Harald Paul Gödde
Rechts- und
Geschäftsfähigkeit im deutschen Internationalen
Privatrecht
Das
am 1.1.1900 in Kraft getretene Einführungsgesetz zum deutschen BGB enthält in
den Artikeln 3 bis 28 Vorschriften, die das Internationale Privatrecht
betreffen. Dieses bestimmt die maßgebliche Privatrechtsordnung bei
Sachverhalten mit Auslandsberührung und besteht aus sogenannten
Kollisionsnormen, die mit Hilfe bestimmter Anknüpfungspunkte das in der Sache
anzuwendende Recht bezeichnen.[1]
Art.
7 Abs. 1 bestimmt: "Die Rechtsfähigkeit und die Geschäftsfähigkeit einer
Person unterliegen dem Recht des Staates, dem die Person angehört. Dies gilt
auch, soweit die Geschäftsfähigkeit durch Eheschließung erweitert wird."
Abs. 2 besagt: "Eine einmal erlangte Rechtsfähigkeit oder
Geschäftsfähigkeit wird durch Erwerb oder Verlust der Rechtsstellung als
Deutscher nicht beeinträchtigt."
Daraus
ergibt sich, daß im deutschen Internationalen Privatrecht die Frage nach der
Privatrechtsfähigkeit einer Person grundsätzlich nach ihrem Heimatrecht zu
beantworten ist und ein eigenes Rechtsfähigkeitsstatut auf der Grundlage des
Personalstatuts besteht. Das Personalstatut ist im deutschen Internationalen
Privatrecht jene durch das Anknüpfungsmoment Staatsangehörigkeit gefundene
maßgebliche Rechtsordnung, der die Rechtsfragen zu den persönlichen
Rechtsverhältnissen einer natürlichen Person unterstellt sind.[2]
Allerdings
wird damit noch nicht die Frage nach dem Anfangszeitpunkt der Rechtsfähigkeit
beantwortet.[3]
Die international-privatrechtliche Problematik des Beginns der Rechtsfähigkeit
liegt eigentlich darin, daß, während die meisten Rechtsordnungen - dem
deutschen Recht entsprechend - den Zeitpunkt des Beginns der Rechtsfähigkeit
mit der Geburt eines Menschen festlegen, andere Rechtsordnungen, etwa das
französische Recht, sich nicht mit diesem Umstand zufrieden geben und
zusätzliche Bedingungen aufstellen.[4] Gemäß
Art. 7 EGBGB entscheidet das Heimatrecht einer Person auch über den Zeitpunkt
des Beginns ihrer Rechtsfähigkeit, und es fragt sich, wie es um die
Anwendbarkeit des Art. 7 EGBGB bei der Frage nach der Rechtsfähigkeit oder
rechtlichen Berücksichtigung des nasciturus oder nondum conceptus steht.
Selbst
wenn man im deutschen Sachrecht eine wie auch immer geartete Rechtsfähigkeit
des nasciturus verteidigt, hat dies noch nicht notwendigerweise zur Folge, daß
über dessen jeweilige kollisionsrechtliche Berücksichtigung nach Art. 7 Abs. 1
Satz 1 EGBGB zu befinden wäre. Sollte auch in einer im weitesten Sinne
vorgeburtlichen Sachlage der Art. 7 EGBGB den Lösungsweg aufzeigen, bliebe
wegen des Anknüpfungspunktes "Staatsangehörigkeit" zu klären, welchem
staatlich definierten Recht ein zukünftiger ungeborener oder sogar ungezeugter
Mensch "angehören" könnte.
Die
deutschen Kollisionsnormen umschreiben ihren jeweiligen Anwendungsbereich, den
Anknüpfungsgegenstand, mit Begriffen,
die dem deutschen nationalen Recht entlehnt sind, zum Beispiel Rechtsfähigkeit
oder Geschäftsfähigkeit. Die Auslegung dieser Begriffe entscheidet über die
Reichweite und die Abgrenzung der verschiedenen Kollisionsnormen, wobei von der
Rechtsordnung auszugehen ist, welche die jeweilige Kollisionsnorm aufgestellt
hat.[5]
Qualifikation und Auslegung sind grundsätzlich korrelative Begriffe, so daß die
Qualifikation der Rechtsfähigkeit zugleich eine Auslegung des Art. 7 EGBGB ist.[6]
Sollte
sich die Aussage des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB in der Beurteilung geborener
Menschen erschöpfen und darüber hinaus nur für "Randfragen"[7]
relevant werden, würde man entsprechend einen bestimmten, aber durchaus immer
noch mehrdeutigen Rechtsfähigkeitsbegriff des deutschen materiellen Rechts
übernommen haben. Man spricht hier von lex-fori-Qualifikation. Der Gedankengang
beinhaltet schon die grundlegende Unterstellung, daß die Frage nach der
Rechtsfähigkeit des Menschen nur den geborenen Menschen als die einzig mögliche
natürliche Person betreffen kann, da nur dieser an der Privatrechtsordnung
gleichberechtigt aktiv und passiv teilnehmen kann. Diese nicht nur im deutschen
Sachrecht strittige Position prägte somit das deutsche Internationale
Privatrecht und erhielte in der Form einer prinzipiellen Grunderkenntnis einen besonderen
Platz, der sich methodisch zu einer begrenzt vorgegebenen Lektüre des
Rechtsfähigkeitsstatuts und ein dadurch verbleibendes Ausweichen auf ein
unterschiedliches Wirkungsstatut ausdrückte.[8]
In
der Eingangsqualifikation müssen die Systembegriffe, unter die subsumiert
werden soll, regelmäßig schon gedeutet werden. Da zu diesem Zeitpunkt noch
keine andere Rechtsordnung einbezogen ist, müssen die Systembegriffe ausgehend
von der lex fori interpretiert werden. Dabei kommen die klassischen Mittel der Methodenlehre[9]
zum Einsatz. Insofern sind zunächst einmal die Begrifflichkeit und die darin
schon vertretene nationale Ordnungsvorstellung des Rechts der Kollisionsnorm
denknotwendig heranzuziehen. Eine Auslegung nach der lex causae-Theorie, das
heißt nach dem Recht, auf das verwiesen wurde, wäre hier folglich unhaltbar.
