Weltgesellschaft. Territorialität (als eine Form von sozialer Ordnungsbildung) und Ethnizität, kombinierbar mit Territorialität, sind die Kopplungsmechanismen der Region mit den Funktionssystemen. Aber sie sind selbst keine soziale Systeme. (Kuhm, 2000, 321-348)
Ich komme nach diesem kurzen semantischen Exkurs
zur Kritik der zehnten These von Pokol zurück. Die funktionalen und
lebensweltlichen Strukturen organisieren sich unterschiedlich je nach dem ob diese Strukturen eher mehr in
weltgesellschaftlichem Kontext eingebettet sind oder in einem bestimmten Segment der
Weltgesellschaft (nennen wir es noch Nationalgesellschaft “faute de mieux“)
operieren. Die Zeichen der Rivalisierung zwischen dieser zwei Organisations- und
Operationsweise sind in dem Prozess der Globalisierung empirisch beobachtbar.
Robertson erfand dafür den Fachbegriff Glokalisierung. Die Geldwirtschaft und
die Wissenschaft (Börsianer und Wissenschaftler) agieren global – ebenso wie
die multinationalen Konzerne und die Organen der Vereinten Nationen. Ich bin
skeptischer was die Beurteilung der Politik betrifft. Es gibt die Weltpolitik und die Regionalpolitik.
Wenn man das politische und militärische Übergewicht der Vereinigten Staaten
betrachtet, dann stellt man fest, dass das Funktionssystem Politik eines
mächtigen Staates seine Wille entgegen des globalen Widerstandes durchsetzt.
Die Politik eines Nationalstaates wird Weltpolitik und hier geht es nicht mehr
um Rivalisierung (weil es praktisch keine andere Weltmacht existiert) sondern
um eine eindeutige hegemoniale Stellung.
Wenn Globalisierung eindeutig
Amerikanisierung bedeutet wie diese von vielen Zeitdiagnosen schon signalisiert
wird, dann muss Pokol seine These revidieren. Wenn also in einem Segment der
Weltgesellschaft das Machtsystem und das Wirtschaftssystem globale Stellung
einnimmt wird dann früher oder
später diese Dominanz an andere
(schwächere) Funktionssysteme übergreifen. In einer mcdonaldisierten Welt
werden kulturelle Identitäten und Differenzen verblassen zugunsten einer
aufgezwungenen Einheit. Ob die Menschheit dieser Preis für eine “pax americana“
zahlt ist zweifelhaft. Die Kampf der
Kulturen, McDshihad gegen McWorld ist
gerade begonnen. Damit habe ich aber die aktuelle Zeitdiagnose verlassen
und befinde mich auf den unstabilen
Terrain der Prognosen. Auf diesem Terrain fühlt sich der amerikanisch Politologe Joseph Nye wohl (Nye, 2003). Er
vergleicht die Vereinigten Staaten mit früheren Hegemonialmächten wie Rom,
Spanien, Frankreich , Großbritanien. Seine These: In Zeiten der Globalisierung
kann die Großmacht USA nur im Verbund mit Gleichgesinnten überleben. Nye glaubt nicht an die Wirksamkeit der von
ihm so genannten “Hardpower“, das heißt den Einsatz militärischer oder
wirtschaftlicher Druckmittel. Stattdessen plädiert er für “Softpower“, also dafür, andere Nationen indirekt zu
beeinflussen und zur Entwicklung eigener Wertvorstellungen zu ermutigen
beziehungsweise zu befähigen. Als
Beispiel führt er die “dritte industrielle Revolution“ an, die weltweit
zugängliche Informationstechnologie. Auf diesem Gebiet will der Hegemon Amerika
eine internationale Vermittlerrolle spielen.
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