Imre Mátyás
Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts
1.
Das große Werk; Ziele und Hintergrund
Es ist einige Jahre her, dass das Europäische
Parlament einen Beschluss verabschiedet hat, in dem die Europäische Kommission
zu der Ausarbeitung eines neuen Europäischen Zivilgesetzbuches aufgefordert
wurde. Die Kommission hat jedoch keine große Begeisterung für diese Konzeption
gezeigt. Es ist aber sicher, dass der Plan des Europäischen Zivilgesetzbuches
eine der herausfordernsten Ideen der europäischen Rechtsgeschichte zu sein
scheint. Obwohl von manchen Fachleuten immer noch bestritten, sollte keine
Zweifel daran bestehen, dass ein sehr großer Anspruch auf ein vereinheitlichtes
Vertragsrecht für Europa stattfindet. Der Weg dies zu erreichen, ist aber noch
nicht ganz klar. [1]
Die
primären Ziele der Grundregeln liegen in der Vorbereitung einer systematischen
Harmonisierung des Vertragsrechts in den EG-Mitgliedsstaaten.[2]
Mit den Grundregeln des Europäischen Vertragsrechts (Grundregeln) als
Grundlage, wäre eine umfassende Rechtsangleichung innerhalb Europas in
effektiverer Weise möglich, als es bisher durch die erlassenen Richtlinien
geschehen ist. Sie erfassten ja immer nur einzelne Details bestimmter
Rechtsgebiete, vor allem den Verbraucherschutz.
Eng
mit diesem Ziel ist die Funktion der Grundregeln als Basis für eine
einheitliche Kodifikation des Vertragsrechts in Europa[3]
verbunden, die das Europäische Parlament schon bereits zweimal gefordert hat.
Allerdings gehen die Meinungen der Kommissionsmitglieder in diesem Punkt
auseinander. Einige haben ein rein akademisches Interesse an den Grundregeln,
wie z.B. Prof. Zimmermann aus Regensburg, während hingegen andere, wie Prof.
Lando, in den Grundregeln eine echte Vorstufe für ein “Europäisches
Zivilgesetzbuch“ sehen.
Dementsprechend
sind zwei große Richtungen zu unterschieden. Die eine durch Kodifikation
verwirklichende und die andere durch langsame, fast natürliche Entwicklung
stattfindende Vereinheitlichung.[4]
Die
erste betont, dass das einheitliche Vertragsrecht durch Kodifikation am
schnellsten und einfachsten erreichbar sei. Diese Tendenz wird von vielen
Professoren und anderen Wissenschaftlern unterstützt. Sie sagen, dass die Gesetzgeber,
in unserem Fall die entsprechenden Organe der Europäischen Union, relativ
schnell und begründet einen solchen Kodex erschaffen können. Über die
Geschwindigkeit muss man nicht viel sprechen, es reicht, einen Blick auf die
Arbeit der Lando-Kommission zu werfen. Sie arbeiten sehr präzise und
professionell, aber es dauerte eine lange Weile, bis nur die ersten zwei Teile
der Grundregeln ausgearbeitet worden waren. Trotz aller Schwierigkeiten,
scheint diese Methode vielversprechend und erfolgsreich zu sein. Dieser Weg
sichert auch die weite Verbreitung der neuen Studien. Es ist nämlich viel
einfacher ein neues Gesetzbuch an den Universitäten zu unterrichten. Auch eine
erwähnenswerte Tatsache, dass sich die neue Generationen der Juristen mit dem
brandneuen Material in kürzerer Zeit vertraut machen können.
Von
dem anderen Lager ist die Situation ganz anders beurteilt. Sie drängen darauf,
dass das Recht nur einfach wachsen zu lassen, und nicht von oben in das sich
seit längerer Zeit entwickelnde nationale Recht einzugreifen ist. Die
nationalen Rechte gehören zu der Erbschaft der einzelnen Länder. Daher muss man
sehr vorsichtig sein. Die unüberlegte Vereinheitlichung kann gefährlich sein.