Zu
fragen ist, unter welchen Anknüpfungstatbestand der den nasciturus und den
nondum conceptus betreffende Sachverhalt zu subsumieren ist. Schon im direkten
begrifflichen Vergleich mit dem § 1 BGB als relevanter deutscher
Sachrechtsnorm, die ihrerseits von der Rechtsfähigkeit des Menschen handelt,
sticht ins Auge, daß in der Formulierung des Art. 7 EGBGB ausdrücklich von der
Rechtsfähigkeit einer Person die Rede ist. Die Wortwahl der Formulierung des
Artikels, die auch schon in der Abschnittsüberschrift des Gesetzes zum Ausdruck
kommt, ist nicht zufällig und weist auf eine allgemeine Grundeinstellung des
deutschen Zivilrechts hin. Diese könnte wie folgt heißen: Die Rechtsfähigkeit
eines Menschen kann diesen nur als Geborenen im Sinne einer natürlichen Person
angehen.[10]
Es fragt sich, ob demzufolge, wie es die herrschende Meinung[11]
im Ergebnis vertritt und die Wortwahl schon nahelegen könnte[12],
ein Ausschluß des nasciturus und umso mehr des nondum conceptus aus dem
sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift vorliegt. Im positiven Fall
beinhaltete die Wahl des Begriffs Person anstelle von Mensch eine
systemübergreifende Vorgabe in Form einer eigenen besonderen Qualifikation, die
im Resultat letztlich eine Rechtsfähigkeitsauffassung deutschen Sachrechts als
unbedingt allgemeingültig voraussetzt. Diese rein nationale Oberbegriffsprägung
erscheint jedoch aus methodischer Sicht als zu beschränkt.
Die
Qualifikationsproblematik im Internationalen Privatrecht ist sehr
vielschichtig.[13]
Als zu bevorzugende Lösungsrichtung tut sich jedoch dank ihrer
"über-nationalen" Prägung die funktionelle Qualifikation auf.[14]
Um einem akuten Normenmangel entgegenzuwirken, muß die starre
lex-fori-Qualifikationstheorie angepaßt werden. Als modus vivendi zwischen der
engen lex-fori-Theorie, das heißt der Auslegung der Systembegriffe getreu den
Vorgaben des materiellen Rechts des zuständigen Gerichts und der eher
idealistischen rechtsvergleichenden Qualifikation[15],
das heißt der gegenüber einem nationalen Recht autonomen
international-privatrechtlichen Systembegrifflichkeit, eröffnet die
funktionelle Qualifikation einen Weg der Lösung von der gleichfalls in den
Begriffen der Kollisionsnorm vorzufindenden Regelungssystematik der materiellen
lex fori.[16]
In der funktionellen Qualifikation wird die lex-fori-Theorie dahingehend
geweitet, daß die kollisionsrechtlichen lex-fori-Systembegriffe, die sonst wie
die entsprechenden Systembegriffe des materiellen Rechts der lex fori ausgelegt
würden, einen um die Interessen des Internationalen Privatrechts (Zweck der
Kollisionsnorm) oder die weltweite Allgemeingültigkeit der Bedürfnisse und
Probleme im Zusammenhang mit einem Lebensverhältnis (Zweck der Sachnorm) wenn
notwendig aufgestockten Inhalt erfahren.[17] Es
ist denn auch hier von einem Wechsel des Systembegriffs hin zu einem
Funktionsbegriff die Rede.[18]
Ausgangspunkt der Normenordnung - auch in ihrem begrifflichen Inhalt - ist
jedoch immer die lex normae als Qualifikationsstatut. Eine rechtliche
Qualifikation bleibt stets ein intellektueller Prozeß, der einen kulturellen
Aspekt in sich birgt und insoweit in ihrer systematischen Ursprünglichkeit
nicht objektiviert werden kann. Bei einer rechtsüberschreitenden Problematik
sollte man sich jedoch methodisch über eine allzu nationale Vorprägung
hinwegsetzen. Dies ist durch die Wahl der funktionellen Qualifikation der Fall,
die eine Möglichkeit der weiteren Dimensionierung der Systembegriffe
durchsetzt.
Der
auszufüllende normative Begriff der vorliegenden Norm ist nicht die
"Rechtsfähigkeit" alleine, sondern die begriffliche Einheit von
"Rechtsfähigkeit einer natürlichen Person", die antithetisch zur
Rechtsfähigkeit einer juristischen Person zu verstehen ist. Was nun aber unter
einer "natürlichen Person" zu verstehen ist, erscheint auch für den
Anwendungsbereich der Kollisionsnorm als unzweifelhaft. Minimalvoraussetzung
der allgemeinen Rechtsfähigkeit einer Person muß die schon im deutschen
Sachrecht genügende Lebendgeburt des Menschen sein. Es ist denn auch keine
Rechtsordnung bekannt, die mit dem Konzept der "Rechtsfähigkeit"
nicht die allgemeine uneingeschränkte Kapazität zur Inhaberschaft oder
Trägerschaft von Rechten und Pflichten bezeichnet wissen wollte. Eine solche
Kapazität kann aber unmöglich vor der Geburt oder gar Zeugung eines Menschen
bestehen. Deshalb kann denn auch eine funktionelle Eingangsqualifikation unter
entsprechender Berücksichtigung von Sinn und Zweck der IPR-Norm zu keinem
anderen Resultat gelangen: die Norm bleibt in ihrem Regelbereich dem
vorgeburtlichen Menschen verschlossen. Dem Rechtsfähigkeitsstatut als Grundlage
des Personalstatuts liegt folglich eine personale Begriffsbegrenzung zugrunde,
die eine Rechtsfähigkeit im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auch nach
funktionell-autonomer Eingangs-Qualifikation alleine für den geborenen Menschen
zuläßt. In einer Verweisung auf das Heimatrecht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB
lauert zudem die Möglichkeit der zusätzlichen Begrenzung, daß dieses für das
Personalstatut grundlegende Recht noch zusätzliche Voraussetzungen zur
Erlangung der Rechtsfähigkeit einer ihm angehörigen Person verlangen kann.
Der
Mensch ist frühestens als Person im rechtlichen Sinne allgemein rechtsfähig.
Also bleibt regelmäßig nur die Frage zu beantworten, ob man es vor der Geburt
oder schon vor der Zeugung eines Menschen mit einer privatrechtlichen Person zu
tun hat. Das ist zu verneinen.
