Béla Pokol

Die Dualkategorie von „Geistigkeit/Gebundenheit” als Grundkategorie

der Gesellschaftstheorie

 

 

 

 

 

Talcott Parsons versuchte die Dichotomie von Gemeinschaft/Gesellschaft von Ferndinand Tönnies zu zerlegen, um die universelle Aspekte der Handlung finden zu können. Diese Begriffe waren die Orientierugsalternativen („pattern variables”), von denen die traditionellen und modernen gesellschaftlichen Zustände in den abstraksten Ebene vergleicht werden konnten (Parsons/Shils 1951, S.48-90; Jensen 1980, S.57-75).  Die affektive versus neutrale Einstellung, die kolletivistische Einstellung versus Ich-Zentriertheit, die partikulare versus universelle Orientierung, die diffuse versus spezifische Orientierung sind die Zerlegung der Dichotomie von Gemeinschaft versus Gesellschaft und der erste Teil der Dichotomien gibt die allgemeinsten Aspekte der traditionellen gesellschaftlichen Zustände bzw. die dazu gehörenden Handlungsmerkmale und der zweite Teil gibt die Merkmale der Moderne. Also werden die affektiven, kollektivistischen, partikularen und diffusen Traditionen mit den neutralen, individulalen, universellen und spezifichen Institutionen der Modernität gegenüberstellt. Die Bestrebungen von Parsons wurden in diesem Bereich nicht gefolgt und seine einst berühmten „pattern variables” blieben hauptsächlich blosse Forschungsgegenstände der soziologischen Ideengeschichte. Es lohnt sich nachzudenken, wie der Neubeginn dieser Gedankenrichtung zu der Reicherung der Gesellschaftsanalyse beitragen konnte. Denn wurden solche Dualkategorien, die über das Parsonsche Rahmen hinausgehen, auch von dem ehemaligen philosophischen Denken und dann von den sozialwissenschaftlichen Beobachtungen zsutandegebracht, und diese dienten der Allgemeinerung der partiellen Kenntnissen und Informationen bzw. sie ermöglichten den Vergleich und die Annäherung der Kenntnisse, die originell in verschiedenen Kontexten gewonnen wurden. Seither funktionieren diese Dualkategorien als Ordnungskategorien und die zerstreuten wissenschaftlichen Kentnisse können von ihen besser durchschaut werden. Die objektive vesus subjektive, die kognitive versus normative, die emotionale versus intellektuelle, die materielle versus formelle, die analytische versus synthetische, die kollektivistische versus individualistische, die partikulare versus universale, die systemische versus kasuistische sind solche Dualketegrien und sie können auf die Beschreibung der verschiedensten sozialen Zustände und sozialen Phänomenen verwendet werden und damit können solche Aspekte der sozialen Phänemonen sichtbar gemacht werden, die ohne diese Dualkategorien nicht wahrnembar sein würden.  Wegen dem strikten handlungstheoretischen Rahmen hatten die Bestrebungen von Parsons eine Schranke, die für ihn nicht erlaubt, die schon existierenden Dualkategorien für die Analyse der gesellschaftlichen Zustände unbefangen in Anspruch nehmen zu können (Pokol 1990, S. 95-103).  Das Wegwerfen dieser Schranke und das unbefagene Zusammansammeln der allgemein benutzten Dualkategorien könnten vielleicht für diesen Neubeginn  einen Erfolg bringen

 

Wenn man die verschiedensten Theorien für die Moral, Politik, für das Recht etc. analysiert, tauchen solche duale Merkmale auf, die als Aspekte einer Metadual-Kategorie zusemmanefassst werden könnten. Ich möchte die These verteidigen, dass die Geistigkeit versus Gebundenheit eine solche Metadual-Kategorie bedeuten, die mehreren zerstreuten Dualen umfassen kann und auf diese Weise die verschiedenen Moralphilosophien, politischen Theorien und Rechtheorien in einem umfassenden Rahmen klassifiziert werden können. Mit Hilfe der innenen Dualen dieser Metadual können diese Theorien vergleicht werden und solche Aspekte können sichtbar gemacht werden, die ohne den Vergleich geborgen bleiben würden.

 

Es lohnt sich, den Problemkreis auf drei Teile zu zerlegen. Zuerst sehen wir die Geistigkeit und Gebundenheit in den einzelnen Moraltheorien, Rechtstheorien und politischen Theorien (1); dann werden mit Hilfe der Dualkategorien, die aus diesen Theorien ausgehoben werden können, die innere Aspekte de Metadual-Kategorie von Geistigkeit versus Gebundenheit zusammengestellt werden (2); und schliesslich wird untersucht, wie die realen gesellschaftlichen Zustände von den empirischen sozialwissenschftlichen Untersuchungen in Bezug auf ihre Grade von Geistigkeit oder Gebundheit dargestellt werden.

 

 

1. Die theoretischen Formulierungen von Geistigkeit versus Gebundenheit

 

1.1. Die Moraltheorien

 