Welcher Richter oder Staatbeamter wird mit 45 oder 55 Jahren wieder an der
Universität studieren, um sich das neue Recht anzueignen? Das Recht sollte
nicht künstlich geändert werden, es hat Seele, und sie wäre durch diesen
Prozess schwer verletzt.
Zu
der, von den Gerichten verwirklichende Vereinheitlichung sagen jedoch auch sie
ja. Es sei gar kein Problem, dass diese Entwicklung auch Jahrhunderte dauern
kann, die Wissenschaftler und auch die Wissenschaft haben Zeit. Gilt es ebenso
für die Gesellschaft? Das wichtigste ist, dass das Recht, das bisherige Recht,
weiterleben muss. Wenn die Gerichte der Meinung sind, dass auf dem Wege
vereinheitlichender Urteile eine gewisse Rechtsharmonisierung erforderlich
wäre, dann werden sie das machen. Wenn nicht, dann nicht – wird von den
Wissenschaftlern gemeint.
Nach
Ansicht von anderen, zum Beispiel Dieter Martiny[5],
kann im Ansatz zwischen drei Denkschulen oder Richtungen unterschieden werden.
An erster Stelle zu nennen ist eine “abwartende“ oder “ablehnende“ Haltung,
zweitens ein “evolutionär-wissenschaftlicher“ und schließlich ein
“legislatorischer“ bzw. “kodifikatorischer“ Ansatz .
Der
an erster Stelle erwähnte Ansatz, der als “ablehnend-abwartend“ bezeichnet
werden könnte, hält die Entwicklung eines einheitlichen Zivilrechtes und eines
europäischen Zivilgesetzbuches für zu komplex und übereilt, auch aber
wirtschaftlich für nicht ganz notwendig, wenn nicht aber für unmittelbar
schädlich.[6]
Auch wie oben schon erwähnt worden ist, sind die Vertreter dieses Ansatzes um
die kulturelle Vielfalt Europas besorgt. Eine Vereinheitlichung scheint den
Europa-Skeptikern zu teuer, zu früh und zu ungemütlich zu sein. Außerdem gibt
es auch einen Zusammenhang mit den wirtschaftspolitischen Verläufen der Welt
und Europas. Den wirtschaftlichen Wettbewerb durch die Ausnutzung nationaler
Rechtsunterschiede stimulieren zu wollen scheint lediglich auf Randgebieten
hinnehmbar zu sein. Diese Gruppen haben auch Furcht vor Veränderungen.
Sekundäres kann auch die Nostalgie eines Festhaltens an den bestehenden
Verhältnissen nicht rechtfertigen. Eins ist aber klar: der bisherige
unbefriedigende Zustand ruft nach weiteren Aktionen.
Die
Mitglieder der anderen, “evolutionär-wissenschaftlichen“ Richtung stimmen zu,
dass etwas im Bereich des Vertragrechtes passieren soll, aber die Art und Weise
ist ganz unterschiedlich von dem dritten, “kodifikatorisch-legislatorischen“
Ansatz.
Der
evolutionär-wissenschaftliche Ansatz geht davon aus, dass die Europäisierung,
die Ausbildung und die Rechtswissenschaft Vorrang vor gesetzgeberischen
Maßnahmen haben müssen. Sie fordern also keine von oben dekretierte
Vereinheitlichung, sondern eine von unten, langsam wachsende Entwicklung. Sie
haben die Meinung, dass zuerst die Basis geschaffen werden solle. Die Vertreter
dieser Richtung halten es für wesentlich, eine gemeine, europäisch orientierte
juristische Ausbildung zustande zu bringen. Ein Instrument dieser Bestrebung
könnte das Lehrbuch von Professor Kötz und Flessner über Europäisches
Vertragsrecht sein. (Selbst Kötz ruft in der Einleitung seines Buches[7]
die Wichtigkeit eines europäischen Lehrbuches an:[8]
“Es
ist doch sehr wichtig, auch wenn die verschiedensten Argumenten lieber für den
“kodifikatorisch-legislatorischen“ Ansatz sprechen, eine umfassende europäische
Bildungsstruktur zu erschaffen, in der die neue juristische Generation Europas
sich mit dem gemeinen Rechtsmaterial bekannt macht.“
Eine
ähnliche Entwicklung wie in der Ausbildung sollte es auch in der Forschung
geben. Das bedeutet, dass auf dem Vorbild des Unterrichtes auch solche gemeine
Forschungsprojekte vermutet werden sollten, die die Entwicklung des gemeinsamen
europäischen Privatrechtes fördern könnte. (ein gutes Beispiel dazu die schon
erwähnte gemeine Forschungsprojekte und Kommissionen)).