Eine
methodisch reizvolle, aber in der Praxis unmögliche Sicht läge in der Schaffung
eines pränatalen oder präkonzeptiven Rechtsfähigkeitsstatuts des Menschen,
indem man die vorhandene Kollisionsnorm zur Rechtsfähigkeit des geborenen
Menschen zum Vorbild nähme. Es kann allerdings auch aus
international-privatrechtlichem Blickwinkel keine subjektlosen Rechte geben. Um
Inhaber eines Rechts sein zu können, müßte dem nasciturus oder nondum conceptus
folglich schon in der Eingangsqualifikation eine Rechtsfähigkeit auf fiktivem
Wege zugestanden werden können. Selbst wenn man die im weitesten Sinne
vorgeburtliche Berücksichtigung des Menschen unter dem Begriff der
Rechtsfähigkeit zuließe, müßte eine Verweisung doch am Anknüpfungsmoment
endgültig scheitern. Die Auslegung des Anknüpfungsmoments
"Staatsangehörigkeit" ist jedoch selbst keine Qualifikation, sondern
eine kollisionssnorm-interne Vorfrage, gewissermaßen die Erstfrage.[19]
In
Anbetracht der Tatsache, daß nur eine Person ein eigenes Heimatrecht haben kann
und kein Recht bekannt ist, das einem Menschen schon vor seiner Geburt die
Staatsangehörigkeit verleihen wollte, müßte angesichts des nasciturus auf
unsichere und angesichts des nondum conceptus auf höchst spekulative Weise ein
Heimatrecht konstruiert werden. Es ginge dabei nicht mehr um die natürliche,
sondern um eine hypothetische Person, deren Rechtsfähigkeit mittels analoger
Anwendung des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach ihrem fiktiven Heimatrecht als
Personalstatut zu beurteilen wäre. Es müßte dazu die Geburt, beziehungsweise
die Zeugung und die Geburt eines Menschen, fingiert werden, um in der direkten
Folge über dessen hypothetische Staatsangehörigkeit zu einer entsprechenden
Beurteilung seiner vorgeburtlichen Rechtsstellung im Hinblick auf eine
Rechtsfähigkeit zu gelangen. Unklar ist aber, worauf sich eine solche Fiktion
stützen sollte. Rechtsfähigkeit und Staatsangehörigkeit laufen insoweit
parallel, als ihrer beider Beginn identisch ist. Zwar ist auch eine staatenlose
Person privatrechtsfähig, wobei gemäß Art. 5 Abs. 2 EGBGB das Recht des Staates
zur Anwendung kommt, in dem die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, doch setzt
auch diese Norm denknotwendig die Geburt des Menschen voraus. Erst die Geburt
eröffnet einem Menschen über Art. 7 Abs. 1 EGBGB einen Zugang zum
Personalstatut. Entweder durch den Geburtsort oder durch die staatliche
Zugehörigkeit von Vater oder Mutter im Zeitpunkt der Geburt fällt dem Menschen
als Person eine Staatsangehörigkeit und damit ein Heimatrecht zu.[20]
Ein
allgemeiner Grundgedanke, der die nasciturus-Begünstigung im deutschen
Kollisionsrecht dahingehend umsetzte, daß die Rechtsstellung der Leibesfrucht
nach dem Rechtsfähigkeitsstatut zu bewerten sei, ist nicht zu erkennen. Auch
wenn keine Rechtsordnung zu finden ist, die der Leibesfrucht eine allgemeine
Rechtsfähigkeit zugedeihen läßt, ist andererseits auch kein Recht bekannt, das
eine Rechtsstellung des Menschen vor seiner Geburt und auch vor seiner Zeugung
durchweg ausschließt. Letztlich wird immer die Erlangung der Rechtsfähigkeit,
sowie gegebenenfalls die Erfüllung zusätzlicher biologisch-existentieller
Bedingungen, gefordert, um zu einem subjektrechtlich relevanten Vermögenserwerb
oder aber einem Anspruch auf Schadensersatz zu gelangen. Von der Unmöglichkeit
der Errichtung eines akzeptablen Heimatrechts des nondum conceptus einmal
abgesehen, darf denn wohl im Range eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes
festgestellt werden, daß eine gemäß dem entsprechenden Wirkungsstatut bedachte
oder geschützte Leibesfrucht frühestens mit der Lebendgeburt die allgemeine
Rechtsfähigkeit erlangen kann, die zur Rechtsinhaberschaft erforderlich ist.
Situationen,
in denen der Mensch vor seiner Zeugung Berücksichtigung findet, sind als solche
ohne direkten Zusammenhang mit der Rechtsfähigkeit als Person zu bewerten und
unterliegen kollisionsrechtlich auch noch keinem Heimatstatut. Wenn für das
schon gezeugte Kind die Anknüpfung nach Art. 7 EGBGB unmöglich ist, so muß dies
darüber hinaus umso mehr für ein noch nicht einmal gezeugtes Kind gelten. Es
wäre auch unzulässig, einem nicht einmal existierenden hypothetischen Menschen
auf dem Wege einer rein spekulativen Staatsangehörigkeit ein eventuelles
Heimatrecht zuzusprechen. Ein noch Ungezeugter ist auch für das Internationale
Privatrecht weder Mensch noch Person, sodaß sich die Berücksichtigung noch
nicht Gezeugter nie über ein Rechtsfähigkeitsstatut klären läßt. Die Rechtsstellung
der nondum concepti kann sicher nie anhand des Art. 7 EGBGB geklärt werden,
sondern wird sich erst recht ausschließlich nach dem jeweiligen Wirkungsstatut
richten müssen.[21]
Die Feststellung, daß die Rechtsstellung des Kindes im Mutterleib weder nach
dem zukünftigen Heimatort des Kindes nach der Geburt noch nach dem Heimatrecht
der Mutter zu beurteilen ist, bleibt andererseits nur insofern richtig, als sie
nicht auf ein Abblocken des Art. 7 EGBGB nach der Geburt hinausläuft.[22]
II.
Besondere Rechtsfähigkeiten
und Teilrechtsfähigkeit Ungeborener
Seinem
Schwerpunkt nach handelt Art. 7 Abs. 1 EGBGB zwar "von der Fähigkeit des
Neugeborenen, Zuordnungssubjekt privatrechtlicher Rechte und Pflichten geworden
zu sein"[23],
jedoch erschöpft sich die Norm nicht in der Behandlung dieses Bereichs. Der
zentrale Aufklärungspunkt bleibt die Ausfüllung des Bedeutungsgehalts der
Rechtsfähigkeit als Gegenstand der Anknüpfung. Begrifflich und auch inhaltlich
zu wenig unterscheidend wird generell in einem Atemzug von der allgemeinen
Rechtsfähigkeit einer Person und den "besonderen Rechtsfähigkeiten",
das heißt den Fähigkeiten, einzelne Rechte und Pflichten zu haben, gesprochen.