Hegel begreift die Moral als die in der Gemeinschaft verbreiteten pflichtigen Normen für die Handlungen (Sittlichkeit), dagegen fasst Kant sie als ein einziges formelles Gebot (der kategorische Imperativ) auf, und aufgrund diesem Gebot muss jedes Individuum selbst in den tagtäglichen Situtiatonen die konkrete Handlung herausfinden, was als moralisch qualifiziert werden kann. Erst Tugendhat, der Anhänger der kantischen Moralphilosphie hat sogar geschrieben, dass Hegel nur die doppelte Bedeutungen der griechieschen Wort „ethos” ausnutzte, um die Gemeinschftsmoral (Sittlichkeit) als Moral respektieren zu können (Tugendhat 1994, S.34-35). Was die moralphilosphische Nachwirkung anbelangt, dominierte und dominiert auch heute die Kantsche Linie und die verbreitete Gemeinschaftmoral wurde als stumpfe konventionelle Moral abgewertet, obwohl auch die Hegelsche Moralphilosophe wirkungsvolle Anhänger gedunden hat. Einer von ihnen war Rudolph von Jhering, der in den 1880er Jahren die Welt der Normen schon analytisch zerlegen konnte und auch geschichtlich die Differenzierung der Normenwelt in der Moral, in der blossen Höflichkeit, in dem Anstand und in dem Recht während der europäishen Geschichte darstellen konnte (siehe Jhering 1898). Aber obwohl Jhering in den juristischen Kreisen und für die entstehenden Moralsoziologie grosse Wirkung auslösen konnte, hatte er nur kleine Echo unter den Reihen der Moralpohilosophen (siehe die Wirkung von Jhering für die entstehende Soziologie  in Buch von Werner Gephart (1993, S.23-28). So war Max Scheler der erste, der in seinem Buch in 1913 mit der auf den kategorischen Imperativ verengten individiuellen Moral gebrochen hatte und eine objektiv existierende Moral konzipierte (siehe eine neue Ausgabe: Scheler 1966) Danach hat Nicolai Hartmann in 1925 eine systematische Ethik geschaffen, von der die von den subjektiven Willen und dem indiviuellen Denken unabhängige Moral im Zentrum gestellt wurde (Hartmann 1962). Diese moralphilosopische Gegensatz bedeutet in Bezug auf die jetztige Anlyse, dass die Kantsche Linie implizite die Behauptung der vollen Geistigkeit der Moral mit sich brachte, und laut ihrer Grundthese muss das Individuum in den einzelnen Situationen immer selbst die der Moral passenden konkreten Normen bewusst auffinden und dagegen wurde von der Hegelschen Linie die Gebundenheit der Moral für die Individuen in der Gemeinschaft deklariert. 

 

Jhering, der von der Gebundenheit der Moral in der Gemeinschaft ausging, beschäftigte sich  mit der Frage, wie die einst völlig - auch noch sakral - gebundene Normenwelt während  der europäischen Geschichte einigermasse gelöst wurde und ein Teil der Normen nur noch von der Gemeinschaft - ohne sakrale Qulität - sanktioniert wurde und damit dieser Teil als blosse Gemeinschaftsmoral funktionierte  und später verlor ein Teil der Normen auch die Qualität der Gemeninschaftsmoral und jede Menschen konnte in vielen Situationen autonom entscheiden, ob er ein solches (nicht mehr pflichiges) Verhaltenmuster fogt oder nicht (Jhering 1898, S.233-264). Damit entstanden die frei entschiedbaren Situationen in einem Teil der alltäglichen Kontakten, für die nur von den abstrakten normativen Gesichtspunkten den Handlungsrahmen gegeben werden, aber die konkreten Handlungen immer von den bewussten Entscheidungen formiert werden können. In dieser Entwicklung differenzierten sich das Recht und die Moral aus der einheitlichen sakralen Normewelt  in der römischen Geschichte, die früher im Leben der griechischen Stadtstaaten noch nicht getrennt wurden. Diese Differenzierung aus der einheitlichen sakralen Nomwelt bedeute einigermasse die Lösung der Gebundenheit und die geistige Umformung der Rechtsnormen bzw. der Normen der Gemeinschaftsmoral konnte durch die Generationenwechseln leichter stattfinden. Diese schon halbierte Gebundenheit konnte sich in dem Recht noch weiter auflösen, und in der spätrömischen kaiserlichen Periode wurde die Gewohnheitsrecht immer stärker von dem bewusst gesetzten kaiserlichen Recht abgelöst (Schulz 1961, S. 233-243; Liebs 1964, S. 23-44; Stein 1966, S.105). Und diese Metamorphose des Rechts hat sich in dem Mittelalter und in der Neuzeit in Europa wiederholt. Das bedeutet die Verschiebung der Moral und des Rechts von dem Pol der völligen Gebundenheit zu dem Pol der gelösten Geistigket aber Jhering betonte nachdrücklich, dass trotzt dieser Ungebundenheit und der freien Umgestaltungsmögichkeit der Moral und des Rechst die immer neueren Moralnomren und Rechtsnormen ihre Wirkungen erst erreichen, wenn sie sich schon als instikte Moralgefühl bzw. Rechtsgefühl in dem individuellen Bewusstsein abgelagernt haben. Das heisst, dass die geistigeren Zustände der Moral und des Rechts in der Ebene der Gesamtgesellschaft nicht automatisch auf die Ebene des Bewusstseins der Individuen übergreifen können und hier bleiben die Zustände des Bewusstseins gebundener (Jhering 1898, S.233-264). 

 

Halbes Jahrhundert darauf im Jahre 1925 betonte Nicolai Hartmann in seiner Ethik ebenso die Rolle der individuellen Moralgefühl in den Milliarden der alltäglichen Handlungen und die bewussten Moralwerten nur dann ihre vollkommene Kraft entfalten können, wenn sie sich schon im Bewusstsein der Menschen als Moralgefühl abgelagernt haben und so funktionieren die moralischen Werte immer gemeinsam mit ihren organischen Grund, mit dem Moralgefühl (Hartmann 1962, S.58-61). Auf diese Weise ist die Möglichkeit der bewussten Verändung der Moralnormen immer beschränkt und nur von Schritt zu Schritt können die verbreiteten Moralnormen sich ändern.