Der
“kodifikatorische-legislatorische“ Ansatz, zu dessen Vorkämpfern auch Ole Lando
gehört,[9]
verlangt daher – unterschiedlich drängend vorgetragen, weitere Maßnahmen in
Richtung eines europäischen Privatrechts. Obwohl die hohe Zeit der nationalen
Kodifikationen, mit der naturrechtlichen und aufklärerischen Tradition
sicherlich vorbei ist, kann man ganz neue Beispiele für vielversprechende
Kodifikationsversuche zitieren (siehe hier Holland). Aber schnelle, technische,
gesellschaftliche und grenzüberschreitende Entwicklungen lassen manches
Kodifikationsergebnis von Anfang an als fragwürdig erscheinen.[10]
In der europäischen Rechtsgeschichte können doch viele erfolgsreiche
Kodifikationsbestrebungen beobachtet werden. Erstens sollte das Europäischen
Gerichtsstands- und Vollstreckungs-übereinkommen von 1968 (EuGVÜ) erwähnt
werden, das einzig in seiner Art war. Diesen Übereinkommen folgte das
Europäische Übereinkommen über das auf Schuldverträge anzuwendende Recht von
1980 (Römische Konvention). Die Vertreter der dritten,
“kodifikatorischen-legislatorischen“ Richtung meinen, dass ein gemeinsames
europäisches Zivilgesetzbuch erforderlich wäre, nicht nur aus wirtschaftlichen
Gründen, aber auch, weil die Europäische Gemeinschaft von Anfang an auch als
Rechtsgemeinschaft konzipiert worden ist.
2.
Der tiefere Sinn der Grundregeln
Wie in dieser Arbeit schon mehrmals erwähnt
wurde, sind die Grundprinzipien des Europäischen Vertragrechtes der heutzutage
interessanteste und vielversprechendste Erfolg der
Rechtsvereinheitlichungsbestrebungen. Im Jahre 1995 ist Teil I der
Grundprinzipien erschienen, die von der von Mitgliedern aus allen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union bestehenden Kommission ausgearbeitet
worden sind. Spiritus Rector und Vorsitzender von Anfang an war und ist der
dänische Professor Ole Lando, deshalb wird die Kommission häufig als
Lando-Kommission bezeichnet.[11]
Die
Grundregeln sind in der wissenschaftlichen Diskussion auf große Resonanz
gestoßen und haben der Diskussion über eine europäische Rechtsvereinheitlichung
starke Impulse gegeben.[12]
Zusätzlich sollen sie den nationalen Gesetzgebern als Vorbild und
Anregung dienen, in ihrem jeweiligen Land eine Reform bzw. eine Neuformulierung
des Vertragsrechts durchzuführen. Dabei wird vorwiegend an ehemalige
sozialistische Staaten in Mittel- und Osteuropa gedacht, die ihre
Rechtsordnungen den Anforderungen der Marktwirtschaft anpassen wollen[13].
Die
gemeinschaftsrechtlichen Richtlinien nicht berücksichtigend, ist die Tätigkeit
der Lando-Kommission die älteste in dem Rechtsvereinheitlichungsprozess. Sie
hat 1980 begonnen. Am Anfang haben der überwiegende Teil der Mitglieder
vorgehabt, Grundprinzipien bezüglich der grenzüberschreitenden
Rechtsverhältnisse zu schaffen. Das Ziel war solche Regelung zu setzen, die von
Schiedsrichtern dann angewendet werden können, wenn keine Rechte von den
Parteien für ihren Vertag gewählt worden sind (zB. die Parteien haben ihren
Vertrag der lex Mercatoria oder der international anerkannten
Grundregeln untergeordnet), oder die Parteien selbst haben ein Recht
ausgewählt, ihren Vertrag zu regeln. Gemäß zahlreichern Rechtssysteme ist es
für die Parteien möglich, ein Schiedsrichterverfahren auszuwählen und ein
anderes, als das innere Recht für den Vertrag anwendbar, geltend zu machen.