Über diese "besonderen Rechtsfähigkeiten", beispielsweise ein
Grundstück erwerben zu können, Vormund werden zu dürfen, kraft Stiftung oder
Schenkung zu erwerben oder Erbe zu sein, sollte das entsprechende
Wirkungsstatut entscheiden. Das heißt, es muß an die Regeln desjenigen Rechts
angeknüpft werden, dem der jeweilige Rechts- oder Erwerbsvorgang unterliegt
(lex causae).[24]
Während also die Privatrechtsfähigkeit natürlicher Personen grundsätzlich gemäß
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nach Heimatrecht zu beurteilen ist, würden die
besonderen Rechts- und Geschäftsfähigkeiten nicht gesondert angeknüpft, sondern
in das Wirkungsstatut eingebettet.[25] Dies
gilt insbesondere für die Erbfähigkeit und die Deliktsfähigkeit. Für den
allgemein rechtsfähigen Menschen mag diese Sichtweise auf den ersten Blick auch
unproblematisch erscheinen. Seine allgemeine Rechtsfähigkeit ist ja hier auch
nicht gemeint, sondern nur bestimmte Modi, besondere Aspekte seiner rechtlichen
Zuordnungssubjektivität innerhalb der Spannbreite seiner allgemeinen
Rechtsfähigkeit. In der Regel liegt denn auch die Fähigkeit, Träger bestimmter
Rechte und Pflichten zu sein, neben der allgemeinen Rechtsfähigkeit vor.[26]
Die Rechtsfähigkeit ist an dieser Stelle eine Vorfrage, an die selbständig
anzuknüpfen ist.[27]
Eine Fragestellung zur allgemeinen Rechtsfähigkeit ergibt sich eben nie
losgelöst von den einzelnen Rechtsbereichen, sondern besteht immer als
Vorfrage, sobald es um die selbständige Inhaberschaft von Rechten und Pflichten
- die Rechtsträgerschaft - geht. Selbst angesichts eines Nebeneinanders von
besonderer Rechtsfähigkeit und allgemeiner Rechtsfähigkeit wird heute nirgends
vertreten, daß der Geltungsbereich des Art. 7 EGBGB in diesen Konstellationen
auf die besonderen Rechtsfähigkeiten auszudehnen sei und das Wirkungsstatut
damit zurücktrete.
Die
"besonderen Rechtsfähigkeiten" betreffen allesamt jeweils nur die
Möglichkeit, in einem besonderen Rechtsbereich Beachtung zu finden. Sie sind
denn auch ihrem Wesen nach der Person nicht inhärent, wie es der Fall der
letztlich auch unter ordre-public-Schutz[28]
stehenden allgemeinen Rechtsfähigkeit ist, sondern bleiben situationsabhängig
und sind somit dem Wirkungsstatut zuzuordnen.[29] So
entscheidet das Erbstatut gemäß Art. 2 EGBGB nur über die Erbfähigkeit, das
heißt über die Möglichkeit, erbrechtlich vermögenswerte Rechte und Pflichten zu
erwerben, zur Erbfolge berufen sein zu können. Im Falle der Erbfähigkeit einer
geborenen Person scheint die Problematik auf den ersten Blick überwunden. In
der Regel sind alle Rechtsfähigen durch das Faktum der Geburt gleichzeitig
erbfähig. Zur selbständigen Inhaberschaft der von Todes wegen zu erwerbenden
Rechte und Pflichten im Zeitpunkt der Nachlaßverteilung ist jedoch allgemeine
Rechtsfähigkeit erforderlich. Bei der Nachlaßverteilung, die nicht ohne eine
selbständige und weitergehende Trägerschaft von Rechten und Pflichten des Erbfähigen
auskommt, ist dann die allgemeine Rechtsfähigkeit über das
Rechtsfähigkeitsstatut des Art. 7 EGBGB zu klären.[30]
Für
die "Nicht-allgemein-Rechtsfähigen" - den nasciturus und den nondum
conceptus -, die in passiver Prägung schon vor ihrer Geburt berücksichtigt
werden, kann nichts anderes gelten. Sie unterliegen hinsichtlich dieser
Möglichkeiten dem Wirkungsstatut. Zur Realisierung des erbrechtlichen Erwerbs
bedarf es dann jedoch auch hier der Kapazität zur Rechtsinhaberschaft, das
heißt der allgemeinen Rechtsfähigkeit, an die ihrerseits durchgängig über den
Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB anzuknüpfen ist. Ohne die Rechtsfähigkeit kommt in
keiner Rechtsordnung ein Rechtserwerb zustande. Auch wenn die Möglichkeit zum
Erwerb noch im Wirkungsstatut verankert bleibt, ist die Voraussetzung zum
individuellen Erwerb selbst eine Angelegenheit des Personalstatuts, das,
bedingt durch die insoweit übereinstimmende sachrechtliche Ausgestaltung,
jedoch frühestens mit der Geburt die unabdingbare allgemeine Rechtsfähigkeit bejahen
kann. Das Personalstatut ist in dem Sinne immer hypothetischer Natur, als es
letztlich nur dann erörtert werden kann, wenn man es mit einer Person im Sinne
einer bestimmten Rechtsordnung zu tun hat.[31]
Daher
unterliegen auch die begrenzten rechtlichen Fähigkeiten des nasciturus als
"besondere Rechtsfähigkeiten" dem jeweiligen Wirkungsstatut
letztlich, weil der vorgeburtliche Mensch nur in Einzelfällen beachtet wird.[32]
Zur Lösung der Teilrechtsfähigkeitsfrage der Leibesfrucht bleibt folglich
lediglich ein Abstellen auf das jeweilige Wirkungsstatut. Die Rechtsfähigkeit,
das heißt das Vermögen zur Trägerschaft subjektiver Privatrechte, bleibt
dagegen ausschließlich eine Angelegenheit des Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.