 

Wenn man von dem Pol der Gebundenheit zu dem Pol der völligen Geistigkeit im Bereich der Moralphilosophien übergeht, kann zuerst hier die Diskursethik von Jürgen Habermas herausgehoben werden. In seinen Schriten in 1980er Jahren hat er noch davon ausgegangen, dass es in den modernen Gesellschaften als eine untere Schicht der Moral die konventionelle Moral neben der universalen Vernunftmoral noch gibt, und die Aufgabe der kritischen Theorie ist, den Weg zur Erweiterung der Wirkungskreis der universellen Vernunftmoral zu helfen: „Aus der Perspektive eines Teilnehmers an moralischen Argumentationen stellt sich die auf Distanz gebrachte Lebenswelt, wo kulturelle Selbstvertsändlichkeiten moralischer, kognitiver und expressiver Herkunft miteinander verwoben sind, als Sphäre der Sittlichkeit dar. Dort sind die Pflichten derart mit konkreten Lebensgewohnheiten vernetzt, dass sie ihre Evidenz aus Hintergrundgewissheiten beziehen können. Fragen der Gerechtigkeit stellen sich dor nur innerhalb des Horizonts von immer schon beantworteten Fragen des guten Lebens. (…) Unter dem unnachsichtig moralisierenden Blick des Diskursteilnehmers hat diese Totalitat ihre natürwüchsige Geltung eingebüsst, ist die normative Kraft des Faktischen erlahmt - können sich vertraute Institutionen in ebensoviele Fälle problematischer Gerechtigkeit verwandeln. Vor diesem Blick ist der überlieferte Bestand an Normen zerfallen, und zwar in das, was aus Prinzipien gerechtfertigt werden kann, und in das, was nur noch faktisch gilt. Die lebensweltliche Fusion von Gültigkeit und sozialer Geltung hat sich aufgelöst” (Habermas 1983: 117-118.p.).  In der endgültigen Fassung seiner Moralphilosopie in 1992 scheint er aber die traditionelle Gemeinschaftsmoral völlig als unwirksam auffassen und die Moral mit der Vernunftmoral identisch deklarieren: „Ich gehe davon aus, dass sich auf nachmetaphysischen Begründungsniveau rechtliche und moralische Regeln gleichzeitig aus traditioneller Sittlichkeit ausdifferenzierte und zwei verschiedene aber einander ergänzende Sorten von Handlugsnormen nebeneinander treten” (Habermas 1992, S.135). Diese vergeistigte Moral hat keine Normschicht mehr in der Diskursmoral von Habermas und ihre völlige Geistigkeit bedeutet, dass sie „zum Wissen sublimierte Moral” wurde, oder er schrieb  über„ins kulturelle System zurückgezogene Moral” (Habermas 1992:145). Als Endergebnis von Habermas’ Moraltheorie bleibt kein System der Moralnormen in der Ebene der Gemeinschaften (nur die Rechtsnormen) aber auch in der Ebene der Republik der Weltbürger gibt es nur eine kulturelle Moral. Und diese kulturelle Moral wird auf die Gerechtigkeit geengt: „Die Vernunftmoral ist auf Fragen der Gerechtigkeit spezialisiert und betrachtet grundsätzlich alles im scharfen, aber engen Lichtkegel der Universalisierbarkeit” (ebenda).

 

Das ist der reinsten Gegenpol zu dem sakralen Gebundenheit der Moralnormen, und was bei Kant noch bloss in dem einzigen moralischen Gebot des kategorischen Imperativs angegeben wurde, bekommt hier ein ganzes Institutionensystem in Gestalt der Diskursmechanismen der Zivilgesellschaft, von denen die situativen moralischen Entscheidungen ausgehandelt werdn können. 

 

 

1.2. Die Geistigkeit versus Gebundenheit in den Rechtstheorien

 

 

Für die Darstellung de Gebundenheit des Rechts soll mit Analyse von Joseph-Marie de Maistre beginnen, die in 1796 spöttisch über die Bestrebungen der französischen Jakobiner schrieb, die bewusst gesetzten Rechtsregeln und Verfassung machen und die gesesschaftlichen Zsustände frei umgestalten wollten. De Maistre behauptete, dass jede soziale Institution ihre Kraft und Stabilität von den Traditionen gewinnt, und wenn eine solche Institution das Ergebnis des bewussten Willens ist, wird sie immer instabil und zum Zusammenbruch verurteilt (De Maistre 1991, S.211). Diese Gedanke wurde von Friedrich Carl von Savigny mit grosser Nachwirkung  in dem juristischen Denken verbreitet und er konnte damit in den deutschen Gebieten sogar die Kodifizierungsbestrebungen verlangsamen. Er betonte, dass das Recht in dem Volksgeist eingeschrieben ist, und die bewusste Veränderung der existierenden Rechtsnormen immer zu Scheitern verurteilt sind und die Rechtsprofessoren bzw. die anderen Rechtwissenschafler können nur die im Volksgeist existierenden Rechtsinstituten analysieren und systematisieren aber sie können kein neues Recht zustandebringen (vgl. Savigny 1814)

 