Selbst wenn das nationale Recht es nicht ermöglicht, wird es im Allgemeinen
genehmigt, die Grundregeln des Europäischen Vertragrechtes auf den Vertrag
anzuwenden. In den meisten Fällen hat es die gleiche Wirkung, obwohl es in der
bedingungslosen Geltung der Normen Unterschiede geben kann.[14]
Selbst
wenn die Grundregeln sich ausschließlich auf die grenzüberschreitenden Verträge
bezogen würden, hat die Lando-Kommission erkannt, dass die Grundregeln nicht
geeignet gewesen sind. Als die Ausarbeitung des zweiten Teiles der Grundregeln
(die im Jahr 2000 veröffentlicht worden ist) angefangen hat, hat die Kommission
es versucht, eine solche spezialisierte Arbeitsgruppe zu errichten, die sich
ausschließlich mit einigen speziellen Verträgen beschäftigt. (z.B. Bauverträge,
Verträgen hinsichtlich Kreditinstituten und Finanzierungsdienstleistungen). Die
Kommission hat die Meinung gehabt, für die Arbeit dieser Sondergruppe auch
finanzielle Unterstützung finden zu können, aber diese Vermutung hat sich als
falsch erwiesen, so dass diese Form der Arbeit schnell beendet wurde. Es ist
auch von der Kommission entdeckt worden, dass sowie der Vertrag kein abstraktes
Phänomen sei, sondern immer in irgendwelchem genannten Form verkörpert werde,
ebenso die Regulierung der Verträge nicht in ein rechtliches Vakuum gesetzt
werden kann. In zahlreichen Fällen bilden die vertragrechtlichen Regelungen nur
einen Teil der Gleichung.[15]
Andere Vorschriften, wie beispielsweise die Normen bezüglich der außerhalb des
Vertrags entstehenden Schaden spielen auch eine wichtige Rolle im Leben des
vertraglichen Rechtsverhältnisses und in der Lösung irgendeiner, aus diesem
Verhältnis stammenden Auseinandersetzung, zum Beispiel bei einem Bauvertrag.
Der Bauunternehmer, welcher in einem anderen Land arbeiten möchte, wird nicht
nur auf die Vorschriften des Vertragrechtes neugierig sein, sondern auch
darauf, von welchen Regelungen er auf der Baustelle gegen Dritte betroffen
wird, die während der Bautätigkeit zufälligerweise entstehende Schaden erleiden.
Weiterhin wird sich der Bauunternehmer auch für solchen Vorschriften
interessieren, die mit seiner unausgesetzten Verantwortung in Verbindung
stehen, besonders wenn sich das Eigentumsrecht der Baulichkeit verändert. In
manchen Rechtssystemen handelte es sich um vertragrechtliche Fragen, aber in
anderen, wie zum Beispiel in dem englischen Recht, wird der Problemkreis in dem
Bereich für Tatbestände der außer Vertrag entstehenden Schaden behandelt.[16]
In diesen Fällen existiert das Problem, dass sich die Grundregeln des
Europäischen Vertragrechtes ausschließlich auf die allgemeinen Regeln der
Verträge beziehen.
Das
bedeutet jedoch nicht, dass die Grundregeln keinen Wert haben! Ganz im
Gegenteil: sie können doch sehr nützlich sein. Erstens, die einzelnen
spezialisierten Verträge bezüglichen Regeln werden meistens von den Verträgen
selbst erfasst. Diese Lösung kann doch eine besonders auf Common Law
kennzeichnende Annäherung sein, doch für eine Reihe von Vertragstypen haben die
Engländer keine spezielle Rechtsmaterialen entweder in Form von
Rechtsvorschriften oder Gerichtsentscheidungen (Case Law). Statt diesen
Rechtsmaterialen sind die Verträge selbst sehr detailliert, die sehr oft in
Form allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) erscheinen, um auf diese Weise die
Vorschriften des fehlenden Bürgerlichen Gesetzbuches zu ersetzen.