Fragestellungen zur beschränkten "Rechtsfähigkeit" eines Ungeborenen
oder gar Ungezeugten liegen außerhalb des Personalstatuts und richten sich nach
dem korrespondierenden Wirkungsstatut. Es ist denn auch richtig, für den
nasciturus und den nondum conceptus auch kollisionsrechtlich von einer Rechtsstellung[33]
im weiteren Sinne auszugehen, der jedoch immer auf zwei Erkenntnisebenen
nachzugehen ist. Die Erkundung der Fähigkeit des nasciturus, punktuell an einer
Privatrechtsordnung teilzuhaben, richtet sich dabei grundsätzlich nicht nach
dem Rechtsfähigkeitsstatut des Art. 7 EGBGB. Die nach dem Statut der Zuwendung,
dem Schenkungs- oder Erbrecht, nach dem Statut des Deliktsrechts, nach dem
Liegenschaftsstatut etc. anzuknüpfenden "besonderen
Rechtsfähigkeiten" und die Teilrechtsfähigkeit sind von ganz anderer Natur[34]
als die allgemeine Rechtsfähigkeit. Es bleibt also ebenso eine Sache des
Erbstatuts, zu klären, ob eine Leibesfrucht oder auch ein noch Ungezeugter
erbfähig ist, wie das Deliktsstatut maßgeblich bleibt für die Eröffnung
vorgeburtlich gesetzter Gesundheitsschäden.[35]
In
deliktsrechtlichen Tatbeständen geht es denn auch nicht um die aktive
Deliktsfähigkeit, sondern um die Frage, ob eine Handlung im weiteren Sinne
schadensersatzrechtliche Konsequenzen haben kann. Auch dies beantwortet das
Wirkungsstatut, das heißt das Deliktsstatut. Es entscheidet gleichfalls, ob ein
Mensch schon vor seiner Geburt unter einem Deliktsschutz steht. Insofern bleibt
zunächst die Rechtsfähigkeitsproblematik außen vor. Erst wenn es um einen
individuellen Schadensersatz geht, kommt es zusätzlich darauf an, daß der
geschädigte Mensch auch rechtsfähig ist oder geworden ist. Erst der Erwerb der
allgemeinen Rechtsfähigkeit eröffnet den individuellen Anspruch auf
Schadensersatz. Insoweit bleibt der vorgeburtliche Deliktsschutz auch tabu,
weil Voraussetzung des Schadensersatzes in rechtsvergleichender Sicht
gleichfalls mindestens die Lebendgeburt des geschädigten Menschen ist.
Die
allgemeine Rechtsfähigkeit natürlicher Personen ist somit ausschließlich dem
Art. 7 EGBGB als Anknüpfungspunkt zugewiesen. Die Rechtsfähigkeitsproblematik
im Sinne des Art. 7 EGBGB bleibt somit bei der Behandlung der "besonderen
Rechtsfähigkeiten" und der Teilrechtsfähigkeit eigentlich immer unberührt.
Im deutschen Internationalen Privatrecht ist die allgemeine Rechtsfähigkeit nie
nach dem sogenannten Wirkungsstatut, das heißt dem Recht, dem das entsprechende
Rechtsverhältnis ansonsten unterliegt, zu beurteilen. Ein Subsumieren unter ein
gespaltenes Rechtsfähigkeitsstatut - Art. 7 EGBGB und Wirkungsstatut - liegt
folglich nicht vor.
Die
Teilrechtsfähigkeit des nasciturus und die Berücksichtigungen des nondum
conceptus haben die Eigenart, daß sie zeitlich vor dem Faktum der Geburt
liegen, durch das ein subjektives Recht des Menschen als Person frühestens
zustande kommen kann. Nicht eher als im Moment der Geburt stellt sich das Thema
der allgemeinen Rechtsfähigkeit, die gemäß Art. 7 EGBGB ausschließlich nach dem
Recht des Staates zu beurteilen ist, dem die Person, Geburt vorausgesetzt,
angehört. Vorher mag sich nur über das Wirkungsstatut ein Lösungsweg zur
Rechtsstellungsfrage zu eröffnen.[36]
A. Die zukünftige Person im ungarischen internationalen
Privatrecht
Das
ungarische Internationale Privatrecht wird in der Gesetzesverordnung Nr. 13 vom
Jahre 1979 geregelt. In Kapitel II geht es um die Personen als Rechtssubjekte.
Die zukünftige Person ist selbständig nicht geregelt worden; hier müssen die
Regelungen der Person angesehen werden. Nach den bisher erwähnten ungarischen
Regelungen über den Ungeborenen ist schon erklärt worden, daß er bis zu seiner
Geburt in einer hängenden Rechtssituation ist und mit der Bedingung der
lebendigen Geburt zurückwirkend auf seine Empfängnis als Person betrachtet
wird. Unter dieser Voraussetzung sind auch hier die Regelungen über Personen
anzuwenden.
In
§ 10 der Gesetzesverordnung Nr. 13 aus dem Jahre 1979 wird geregelt, daß die
Rechtsfähigkeit bzw. Handlungsfähigkeit des Menschen und im allgemeinen sein
Personenstand, weiterhin die mit seiner Person verbundenen Rechte gemäß seinem
Personenrecht zu beurteilen sind. Hinsichtlich der aus dem Verstoß gegen die
mit der Person verbundenen Rechte stammenden Ansprüche ist das am Ort und zur
Zeit des Rechtsverstoßes maßgebende Recht anzuwenden; ist aber hinsichtlich der
Schadenserstattung oder der Wiedergutmachung für den Geschädigten das
ungarische Recht günstiger, so ist der Anspruch diesem Recht gemäß zu
beurteilen.
Die
Definition des Personenrechtes ist in § 11 zu finden:
„Das
Personenrecht des Menschen ist das Recht des Staates, dessen Staatsangehöriger
er ist. Die Änderung der Staatsangehörigkeit betrifft den früheren
Personenstand und die daraufhin zustande gekommenen Rechte und Pflichten nicht.
Ist jemand Staatsangehöriger mehrerer Staaten und ist die eine
Staatsangehörigkeit die ungarische, so ist das Personenrecht das ungarische
Recht. Hat jemand mehrere Staatsangehörigkeiten und ist keine davon die
ungarische, und ist jemand staatenlos, so gilt das Recht des Staates, auf
dessen Territorium er seinen Wohnsitz hat, bzw. das ungarische Recht, wenn er
seinen Wohnsitz auch in Ungarn hat. Wer im Ausland mehrere Wohnsitze hat,
dessen Personenrecht ist das Recht des Staates, mit dem seine Verbindung am
engsten ist. Sollte das Personenrecht einer Person aufgrund der vorangehenden Absätze
nicht festzustellen sein und hat sie keinen Wohnsitz, so wird ihr Personenrecht
durch ihren üblichen Aufenthaltsort bestimmt. Wenn von mehreren üblichen
Aufenthaltsorten der eine in Ungarn ist, so ist das Personenrecht das
ungarische Recht.„
Die
Rechtsstellung – die Rechtsfähigkeit, die Handlungsfähigkeit des Menschen und
im allgemeinen das Personenstand und die mit der Person verbundenen Rechte –
der zukünftigen Person wird also aufgrund des ungarischen Internationalen
Privatrechts nach dem Personenrecht geregelt. Das Personenrecht ist nach der
Staatsangehörigkeit des Menschen zu bestimmen. In der Gesetzesverordnung werden
dazu auch die Einzelregelungen bestimmt, um in allen Fällen das Personenrecht
eines Menschen bestimmen zu können.