Savigny und die historische Rechtsschule wurden dominant in dem ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aber bis Ende dieses Jahrhunderts hat die Kodifizierung des Rechts schrittweise stattgefunden und auch in der Rechtstheorie wurden die freie Rechtssetzung und die bewusste Veränderung des Rechts dominant. Am stärksten erschien dieses Rechtskonzept in der Rechtstheorie von Hans Kelsen am Anfang der 20. Jahrhundert und in der ganzen Europa bzw. in den Vereingten Staaten bestimmten solche Rechtstheorien das Rechtsleben, von denen die Möglichkeit der unbeschränkten Rechtsänderungen und der bewussten Setzung des Rechts betont wurden. Die neuen Rechtsmaterialien aber, die von den freien Rechtssetzung der Gesetzgebungsmaschinerie und der ministeriellen Bürokratien täglich verändert werden konnten, erwiesen sich bald als chaotisch und die immer neueren Rechtregeln der freien Rechtssetzung haben über dem Alltagsleben geflogen, ohne die Menschen davon Kenntnis nehmen zu haben.  Diese Anomalie gab die Impuls für die Geburt der Rechtssoziologie und Eugen Ehrlich schrieb sein Buch „Grudlegung der Soziologie des Rechts” in 1913, in dem er neulich die Schranken der Veränderung des Rechts herausgehoben hatte und die soziale Gebundenheit des existierenden Rechts betonte (Ehrlich 1913). In den Vereinigten Staaten hat Graham Sumner in dieser Zeit empirische Untersuchungen gamacht, in denen er die Gewohnheiten der primitiven Gemeinschaften und die langasame Lösung dieser Gebundenheit im Laufe der europäischen Geschichte aufdeckte (vgl. Sumner 2007, S.45-48)

 

Arnold Gehlen beschäftigte sich im Gefolge von Scheler und Nicolai Hartmann in allgemeiner Ebene mit der Gebundenheit und der Vergeistlichung der gesellschaftlichen Zustände und er betonte unter den Verhältnissen der schnell verändernden modernen Gesellschaften die ungenügende Entscheidungskapazität der Individuen, die nur mit Hilfe der Entlastung der Normen und der gesellschaftlichen Institutionen fähig sind, sich den Umständen der komplexen Gesellschaften anzupassen und richtig zu orintieren, ohne die gesellschaftliche Zustände mentalisch wirklich durchzuschauen (vgl. Gehlen1971, S.60-80). Niklas Luhmann stellte in seinen in den 1960er Jahren geschriebenen Schriften die These der Positivität der modernen Zustände auf, in denen von der hohen Komplexität der Umbau auf Veränderbarkeit durch Entscheidungen zustandegebracht wurde und alle früher gebundene Institutionen und Normensysteme werden durch bewussten Entscheidungsmechnismen positiviert (vgl. Luhmann 1970, S.175-191).

 

 

1.3. Die politischen Theorien: Liberalismus versus Konservativismus

              

Im Bereich der politischen Ideen wurde die Dualkategorie von Geistigkeit versus Gebundenheit in Gestalt von Liberalismus versus Konservativismus formuliert. Der Anfang wurde von der Annulierung jedes traditionellen Zustandes durch die französischen Revolutionäre von 1789 gegeben, die jeder gebundener gesellschaftlicher Zustand mit bewussten individuellen und kollektiven Entscheidungen verwechseln wollten, wie auch heute noch die extremen Versionen des Ultraliberalismus immer verwirklichen möchten.  Die theoretische Antwort darauf und die Ablehnung des Liberalismus meldete schon sehr schnell in den folgenden Jahren der französichen Revolution und Edmund Burke betonte in England die Instabilität der Instituten, die durch geplanten gesetzgeberischen Entscheidungen zustandegebracht wurden und gegen solche Instituten die Stabilität und Höherwertigkeit der traditionellen Institutionen hervorgehoben wurde (Burke 1793). Diese Gedanken wurden von de Maistre und Louis-Ambroise de Bonald in Frankreich und danach Friedrich von Gentz und Adam Müller in Deutschland wiederholt und mit diesem theoretischen Gegensatz wurde die Dual von Liberalismus und Konservativismus schrittweise eine der wichtigsten politschen Bruchlinien in dem politischen Leben. (Für die Entwicklung der konservativen Gedankenrichtung in Deuschland siehe Schmitt 1919) Die Position von Carl Schmitt in den ersten Jahrzehnten von 20. Jahrhunderts zeigte einen gemäßigten konservativen Charakterzug, wenn er kritisch von dem extremen Traditionalismus schrieb, von dem jede intellektullen Entscheidung für die Veränderung der gesellschaftlichen Zustände abgelehnt wurde aber von anderer Seite warnte auch er gegen die freie Gesellschaftsänderung und er betonte die Schwache des Verstandes in der Realisierung geplanter gesellschaftlicher Zustände (Schmitt 1993, S.21-22).         

 

 

2. Die internen Aspekte der Dualkategorie von Geistigkeit versus Gebundenheit

 

Wenn man die wichtigsten Aspekten der einzelnen moralphilosophischen, rechtsheoretischen und politikwissenschaftlichen Analysen in Bezug auf die Geistigkeit versus Gebundenheit heraushebt und systematisiert, kann der folgende Abriss gegeben werden.

 

I. Für die Geistigkeit:1) Nur formale Verfahren sind fixiert für das Zustandebringen der materialen Inhalten und die zustandegebrachten Inhalten existieren immer nur in vergeistigten Zuständen; 2) Änderbarkeit der gesellschaftlichen Zustände; 3) Subjektiv-bewusster Charakterzug über alles; 4) Intellektueller Charakterzug; 5) Analytischer und zerlegter Charakterzug in klaren Begriffen; 6) Kognitive Fixierung der Zustände, die für das individuelle Bewußtsein als einfache Kenntnis und nicht als verbindliche Norm da steht; 7) Die Fixierung der gesellschaflichen Zustände in flüchtigen Mitteln des rationalen Verstandes (schriftlich, in abstrakten Begriffen und in der Schritten der deduktiven Logik); 8) Systemischer Charakter in dem Aufbau der gesellschaftlichen Zustände; 9) Die Stabilität der Zustände durch geplanten zentralen Instituten gesichert und in der Ebene der Individuen die Dominierung der bewussten Akzeptanz der existierenden Instituten charakteristisch; 10) Kontinuerliche Diskurse über alle Zustände und danach bewussten Entscheidungen für die eventuellen Veränderungen; 11) Universaler Charakterzug aller Institute (d. h. nicht hineingebunden in bestehenden Gemeinschaften und Völkern); 12) Individualität über alles.