Zweitens,
die ausgearbeiteten Grundregeln können hervorragend den Rahmen des
Gemeinschaftsrechts sichern. Das heutzutage geltende Rechtsmaterial wird heftig
wegen seiner schwachen Qualität – man muss zugeben: begründet - kritisiert. Es
ist schwierig zu verstehen, kaum fassbar und benutzt die verschiedenen
Definitionen nicht konsequent. Zum Beispiel ändert sich die Definition des
Verbrauchers oft unter den einzelnen Richtlinien. Das ist aber nicht den
Juristen nachzutragen! Dieses Ergebnis kommt daher, dass die Richtlinien nach
schweren politischen Auseinandersetzungen zustande kommen. Das Problem wird
aber noch von der Tatsache vertieft, dass Europa über kein gemeinsames
Rechtsdefinitionssystem verfügt, woran diese Richtlinien aufgebaut werden
könnten. Die Grundregeln des Europäischen Privatrechtes können der Entwicklung
dieses Definitionssystems als nützliches Modell dienen.
Außerdem,
wie in dieser Arbeit schon mehrmals erwähnt worden ist, ist das Grundziel, den
Preis der zwischenstaatlichen Geschäftsverbindungen dramatisch zu reduzieren
und einen gemeinsamen Markt auszubauen. Dazu wird aber eine auf viel breiterem
Grund liegenden Rechtsharmonisaton gebraucht. In Wirklichkeit sind solche
Rechtsvorschriften zu harmonisieren, die auf die vertraglichen
Rechtsverhältnisse unmittelbare Wirkung haben. Manche Leute sagen nur einfach:
es wird wirklich ein Europäisches Zivilgesetzbuch gebraucht! Manche sind – wie
oben schon detailliert erörtert worden ist – weniger ambitiös, für sie reicht
es nur die Harmonisation zu fördern. Der Maßstab der Rechtsharmonisation, die
manche Leute wollen, zwischen der totalen Vereinheitlichung und der durch
einzelne Schritte, graduell zustande kommenden Annäherung gibt es einen sehr
großen Unterschied. Das könnte auch das Ergebnis der verschiedenen,
kollidierenden mit der vollen politischen Vereinheitlichung Europas
zusammenhängenden Ansichten sein. Aus historischem Gesichtspunkt ist es ganz
klar: die Kodexe sind im Allgemeinen die Produkte der politischen
Vorstellungen, und leider für viele Leute scheint diese Behauptung auch noch heute wahr zu sein. Das erleichtert
aber die Vereinheitlichungsbestrebungen gar nicht.
Und
jetzt, vor der vertiefenden Bekanntgabe der Regelungen der Grundregeln des
Europäischen Vertragrechtes sollten ein paar Wörter über die Schaffung des
Europäischen Zivilgesetzbuches nützlich sein.
Es
ist weitbekannt, dass die Arbeit an einem Europäischen Zivilgesetzbuch schon
angefangen hat. Das Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Stand der
jeweiligen Rechtsgebiete in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu
erfassen und durch einen Vergleich dieser Regelungen die Grundlage für eine
spätere Harmonisierung dieser Rechtsgebiete zu legen.[17]
An
der Universität von Osnabrück unter Leitung von Professor Christian von Bar ist
eine Forschungsgruppe zustande gekommen, welche als Projekt die sehr große
Herausforderung des Europäischen Zivilrechtes hat. Es sind von Professor von
Bar verschiedene Arbeitsgruppen geschaffen worden. Alle Arbeitsgruppen haben
einen Leiter, meistens in Person eines rangälterten Professors, unter dessen
Leitung eine Reihe von Forschern, im Allgemeinen jungen Juristen, Doktoranden,
die parallel mit dem Fortschritt des Projekts ihre Dissertation schreiben. Jene
Gruppen beschäftigen sich mit einem gewissen Thema der Rechtsvereinheitlichung.
Deren Arbeit wird von den, aus vielen verschiedenen Ländern stammenden Dozenten
und Wissenschaftlern, vereinigten Beratendem Rat von Professoren unterstützt.