In
§ 12 wird der Wohnsitz definiert: der Wohnsitz ist der Ort, wo jemand ständig
oder mit der Absicht der Niederlassung wohnt. Der übliche Aufenthaltsort ist
der Ort, wo sich jemand ohne die Absicht der Niederlassung eine längere Zeit
lang aufhält.
Das
Asylrecht genießende Personen werden im § 13 erwähnt:
„Hinsichtlich
des Personenstandes der in Ungarn Asylrecht genießenden Person ist das
ungarische Recht maßgebend; diese Bestimmung betrifft den früheren persönlichen
Rechtsstand und die daraufhin zustande gekommenen Rechte und Pflichten nicht.„
Die
Wirtschaftstätigkeit betreffend wird in § 14 folgendes geregelt:
„Hinsichtlich
der Wirtschaftstätigkeit der Privatperson, ihrer Produzenten-, Handels- (des
weiteren: wirtschaftlichen) Qualität ist das Recht des Staates maßgebend, auf
dessen Territorium die wirtschaftliche Tätigkeit bewilligt wurde. Bestand die
Notwendigkeit zur Genehmigung der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht oder wurde
die Tätigkeit in mehreren Staaten genehmigt, ist hinsichtlich der
wirtschaftlichen Qualität das Recht des Staates anzuwenden, auf dessen
Territorium sich der Ort der zentralen Geschäftsführung der wirtschaftlichen
Tätigkeit befindet.„
Über
die Rechts- und Handlungsfähigkeit des ausländischen Staatsangehörigen und des
Staatenlosen finden sich Regelungen in § 15:
„Hinsichtlich
der Rechts- und Handlungsfähigkeit des ausländischen Staatsangehörigen und des
Staatenlosen, weiterhin der Personen- und Vermögensrechte sowie der
Verpflichtungen sind – wenn eine Rechtsform keine andere Bestimmung trifft –
dieselben Regelungen wie für die Inländer anzuwenden. Derjenige nicht
ungarische Staatsangehörige, der nach seinem Personenrecht handlungsunfähig
oder beschränkt handlungsfähig ist, ist im Bereich der Deckung seiner üblichen
Bedürfnisse im alltäglichen Leben vom Gesichtspunkt seiner in Ungarn
geschlossenen vermögensrechtlichen Geschäfte als handlungsfähig zu betrachten,
falls er nach ungarischem Recht handlungsfähig wäre. Derjenige nicht ungarische
Staatsangehörige, der nach seinem Personenrecht handlungsunfähig oder
beschränkt handlungsfähig ist, aber nach dem ungarischen Recht handlungsfähig
wäre, ist auch vom Gesichtspunkt seiner sonstigen vermögensrechtlichen
Geschäfte als handlungsfähig zu betrachten, wenn die Rechtsfolgen des Geschäfts
in Ungarn einzutreten haben.„
Und
als Letztes wird das anzuwendende Recht bei Feststellung der Tatsache des Todes
in § 16 geregelt:
„Hinsichtlich
der Erklärung für tot oder verschollen, weiterhin der Feststellung der Tatsache
des Todes ist das Recht maßgebend, das das Personenrecht des Verschollenen war.
Wenn das ungarische Gericht aus inländischem Rechtsinteresse einen nicht
ungarischen Staatsbürger für tot oder verschollen erklärt bzw. die Tatsache des
Todes einer solchen Person feststellt, ist das ungarische Recht anzuwenden.„
Im
englischen Recht wurde unter dem Begriff des conflict of laws bzw. private
international law[37] die
Gesamtheit der Regeln zusammengefaßt, die einem englischen Gericht für die
Behandlung eines Falles zur Verfügung stehen, der ein ausländisches Element
beinhaltet.[38]
Dazu gehören neben Fragen zur internationalen Zuständigkeit englischer Gerichte
auch der Bereich des Kollisionsrechts und die Anerkennung und Durchsetzung
ausländischer Urteile und Entscheidungen.
Bei
den kollisionsrechtlichen Regeln sticht besonders die im Vergleich zu den
meisten kontinentaleuropäischen Rechten grundsätzlich unterschiedliche
Zuordnung aller den personal status einer Person betreffenden Feststellungen
ins Auge. Meistens werden im Common law jedoch die Begriffe personal law oder
auch law of persons genutzt, um damit die Rechtsordnung zu bezeichnen, welche
die persönlichen und vermögensrelevanten Beziehungen zwischen
Familienmitgliedern betrifft.[39] Der englische Begriff status ist weniger
gebräuchlich und zudem inhaltlich umstritten. Entweder ist mit status der
Personenstand gemeint oder aber auch die einer Person aus den Gesetzen ihres
Landes erwachsene Fähigkeit zum Erwerb und zur Ausübung legaler Rechte sowie zur
Durchführung von Rechtsgeschäften.[40] Auch
wenn der Begriff status im Sinne des Personenstandes weit geschnitten ist, so
ist der Begriff andererseits von der capacity zu unterscheiden. Eine
eigenständige Norm für ein Rechtsfähigkeitsstatut existiert im englischen
Kollisionsrecht nicht. Dennoch muß auch für den Bereich des englischen
Internationalen Privatrechts die allgemeine Rechtsfähigkeit als fester
Bestandteil des Personalstatus anzusehen sein. Auch im englischen Recht und
damit auch nach den englischen Regelungen des conflict of laws kann
grundsätzlich nur eine natürliche Person während ihres Lebens über die
Kapazität verfügen, Rechte zu haben und Verpflichtungen zu unterliegen. Die
elementare Befähigung des geborenen Menschen unterliegt somit selbstverständlich
dem personal law.
Die
common-law-Systeme haben wegen ihrer eher territorialistischen Ausrichtung eine
besonders enge Vorstellung des Personalstatuts, das begrifflich nicht einmal
wirklich vom englischen Internationalen Privatrecht angenommen worden ist. Man
blieb traditionell grundsätzlich zunächst an das Recht des Gebietes des
Geburtsortes gebunden. Wenn auch dem Gedanken der Notwendigkeit der
Unterwerfung aller das Personalstatut einer natürlichen Person betreffenden
Fragestellungen unter ein und demselben Recht grundsätzlich entsprochen wurde[41],
hat man sich kollisionsrechtlich nicht für die Staatsangehörigkeitsanknüpfung
entscheiden können, sondern richtet sich nach dem domicile der Person als
Anknüpfungsmoment.[42]
Das
Konzept des domicile ist ein nicht leicht zu definierender rechtlicher Begriff[43],
der jedoch elementar auf die Beziehung zwischen einem Individuum und einem
Territorium hinausläuft und sowohl von materiellen als auch von psychologischen
Faktoren geprägt ist. Im Grunde wird eine Person dabei dem Recht jenes Umfeldes
unterworfen, in dem sie lebt und in dem sie in der Regel auch am Rechtsverkehr
teilnimmt. Grundsätzlich besitzt jede Person einen Wohnsitz, dessen Belegenheit
sich prinzipiell nach den Regeln des englischen Rechts bestimmt. Ausgegangen
wird hierbei vom Begriff des Ursprungswohnsitzes, das heißt dem Wohnsitz einer
Person im Zeitpunkt ihrer Geburt, der sich für ein eheliches Kind aus dem
Wohnsitz des Vaters, für ein uneheliches aus dem der Mutter und im Falle eines
Findelkindes aus dessen Fundort von Rechts wegen ergibt. Entscheidend ist
hierbei folglich nicht der Geburtsort, sondern in der Regel der Wohnsitz des
entsprechenden Elternteiles im Zeitpunkt der Geburt.