 

II. Für die Gebundenheit: 1) Fixierte materialen Inhalten und der Mangel der formalen Vehrfahren; 2) Unveränderbarkeit der gesellschaftlichen Zustände; 3) Objektiver und von der indivuellen Bewusstsein abgeriessener Charakterzug über alles; 4) Emotionale Attitude in Bezug auf die sozialisierten Normen und Insitutionen; 5) Syntetischer und diffuser Charakterzug der benutzten Begriffen und Kategorien; 6) Normative Fixierung der Zustände und nicht als diskutierbare Kenntisse; 7) Die Fixierung der gesellschaflichen Zustände in kollektiven Riten, Normen, und Glauben bzw. in diffusen Symbolen; 8) Kazuistischer Charakter in dem Aufbau der gesellschaftlichen Zustände; 9) Die Stabilität der Zustände durch ihre rutinmässige und rituelle Befolgung gesichert; 10) Die Diskussion über existierenden Institute und sogar die Benennung und die Bestrebung für das Kennenlernen dieser Institute sind als unsittlich oder gar als sakrale Sünde qualifiziert; 11) Partikularer Charakterzug aller Institute (d. h. hineingebunden in bestehenden Gemeinschaften und Völkern); 12) Kollektivität über alles.

 

Es scheint, dass sich alle der bekannten Gegensatzpaaren in der neuen Meta-dualkategorie als einfügbar erwiesen haben (kognitive/normative, emotionale/intellektuelle, materiale/formelle, analytische/synthetische, kollektvistische/indivuduelle, systemische/kazuistische) und sogar konnten noch vier weitere Gegensatzpaare aufgedeckt und in der Metadual-kategorie eingeordnet werden. Die erste ist der Dual von ständige versus veränderbare, die zweite ist der Gegesatz von Fixiertheit in dem Kollektivbewusstsein versus Fixiertheit in flüchtigen Mitteln, die dritte ist der Gegensatz von Stabilität durch geplanten Durchschauen versus Stabiltät durch rutinmässige, stumpfe Befogung und die vierte ist der Gegensatz von stetigen Diskurs über die existierenden Zustände versus Verbot jeder Dikussion, sogar der Benennung der existierene Zustände.

 

 

3. Die Geistigkeit versus Gebundenheit im Lichte der empirischen Untersuchungen

 

Von den inneren Aspekten der Metadual-kategorie werden die gesellschaftlichen Zustände in idealtypischer Reinheit angegeben und es lohnt sich zu sehen, welche Grade der Geistigkeit bzw. der Gebundenheit in den realen gesellschaflichen Zuständen von der empirischen Untersuchungen aufgedeckt wurden und aufgrund dieser Untersuchungen welches Maß der Geistigkeit in Bezug auf ihre weitere Steigerung als errichbar und welches als utopistisch qualifiziert werden können. Das Zusammenziehen der verschiedenen Dualen in einer gemeinsamen Metadual-Kategorie scheint auch deshalb nützlich zu sein, weil auf dieser Weise die Schranken der Steigerung der Geistigkeit, die in einer Gebiet schon aufgezeigt wurden, können in den anderen Gebieten wahrgenommen und untersucht werden.      

 

 

3.1. Positivierung der gesellschaftlichen Zustände (Umbau auf Änderbarkeit durch Entscheidung)

 

In Bezug auf das Recht wurde durch das Zustandekommen der modernen, fachlich geschulten Staatsapparaten in den 1800er Jahren in Europa möglich gemacht, das frühere Gewohnheitsrecht, das hauptsächlich nur während der Generationswechsel unbemerkbar änderbar war, auf die permante Veränderung umbauen zu können. Aber am Ende dieses Jahrhunderts wurde immer mehr offensichtlich, dass die schnell veränderten Rechtsregeln ihre Funktion nicht verwirklichen können und sie nur eine Regelungsillusion der zentralen Staatapparaten bedeuten, ohne die täglichen Handlungen der Menschen berühren zu können. Das Buch über die Rechtssoziologie von Eugen Ehrlich drückte dieses Problem in 1913 aus und er hat den Unterschied zwischen dem ’blossen Papierrecht’ und dem ’lebenden Recht’ herausgehoben (Ehrlich 1913, S.25-40). In USA wurde diese These von Roscoe Pound wiederholt und seine These von „law in book, law in action” behauptete, dass die massenhaft verbreiteten Rechtsmeinungen immer nur schrittweise verändert werden können und es gibt nur eine schmale Ritze für die Veränderung der Masse der existierenden Rechtsregeln (Pound 1908, S.605; Hunt 1978). Das ist eine nachträgliche Bekräftigung der ehemaligen These von Jhering über das Rehtsgefühl und über dem Zerreißen zwischen änderbarem Recht im Makroebene und ständigerem Recht im Mikroebene der individeullen Rechtsbewusstsein. Aber wegen dem Änderungswang der Moderne wurden diese langsamere Veränderbarkeit des Rechts im Bewusstsein der Menschen von einigen Mechanismen und Institutionen vorwärts getrieben. So wurden in vielen Rechtsprozesse Anwaltswzwang für die Prozessparteien vorgeschrieben und von den professionellen Juristen werden die fehlenden Rechtskennisse der Indviduen ergänzt  und die Kenntnisse der immer neuen Rechtsveränderung in die Rechtsanwedung eingeholt. 