Die ausgearbeiteten Entwürfe werden zu einem koordinierendem Rat
weiterbefördert, in der alle Mitgliedstaaten vertretet sind, in dem auch Plätze
für Beobachter aus den Mittel-Osteuropäischen Staaten (MES) gesichert werden.
Der Ungarische Vertreter in diesem Projekt ist Professor Lajos Vékás. Das
Projekt als Ganzes wird von einer Lenkungskommission geleitet, deren
Vorsitzender Professor von Bar ist.
Die
folgenden Gruppen entfalten ihre Tätigkeiten derzeit:
·
Die
Verantwortung für außervertragliche Schuldverhältnissen (von Bar, Osnabrück)
·
Ungerechtfertigte
Bereicherung und Negotiorum Gestio (von Bar, Osnabrück)
·
Warenverkauf
(Hondius, Utrecht)
·
Dienstleistungen
(Barendrecht, Tübingen)
·
Franchise
und Mandatsvertrag (Hesselink, Amsterdam)
·
Auf
Namen Lauteten Wertpapieren und über Mobilien Bestimmungsrecht sichernde
Wertpapieren (Drobnig, Hamburg)
·
Übertragung
des Rechtstitels über Mobilien (Reiner, Salzburg)
·
Versicherungsvertragsrecht
(Basedow, Hamburg[18])
·
Finanzielle
Dienstleistungen (Prum, Luxemburg, und Aynès, Paris)[19]
Dieses
Projekt verfügt über zahlreiche Unterstützungsformen, der Hauptspender ist aber
der Deutsche Akademische Forschungsfonds. Die für die Forschungsassistenten
erforderlichen Geldsummen werden von den lokalen Arbeitsgruppen bereitgestellt.
Der
erste Teil dieser hervorragenden Arbeit, Grundregeln des Europäischen
Privatrecht ist 1995, der zweite, übergearbeitete Teil ist Anfang 2000,
erschienen.
Das Geheimnis der Tätigkeit der
Lando-Kommission steckt darin, dass sie parallel in zwei, auf den ersten Blick
verschiedene Richtungen, einerseits einer breiten und anderseits einer engen
Richtung arbeitet. Die breite Perspektive, beschränkt das Projekt der
Kommission nur auf ihre pragmatische Funktionen. Die Tätigkeit der
Lando-Kommission bedeutet mehr als nur eine Antwort auf die praktischen
Bedürfnisse des wirtschaftlichen Lebens. Gleichzeitig hilft dieses Projekt die
Fehler solcher “selbstlaufenden“ Prozesse zu korrigieren, wie die
Europäisierung des Zivilrechtes und/oder die Internationalisierung des
Vertragrechtes. Die enge Annäherung begrenzt die kritische Funktion der
Lando-Kommission, nämlich dass es doch nur ein nichtgesetzgeberisches Projekt
der Vereinheitlichung des Vertragsrechtes ist. Diese Meinung unterscheidet sich
sogar von der Selbstdefinition der Kommission, die als “ein gesetzgeberisches
Projekt“ lautet.[20]
Zur
Zeit wird der dritte, und zwar der letzte Teil der Europäischen
Vertragrechtlichen Grundregeln bearbeitet. In Rahmen dieser Tätigkeit werden
die allgemeinen Grundsätze des Schuldrechts, nämlich die Regelungen
hinsichtlich der Wirkungen der Ungültigkeit und Unsittlichkeit, des Zinseszins,
des Zustandes, des Erwerbs durch ständigen Genuss (Ersitzung), der
Rechtsübertragung, der Schuldübernahme, der Aufrechnung, und der Schuldner- und
Gläubigergemeinschaft geprüft.[21].