Alle
das Personalstatut betreffenden Regelungen erfassen die Person beziehungsweise
ihre früheste Gestalt: das Kind. Auf die Möglichkeit eines Wohnsitzes eines
noch nicht geborenen oder gar noch nicht gezeugten Kindes wurde gesetzlich
nicht eingegangen. Obgleich theoretisch die Möglichkeit bestünde, den Wohnsitz
eines Kindes im Mutterleib unter Zuhilfenahme des Wohnsitzes der Mutter zu
konstruieren, erscheint ein solches Vorgehen aus der Sicht des englischen
Rechts absurd. Vielmehr ist selbstverständlich, daß auch im englischen Recht
das Personalstatut, das über den Wohnsitz ermittelt wird, frühestens mit der
Geburt in Frage stehen kann. Erst durch die Geburt wird der Mensch zur Person,
dessen allgemeine Rechtsfähigkeit sodann nach "seinem" Recht, das
heißt dem Recht seines Wohnsitzes zu klären ist.
Auch
im englischen Recht dreht sich eigentlich alles um die Beantwortung der Frage,
ob der nasciturus und auch der nondum conceptus schon als Person anzusehen
sind. Nur Personen können einen Wohnsitz, insbesondere einen Ursprungswohnsitz
besitzen, der sie einem Recht unterstellt, das seinerseits dann zur allgemeinen
Rechtsfähigkeit der Person Aussagen macht.
Fragestellungen
vorgeburtlicher Rechts- oder Teilrechtsfähigkeit sind dem englischen Recht
nicht zuletzt durch den weitgehenden Einsatz von Rechtskonstruktionen aus dem
Bereich der equity unter Einsatz der trust-Formen unbekannt geblieben.
Natürlich kennt auch das englische Sachrecht besondere Rechte, die einem Kind
für den Fall, daß es eine Person wird, vorbehalten sind. Zu nennen sind hier
etwa erbrechtliche Konstruktionen oder Entschädigungen wegen vorgeburtlicher
Schädigungen.
Die
Frage, welche Rechte für ein Kind nach seiner Geburt reserviert sein können,
wird von der lex causae, das heißt von dem Recht, das die rechtliche Beziehung
regelt, die das in Frage stehende Recht begründet hat, zu beantworten sein.
Somit wird etwa das auf einen Vertrag anzuwendende Recht zu unterscheiden
haben, ob grundsätzlich der Vertrag zugunsten Dritter zulässig ist und das
ungeborene Kind begünstigter Dritter sein kann. Für den Bereich des
Deliktsrechts wird ebenso vorzugehen sein. Im Erbrecht wird jedoch auf die
Anwendung des Prinzips der Spaltung des Nachlasses zu achten sein. Mit Ausnahme
des unbeweglichen Nachlasses, der den Bestimmungen des lex situs, des Rechts
des Belegenheitsortes, auch bezüglich der Fähigkeit, einen Vermögensgegenstand
erbrechtlich zu erwerben, folgen muß[44],
wird das Recht des domicile des Verstorbenen darüber zu entscheiden haben, ob
das ungeborene Kind die Rechtsnachfolge bezüglich des hinterlassenen Vermögens
antreten kann.[45]
Ein
Kind im Mutterleib ist rechtlich noch nicht Person geworden und hat denn auch
in diesem Sinne noch keine Rechte. Die Rechtsstellung des child en ventre sa
mčre scheint im Common law und insbesondere im englischen Recht keinen
Anlaß zu kollisionsrechtlichen Problemen gegeben zu haben. Die auch in der
deutschen Lehre aufgeworfene Frage der Behandlung ausländischer Rechte, die in
Anlehnung an den französischen Code civil neben der vollendeten Lebendgeburt
darüberhinaus eine Lebensfähigkeit oder auch eine Mindestlebensdauer des Kindes
voraussetzen, ist auch der englischen Lehre bekannt. Es wird dort vertreten,
daß auf die Frage, welches Recht anzuwenden ist, wenn das Kind nicht
lebensfähig geboren wurde, das personal law heranzuziehen ist.[46]
Das über den Wohnsitz des geborenen Kindes zu ermittelnde Heimatrecht wird
demnach die Antwort auf die Frage nach der Fähigkeit des geborenen Kindes zu
geben haben. Würde etwa ein unehelich geborenes, aber lebensunfähig
verstorbenes Kind einen französischen Wohnsitz gehabt haben, hat es seinen
Vater nicht beerben können, da es nach französischem Recht nie Person geworden
ist.[47]
Mit anderen Worten kann festgestellt werden, daß für die Belange des englischen
conflict of laws die Geburt eines Menschen genügt, um ihm ein domicile zu
geben, das alsdann den Einstieg in den Bereich des personal law ermöglicht, das
seinerseits gegebenenfalls die Rechtsunfähigkeit selbst des geborenen Menschen
vorschreiben kann.
Daraus
darf gefolgert werden, daß sich die Rechtspersönlichkeitsfrage und damit auch
die Problematik der Rechtsfähigkeit des nasciturus und erst recht des nondum
conceptus im eigentlichen allgemeinen Sinn für den englischen Richter im Grunde
nicht stellen kann. Auch im englischen Recht ist nicht ersichtlich, wie ein
noch nicht gezeugter Mensch zu einem Personalstatut gelangen sollte. Der
nasciturus und der nondum conceptus sind noch keine Rechtspersonen. Weder dem
nasciturus noch dem nondum conceptus kann vor der Geburt ein domicile
eingeräumt werden. Die Anwendung der personal law bleibt somit vor der Geburt
kategorisch verwehrt. Auch wenn das englische Recht ein Konzept der besonderen
Rechtsfähigkeiten nicht verinnerlicht hat, muß für die Beachtung des nasciturus
und erst recht des nondum conceptus in internationalprivatrechtlichen
Fragestellungen die jeweilige lex causae herangezogen werden. In diesem Sinne
würde wohl auch keine ordre-public-Schranke errichtet werden. Die
international-privatrechtliche Position des nondum conceptus erschließt sich
somit auch im englischen Recht ausnahmslos über die lex causae.