 

Eine weitere Garantie für die Wahrnehmung der immer neuen Rechtsregeln bedeutet, dass in vielen Gebieten die Rechtsanwendung nicht mehr in dem gerichtlichen Bereich gelassen wurde, wo die private Menschen und die eventuellen Rechtsstreiten unter ihnen über die Wahrnehmung der neuen Rechtsregeln entscheiden, sondern behördliche Erlaubnisse für die Handlungen wurden vorgeschrieben und die Behörden sichern die Beachtung der neuesten Rechtsregeln schon vor dem Inangriffnahme der Tätigkeiten. (Und später kontrolliert sie regelmässig in dem einzelnen Fall, ob alles klappt). Aber der rapide Vermehrung der behördlichen Genehmigungsverfahren verursacht grosse Starrheit und viele bürokratischen Schranken in dem Alltagsleben und die Steigerung dieser Lösungen können nicht zu weit vor sich gehen. Alle diese Probleme schränken also die weitere Zunahme der Geistigkeit und Änderbarkeit des Rechts und als Ergebnis dieser Analyse kann behauptet werden, dass die Koexistenz der Geistigkeit und der Gebundenheit auch in den modernen Gesellschaften nicht abgeschaffen und bestimmte Proportion zwischen ihnen behauptet werden kann.           

 

Auch in den modernen Kunstzweigen ist es zu sehen, dass die rasche Änderung der Konzepte des Schöne, die von Ästhetiken, professionellen Kunstkritiken und professionellen Ausbildungsstellen von Künstler unterstützt und aufgebessert werden, ähnliche Erscheinungen wie das pozitivierte (Papier)Recht zeigen. Denn kann der Schönheitssinn der Millionen der Meschen sich nur sehr langsam verändern und die sonst perfekten Kuntswerke bleiben ohne Echo und nur die kleinen Gruppen der hochgebildeten Snobs haben Kenntnisse über sie. Das blosse „Papierrecht” der schnell änderlichen Rechtssetzung hat also seine Pendant im massenhaften Unwiderhall der höheren Kunstzweigen der professionellen Künstler. Die Erfahrungen dieser kulturellen Teilsysteme zeigen also im Bezug auf die Veränderbarkeit des verbreiteten Rechtsgefühls und des Schönheitssinnes, dass nur die partiellen und langsamen Veränderungen die Chance haben, die existierenden Rechtsnormen und Schöhheitsvorstellungen auf der Ebene der Millionen der Menschen ablösen zu können und mit neuen Normen und Vorstellungen zu ersetzen.    

 

Sehen wir jetzt den Bereich der Moral. Die sittlichen Normen und Wertgesichtspunkte kommen im Lauf der längeren Zeit zustande und sie werden während vielen Generationewechsel in den Gesellschaften verbreitet. Die Erfahrungen der Geschichte der europäischen Gesellschaften zeigen, dass die Veränderung der sittlichen Normen sehr langsam und hauptsächich nur durch Generatonswechsel stattfinden konnte. Dieser Weg der Veränderung war allgemeingültig in den kulturellen Bereichen aber in den 1800er Jahren haben der Ausbau der differenzierten Wissenschaften, die Entstehung der Presse (danach der breiteren Skala von Massenmeiden), die Verbreitung des Lesens etc. solche Mechanismen mitgebracht, von denen die Inhalten und Materialien der kulturellen Sektoren bzw. die Normen, Vorstellungen und Motivationen der Menschen in geplanten Richtungen teilweise verändert werden konnten und können. Wie steht es im Bereich der Moral?

 

Gewissermaßen kann auch in diesem bereich solche Mechnismen in dem letzten Jahrhundert beobachtet werden, von denen die Umformung der moralischen Urteile der Menschen angepeilt werden und auf diese Weise kann man auch in diesem Bereich über die Positivierung sprechen. Das heisst, die Moral, ihre Normen und Wertpräferenzen wurden von willenmsmässigen Entscheidungen abhängig gemacht. Aber während in den anderen kulturellen Bereichen professionelle und spezialisierte Mannschaften (Juristen, Journalisten etc.) für die Betreuung der differenzierten Teilsysteme zustandegekommen sind, kann im Bereich der Moral kein solcher professioneller Stab gefunden werden. (Für die Analyse der gesellschaftlichen Teilsysteme als professionelle Institutionenensysteme siehe Pokol 1990b). Einige Hilfsmittel für diesen Zweck können aber sichtbar gemacht werden. 

 

I. Innerhalb der kirchlichen Tätigkeiten können solche Funktionen herausgehoben werden, die traditionell für die moralische Erziehung und die Betreuung der moralischen Normen und Werte gerichtet sind. In den heutigen europäischen Gesellschaften haben aber der Kirchenbesuch und die aktiven Kontakten mit der Kirchen schon stark abgenommen und nur einen kleineren Teil der Menschen durch die Kirchen erreichbar sind. Die bewusste Formierung der moralischen Urteile der Menschen kann also durch diesen Weg nur bescheiden stattgefunden werden.

 

II. Die Produkte der Kunszweige - und unter ihnen besonders die Novellen, Romane, Filmen und Schauspiele – üben von der Zeit der Vebreitung des Lesens und des Schreibens in den 1800er Jahren an massenhafte moralische Erziehung aus und seit der Entstehung der Radio und Television wurden diese Massenmediensmittels zum Zentrum der massenhaften moralischen Erziehung und Umerziehung gemacht. Die täglichen  TV Soap-Serien ziehen  vielen Millionen der Zuschauer an und von dem gerichteten Suggerieren der Lösung der moralischen Dilemmas in bestimmter Richtungen können teilweise - besonders die jüngeren - Zuschauer moralisch erzogen und umerzogen werden. 