Die
Arbeit der Lando-Kommission läuft auf dem folgenden Weg: Erstens wird ein
Entwurf (position Paper) von einem Berichterstatter präsentiert. Dann
entwirft die gleiche Person einen mit Begleitschreiben versehenen Text. Diese
zwei Entwürfe laufen durch eine Entwurf-Gruppe (drafting group), die mit
der Vorbereitung und Koordination beauftragt ist. Die mit dem Begleitschreiben
versehenen Texte werden im Allgemeinen dreimal im Plenum der Arbeitsgruppe
besprochen. Wenn der Text endgültig fertig gestellt worden ist, werden die
Mitglieder der Kommission gebeten, Länderberichte zu schreiben. Auch gibt es eine
Redaktionsgruppe (editing group), die oft entstehenden sprachlichen
Inkonsistenten aufzuspüren.[22]
Die Tätigkeit der Lando-Kommission steht seit Jahren im Fokus der
Interesse der Rechtswissenschaftler und sorgt für solche erhebliche
Ergebnissen, die Hoffnung für ein vereinheitlichtes Europäisches Vertragsrecht
gewährleisten können.
[1] Kötz: How to achieve…Universitätsverlag Freiburg, Schweiz, 1999, S. 9
[2] Lando, RabelsZ 56 (1992), 261, 265
[3] Lando, RabelsZ 56 (1992), S. 261, 266
[4] Lando: Optional or Mandatory Europeanization of Contract Law ERPL S. 59-60
[5] Martiny – Auf dem Weg zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch 1999 S. 7-9
[6] Für diese Richtung mehr Rittner: Das Projekt eines Europäischen Privatrechtsgesetzbuches und die wirtschaftliche Praxis, DB, 1996, S. 25
[7] Kötz: Europäisches Vertragsrecht I, S. VI-VII
[8] “...Deshalb ist dieses Buch in erster Linie für Studenten geschrieben. Es soll überall dort in Europa als Lehrmaterial benutzt werden, wo es darum geht, das Vertragsrecht vor dem Hintergrund der juristischen Prinzipien und Institutionen zu präsentieren, die den europäischen Rechtsordnungen gemeinsam sind.“ Kötz: Europäisches Vertragsrecht I. 1997 S. VII
[9] Lando: Optional or Mandatory Europenisation of Contract Law – . 59-60
[10] Martiny – Auf dem Weg zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch S. 8
[11] Diese Benennung, obwohl populär ist, gar nicht offiziell. Trotzdem nennen fast alle die Kommission so, nach ihrem Vorsitzenden, dem Professor der Copenhagen Business School. Der offizielle Name der Kommission lautet: Commission on European Contract Law(CECL) für weitere Informationen siehe die Internetseite der Lando-Kommission: http://www.ufsia.ac.be/~estorme/CECL.html
[12] Zimmermann ZeuP, 3/2000, S. 391
[13] Lando: Principles of European Contract Law –261, 266
[14] Beale: Beale: The Development of European Contract Law: Towards a European Civil Code - Conference on Hungarian Civil Law in the Mainstream of the Development of European Law, University of Miskolc Conference presentation S. 3
[15] Beale: Conference presentation S. 3
[16] Beale: Conference presentation S. 4
[17] Eine umfassende Erörterung und ein ausführlicher Fundstellennachweis des Zivilrechtes in Europa findet sich in: Hartkamp, Hesselink, Hondius, Joustra, Perron (Hrsg.) Towards a European Civil Code, 1998
[18] Mehr über diese Forschung auf der Internetseite des Max-Planck Institutes: http://www.mpipriv-hh-mpg.de
[19] Es ist zu erwarten, dass in kurzer Zeit auch andere Gruppen mit der Arbeit beginnen werden, einschließlich einer Gruppe mit dem Sitz in Edinburgh, Schottland, die sich mit dem Treuhandrecht beschäftigen wird. Das hängt jedoch von der Erwerbung der Unterstützungsquellen ab.
[20] Dazu Lando: Principles of European Contract Law: (AmJCompL) 1992, S. 574
[21] The effects of illegality, immorality, compound interest, conditions, extinctive prescription of claims, assignment of claims, assumption of debts, plurality of debtors and creditors, and set off.
Danny Busch und Ewoud Hondius In: Ein neues Vertragsrecht für Europa., ZeuP 9. Jahrgang, 2/2001, S. 224
[22] Busch/Hondius: Ein neues Vertragsrecht für Europa. ZeuP 2/2001, S. 225