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[1] Palandt-Heldrich, Einl. v.
EGBGB 3 (IPR), Rz. 1.
[2] Firsching / von Hoffmann,
a.a.O., § 5 Rz. 3.
[3] Lüderitz, Alexander:
Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit und Entmündigung natürlicher Personen, in:
Lauterbach, Wolfgang: Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen
internationalen Personen- und Sachenrechts, Tübingen 1972, S. 32-76, S. 37.
[4] In Frankreich und Belgien
bestimmen die Art. 725 und 906 C.civ., daß im Erbrecht und im Recht der
unentgeltlichen Zuwendungen zusätzlich die Lebensfähigkeit erforderlich ist.
Art. 30 des C.civ. Spaniens bestimmt, daß das Kind ganz allgemein die Geburt um
24 Stunden überlebt haben muß. Art. 41 des civil code der Philippinen verlangt
noch spezieller, daß eine Frühgeburt von unter 7 Monaten mindestens 24 Stunden
getrennt vom Mutterleib gelebt haben muß.
[5] Palandt-Heldrich, Einl. v.
EGBGB 3 (IPR), Rz. 27.
[6] Neuhaus, Paul Heinrich: Die
Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl., Tübingen 1976, S.
114.
[7] Lüderitz, Alexander:
Internationales Privatrecht, 2. Aufl., Neuwied/Kriftel/Berlin 1992, § 171, S.
389.
[8] Hermanns-Engel, a.a.O., S.
275.
[9] Dabei handelt es sich um
Wortlautinterpretation, systematische Interpretation, teleologische
Interpretation und entwicklungsgeschichtliche Interpretation.
[10] Hermanns-Engel, a.a.O., S. 275.
[11] Lüderitz, Internationales
Privatrecht, S. 105, Rz. 230.
[12] Kegel, Gerhard: Internationales
Privatrecht, 7. Aufl., München 1995, § 17 I, S. 389; v. Bar, Christian:
Internationales Privatrecht, Bd. 2, Besonderer Teil, München 1991, Rz. 5-7.
[13] Weber, Helmut: Die Theorie der
Qualifikation - Franz Kahn, Etienne Barftin und die Entwicklung ihrer Lehre bis
zur universellen Anerkennung der Qualifikation als allgemeines Problem des
Internationalen Privatrechts, Tübingen 1986, S. 198-245; Heyn,
Hanns-Christian:: Die "Doppel"- und "Mehrfachqualifikation"
im IPR, Frankfurt am Main 1986, S. 17-31; Schurig, Klaus: Kollisionsnorm und
Sachrecht. Zur Struktur, Standort und Methode des internationalen Privatrechts,
Berlin 1981, S. 215-229.
[14] Neuhaus, a.a.O., S. 129 f.
[15] v. Bar, Christian:
Internationales Privatrecht, Bd. I: Allgemeine Lehren, München 1987, Rz. 591 f.
[16] Lüderitz: Internationales
Privatrecht, S. 60 f.; Rz. 128 f.
[17] Weber, a.a.O., S. 244 f.
[18] Kropholler, Jan::
Internationales Privatrecht, 2. Aufl., Tübingen 1994, § 17 I, S. 110.
[19] Jochem, Reiner: Die
persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten in einer "hinkenden" Ehe
- ein Sonderproblem, in: FamRZ 1964, S. 392-397, S. 393.
[20] Hermanns-Engel, a.a.O., S. 278.
[21] v. Bar, IPR II, Rz. 7 spricht
hier sogar von einer Selbstverständlichkeit.
[22] Hermanns-Engel, a.a.O., S. 279.
[23] v. Bar, IPR II, Rz. 3.
[24] Palandt-Heldrich, Art. 7 EGBGB,
Rz. 2.
[25] Kropholler, Internationales
Privatrecht, § 42 I S. 286.
[26] Firsching/von Hoffmann, a.a.O.,
§ 7 Rz. 3.
[27] Palandt-Heldrich, Art. 7 EGBGB, Rz. 1.
[28] Lüderitz, Internationales
Privatrecht, S. 105, Rz. 230.
[29] Brödermann, Eckart/Rosengarten,
Joachim: IPR, Anleitung zur systematischen Fallbearbeitung im Internationalen
Privat- und Verfahrensrecht, 2. Aufl, Hamburg 1996, S. 88, Rz. 297.
[30] Staudinger-Dörner, Art. 25
EGBGB, Rz. 78.
[31] Staudinger-Beitzke, vor Art. 7
EGBGB, Rz. 5.
[32] Kegel, a.a.O., § 17 I b, S.
389.
[33] v. Bar, IPR II, Rz. 5-7.
[34] Kegel, a.a.O., § 17 I b, S.
389.
[35] v. Bar, IPR II, Rz. 6.
[36] Hermanns-Engel, a.a.O., S. 282.
[37] Cheshire, Geoffrey/North,
P.M.N.: Cheshire and North's Private Internationale Law, 12. Aufl., bearb. v.
North, P.M.N. und Fawcett, J.J., London/Dublin/Edinburgh 1992, S. 12 f.
[38] Collier, John Greenwood:
Conflict of laws, 2. Aufl., London 1994, S. 14.
[39] Morris, J.H.C.: The conflict of
laws, 3. Aufl., London 1984, S. 14.
[40] Carlier, Jean-Yves: Autonomie
de la volontč et statut personnel, Brüssel 1992, S. 172.
[41] Cheshire/North, a.a.O., S. 138.
[42] Wolff, Martin: Private
International Law, 2. Aufl., Oxford 1950 (Neudruck Aalen 1977), S. 277, Rz.
277.
[43] Dicey, Albert Venn/Morris, John
Humphrey Carlile: Dicey & Morris on The Conflict of Laws, Bd. 1, 12. Aufl.,
bearb. v. Collins, Lawrence/Hartley, Trevor C./McClean, John D./Morse,
Christopher/George, John, London 1993, S. 116.
[44] Ferid/Firsching, a.a.O., S. 13,
Rz. 41.
[45] Wolff, a.a.O., S. 577, Rz. 550.
[46] Wolff, a.a.O. S. 275-276, Rz.
255.
[47] So das Beispiel bei Wolff,
a.a.O., S. 276.