 

III. Neben diesem direkten moralischen Erziehen können die Massemedien auch mit dem Präsentation und gezielten Selektierung der Nachrichten über die gesellschaftlichen Erreignisse die moralischen Urteile der Menschen in bestimten Richtungen treiben und die Erreignisse werden von den Medien auf solche Aspekte verengt und das verengte Bild der Erreignisse päsentiert, von dem der gezielte moralische Urteil der Massen der Menschen zustandegbracht werden kann. Diese Manipulation hat Schranken - und manchmal schlägt diese Manipulation zurück und sie verursacht die massenhafte Unglaubhaftigkeit der Medien – aber die Medien haben doch grosse Freiheit in diesem Tätigkeit für die moralischen Beeinflussung der Massen.

 

IV. Schliesslich können die Effekte der menschenrechtliche Doktrin in den moralischen Einstellungen der Menschen herausgehoben werden, welche Doktrin in den letzten Jahrzehnten in den europäischen und amerikanischen Gesellschaften von vielen Institutionen und Mechanismen unterstütz wurden und sie eine grosse Wirkung für die moralische Urteile ausüben. In den Menschenrechten verflechten sich das Recht und die Moral, und obwohl in den heutigen menschenrechtlichen Institutionen und Mechanismen (z.B. das Gericht für Menschnrechten in Strassbourg) tatsächlich die staatliche Machtausübung dominiert, haben die Kommunikationen über die Menschenrechte immer moralisch durchfarbte Obertöne. Die häufige Vorführung der Erreignisse durch die Massenmedien in menschenrechtlicher Rhetorik kann also bestimmte moralische Erziehung und Umerziehung mit sich bringen. Es ist aber auch gesehen werden, dass wenn die menschenrechtliche Vorführung der Erreignisse von den massenhaften Wertungen der Menschen abweicht, schlägt die umerzieherische Bestrebung zurück und als unglaubwürdig verstärkt sie umgekehrt die originelle Richtung der massenhaften moralischen Urteilen. (Siehe z. B. die Zunahme der Qualifikation der internationalen Tätigkeit von amerikanischen Truppen als ’menschenrechtlicher Imperialismus’).    

 

Als Antwort auf die Frage der Steigerungsmöglichkeit der Geistigkeit in den realen gesellschaflichen Zuständen kann aufgrund unserer Anlyse zusamnegefasst werden, dass eine bestimmte Grade der Geistigkeit in allen modernen gesellschaflichen Teilsystemen beobachtet werden können. Diese Steigerung der Geistigkeit hat aber immer Schranken und ihre zu starke Realisierung in einem Teisystem kann Scheinerfolge zustandebringen, die wie das wertlose Papiergeld in der Zeit der Geldkrise erscheinen, ohne die realen gesellschaftlichen Zustände erreichen zu können.

 

 

3.2. Die Ergebnisse der moralsoziogischen Untersuchugen

 

Für die Beurteilung der realen Chancen der Geistigkeit und Gebundenheit in der Moral lohnt es sich die empirischen moralsoziologichen Untersuchungen unter die Lupe zu nehmen. Die Frage ist, ob die Mitglieder der jeweiligen neuen Generationen grösstenteils mit der Beachtung der verbreiteten Normen der kollektiven Moral charakterisiert werden können – wie unter anderen die Theorie von Hegel, Jhering und Hartann behauptet - oder ob die Kollektivmoral schon aufgehört zu existieren und die Individuen in bewussten Diskussionen immer situative die moralisch richtigen Handlungen aushandeln, wie die Diskursethik von Habermas behauptet. Für die Antwort stehen die Ergebnisse der Untersuchungen von Lawrence Kohlberg zur Verfügung.

 

Diese Ergebnisse zeigen in Bezug auf die Entwicklung des Moralbewusstseins der Kinder und der Jungen das folgende Bild (Kohlberg 1971; Lind 1983, S.225-42). Die moralische Entwicklung der Kinder zeigt verschiedene Phasen und zuerst sind nur die Vermeidung der Bestrafung und die Bestrebung nach Belohnng bzw. nach Beachtung der äusseren Autorität von Bedeutung. Diese Haltung ändert sich bei den Jungen, als sie autonomer wurden und hier werden die abstraktere Normen der Rollen der „brave Junge”, des „netten Mädchen”, später der „anständigen Frau” etc. befolgt. Das ist die Phase der konventionellen Moral und Kohlberg unterstellte, dass es eine nachkonventionelle Phase (darin zwei innere Stufen) gibt, wo die Beachtung der äusseren gemeinschaftlichen Moralnormen abnimmt und die Entscheidung aufgrund der univeresellen Prinzipien zustandekommt. Die Unterschungen wurden in mehreren Ländern - USA, Turkei, Mexico Tailand - wiederholt durchgeführt und die Ergebnisse immer zeigten, dass grösstenteils die konventionelle Moral wirkt. Nur in der unteren Stufe der zweistufigen postkonventionellen Phase konnten die empirischen Untersuchungen 7% der Menschen finden, die eine kritische und reflexive Haltung in Bezug auf die Kollektivmoral hatten, aber fast niemand konnte in der letzten Stufe gefunden werden, wo die individuellen Entscheidungen tatsächlich aufgrund den universellen Moralprizipien und den abstrakten Menschrechten gefasst wurden: „Kohlberg eliminated Stage 6 from his scoring system for lack of finding empirical cases of Stage 6 thinking. Furthermore, there is little evidence for Stage 5 scoring in Kohlberg’s studies from around the world. Gibbs (1979)—a co-developer of the scoring system—even proposed that true Piagetian stages of moral judgment stop with Stage 4. The lack of empirical data for Stage 5 an 6 - post-conventional thinking - is a serious problem for Kohlberg’s enterprise, because he defined the stages from the perspective of the higher stages” (Rest/Narvaez/Bebeau/Thoma 1999, S.22). Sogar gab es eine weitere Kritik, dass die 7% nur deshalb in der unteren Stufe der postkonventioenellen Phase aufgefunden werden konnte, weil die hochgebildeten und grossstädtigen Menschen in der Erhebung zu stark räpresentiert waren und normalerweise ist diese Zahl noch geringer (ebenda, S.23).  

 

Aus den Ergebnisse von Kohlberg ist es also klar, dass die Kolletivmoral in den dermaligen Gesellschaften existiert und für den überwiegenden Teil der Menschen sind die Normen der Kollektivmoral von grössten Bedeutung und in den alltäglichen Bezihungen wird jemand von seiner Umgebung beurteilt, ob er diese Normen beachtet oder nicht.  Für die Beurteilung der Schranken der vergeistigten Moral in der heutigen Gesellschaften kann also behauptet werden, dass die Gebundenheit auch hier vorherrschend bleibt und die Geistigkeit nur zu einer bestimmten Grade vorwärts getrieben werden kann. Die völlig vergeistigte Diskursethik von Habermas und seine Nachfolger kann also nicht als eine realisierbare Zielsetzung  qualifiziert werden und das kann keine Überraschung sein, weil diese Behauptung in Bezug auf das Recht schon vor hunderten Jahren gemacht wurde.        

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturverzeichnis

 

 

Burke, E. (1793): Betrachtungen über die französiche Revolution, (Übersetzt von Friedrich von

     Gentz). Berlin, Friedrich Verlag.

Ehrlich, E. (1913): Grundlegung der Soziologie des Rechts,  München-Leipzig:

        Duncker&Humblot

Gehlen, A. (1971): Der Mensch, seine Natur und seine Stellung in der Welt, Athenäum

     Verlag, Frankfurt am Main.

Gephart,W. (1993): Gesellschaftstheorie und Recht, Suhrkamp, Frankfurt am Main.

Habermas, J., (1983): Moralbewusstsein und kommunikatives Handelns,  Frankfurt/Main:

   Suhrkamp.

Habermas, J. (1992): Faktizität und Geltung. Beitrage zur Diskurstheorie des Rechts

      und des demokratischen Rechtsstaats, Suhrkamp. Frankfurt/Main.

Hartmann, N. (1962): Ethik, Walter de Gruyter Verlag, Berlin.

Hunt, A. (1978): The Sociological Movement in Law, The Macmillan Press LTD. London

    and Basingstone. 

Jensen, S. (1980): Talcott Parsons, Teubner Verlag, Stuttgart.

Jhering, R. (1898): Der Zweck im Recht. Zweiter Band, Druck und Verlag von

     Breitkopf und Härtel. Leipzig. (Dritte durchgesehene Auflage).

Kohlberg, L. (1971): From is to ought. How to commit the naturalistic fallacy and get away

       with it in the study of moral development, in: Th. Mischel (Hrsg.): Cognitive development and

       epistemology, Academic Press New York, S.151-235.

Liebs, D. (1964): Hermogenians Iuris Epitomae. Zum Stand der römischen Jurisprudenz

     im Zeitalter Diokletians, Vandenhoeck und Ruprecht. Göttingen.

Lind, G. (1983): Entwicklung des moralischen Urteilens - Leistungen und Problemen der

    Theorien von Piaget und Kohlberg, in: Lind/Hartmann/Wakenhut (Hrsg.): Moralisches Urteilen

    und soziale Umwelt. Threoretische, methodologische Untersuchungen, Beltz Verlag, Weinheim

     und Basel, S. 25-40.

Luhmann, N. (1970): Positivität als Vorausssetzung einer modernen Gesellschaft, in: R.

       Lautmann/W. Maihofer/H. Schelsky (Hrsg.): Die Funktion des Rechts in der modernen

       Gesellschaft, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1, S.175-191.

Maistre, J. (1991): Betrachtungen über Frankreich (Übersetzt von Friedrich von

    Oppeln-Bronikowsky). Karolinger.

Parsons, T./E. Shils (1951): Toward a General Theory of Action, Harvard University Press.

Pokol, B. (1990): Komplexe Gesellschaft. Eine der möglichen Luhmannschen Soziologien,

      Brockmeier Verlag. Bochum.

Pokol, B. (1990b): Profes­sionelle  Institutionensysteme oder Teilsysteme der Gesellschaft?

       Reformulierungsvorschläge zu Niklas Luhmanns Systemtypologie, in: Zeitschrift für

       Soziologie 19, S. 21-34.

Pound, R. (1908): Mechanical Jurisprudence, in: Columbia Law Review 8, S.602-656.

Rest, J./Narvaez, D./Bebeau M.J/Thoma S.J. (ed.) (1999): Postconventional Moral Thinking:

      A Neo-Kohlbergian Approach, Lawrence Erbaum Associate Publishers, Mahwah.

Savigny, C.-F., von (1814): Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und

       Rechtswissenschaft, Heidelberg.

Scheler, M. (1966): Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik. Neuer

      Versuch der Grundlegung eines ethischen Personalismus. Fünfte, durchgesehene

      Auflage. (Hg. von Maria Scheler). Bern und München.

Schmitt, C. (1919): Politische Romantik, Duncker und Humblot. Berlin.

Schmitt, C. (1993): Politische Theologie: vier Kapitel zur Lehre von der Souverenität,

       Duncker und Humblot. Berlin.

Schulz, F. (1961): Geschichte des römischen Rechtswissenschaft, Hermann Böhlaus

     Nachfolger. Weimar.

Stein, P. (1966): Regulae Iuris. From Juristic Rules to Legal Maxims, Edinburgh,

     University Press.

Sumner, G. (2007): Folkways. A Study of Mores, Manners, Customs and Morals, Cosimo

     Inc. New York, 

Tugendhat, E. (1994): Vorlesungen zur Ethik, 2. Aufl., Suhrkamp. Frankfurt am Main.