Hans-Georg
Günther
Verhaltensbezogene
Mitwirkung in der Rechtsordnung
Im Rahmen des Sozialversicherungsrechts stößt der Rechtsanwender auf die verschiedensten Formen von "Mitwirkungshandlungen", die sowohl im verfahrensrechtlichen als auch im materiell-rechtlichen Bereich anzutreffen sind. Dem Begriff der Mitwirkung ist, quasi als Begriffskern, das Moment der Handlung wesensimmanent. Unter Handlungen werden dabei üblicherweise vom Willen gesteuerte menschliche Verhaltensweisen[1] verstanden, die sich, je nach Art der Willensbetätigung, in Tathandlungen und Rechtshandlungen untergliedern lassen. Je nachdem, welchen konkreten Regelungszweck sie verfolgen und welche konkreten Rechtsfolgen sich an eventuelle Verhaltensverstöße anschließen, ist damit in rechtlicher Hinsicht eine unterschiedliche Steuerungsintensität verbunden.
Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung des Versicherungswesens, so wird zunächst klar, daß hier ursprünglich nicht eine Schutz gewährende Institution bzw. ein Staat Mitwirkungspflichten begründete, um das Verhalten des zu Schützenden zu steuern, sondern daß es sich im Gegenteil lange vor der Entstehung und Institutionalisierung von Privat- und Pflichtversicherungen im wesentlichen um Selbsthilfeorganisationen auf Gegenseitigkeit handelte, bei denen die Mit- und Eigenverantwortlichkeit der zu Schützenden - die zugleich in ihrer Gesamtheit auch die Schutzgewährenden waren - Entstehungsvoraussetzung und Grundlage war.
A. Geschichtlicher
Abriß
Der Vorsorgegedanke ist so alt wie die menschliche Kulturgeschichte. Je höher die Entwicklungsstufe eines Volkes ist, desto besser entwickelt sind grundsätzlich auch seine Vorsorge- und Versicherungsmaßnahmen.
Charakteristikum des Versicherungswesens und seiner Vorläufer war und ist die Gefahrengemeinschaft, d.h., Gruppen von Menschen, die durch gleichartige Gefahren bedroht wurden, schlossen sich zusammen und erbrachten gewisse Beiträge bzw. Opfer, um den tatsächlich vom Unglück Betroffenen "wieder auf die Beine zu helfen".
Die gewissermaßen spirituelle Art der Vorsorge durch Opfergaben, die den Göttern dargebracht wurden, um sie zugunsten der Familien und Sippen gnädig zu stimmen, kann als Vorstufe des späteren Versicherungswesens angesehen werden. Schon im antiken Griechenland gab es eine staatliche Armenfürsorge und Vereine wie Handwerkergilden, in denen sich die Mitglieder selbst halfen, und auch aus dem antiken und frühchristlichen Rom sind Krankenkassen- und Sterbekassenvereine bekannt.
Mit dem aufkommenden Handel im Mittelalter ergaben sich neben unbestreitbaren Vorteilen auch eine Reihe von Risiken. Durch Seestürme konnten die Waren zerstört werden. Auf hochmittelalterlichen Straßen lauerten Räuberbanden auf die Beute. Die Kaufleute schlossen sich zu Gefahrengemeinschaften, sogenannten Gilden zusammen.[2] Zahlreiche Gilden zielten nicht auf Schadensersatz schlechthin ab, sondern wollten lediglich dem Hilfe angedeihen lassen, welcher tatsächlich nach erlittenem Schaden wieder an den Neubau seines Anwesens ging. Für diesen Fall wurde ihm Hilfe in Form von Naturalien und Arbeitsleistungen zuteil, aber keine Geldunterstützung gewährt.[3] Neben der Hilfe bei Elementarereignissen hatten die Gilden noch eine weitere sichernde Tätigkeit festgelegt. Verstorbenen Gildenmitgliedern wurde z.B. ein anständiges Begräbnis gesichert.
Die Armen, Kranken und Alten, die keiner Arbeit nachgehen konnten, waren mangels besonderer sozialer Einrichtungen auf die christlichen Institutionen des Mittelalters angewiesen, die schon höher entwickelte Formen von Versicherungsvorläufern darstellten. Einer Urform von Versicherungsprämien entsprachen die regelmäßig erhobenen Spenden der gesamten Christengemeinde, die zu einem Teil von der Kirche dazu verwendet wurden, um in Not geratenen "Brüdern und Schwestern" zu helfen. Klöster beschränkten sich nicht nur auf die Erfüllung missionarischer Aufgaben, sondern übernahmen im Rahmen der "Caritas" auch eine institutionelle Armen- und Krankenpflege. In jedem Kloster gab es ein Krankenhaus, "infirmaria" genannt, außerhalb der Klostermauern gewöhnlich ein Hospital, "hospitale pauperum". Die Krankenpflege erfolgte durch besondere, in der ärztlichen Kunst und Arzneizubereitung erfahrene Mönche.
Neben ärztlicher Versorgung und Arznei gewährten die Klöster nach gewissen Regeln Unstürzung in Geld, Speisen und Bekleidung, in beschränkter Zahl auch lebenslängliche Versorgung im Kloster an dauernd Arbeitsunfähige und Altersschwache.[4] Der Pförtner hatte die Aufgabe, täglich den bittenden Armen an der Klosterpforte Almosen auszuteilen.[5] Der Versicherungscharakter der kirchlichen Einrichtung wuchs, als ab dem 10./11. Jahrhundert auch begüterte Personen gegen Entgelt oder "Schenkungen" an die Kirche die Dienstleistungen der Klöster für sich sicherstellten. Gegen Stiftung einer bestimmten Geldsumme oder entsprechenden Realbesitz konnte man sich in ein Kloster "einpfründen".
Die Klöster sind aber auch die Vorläufer der modernen Lebens- bzw. Rentenversicherung. Als im 15./16. Jahrhundert der Ansturm jener Personen auf die Klöster zu groß wurde, die der Kirche Grundstücke und Häuser übertrugen, um dort im Alter und bei Krankheit Unterkunft und Pflege zu erhalten, kauften sich die kirchlichen Institutionen zunehmend frei. Anstelle von Unterkunft und Verpflegung im Kloster wurden den Stiftern und Schenkern lebenslänglich gewisse Geldbeträge ausgezahlt. Ähnlich wie bei einer modernen Lebensversicherung konnten solche klösterlichen Leibrentenverträge auch für Dritte abgeschlossen werden.[6] Seit dem 15./16. Jahrhundert übernahmen auch weltliche Institutionen wie die Stadtgemeinden gewisse versicherungsähnliche Aufgaben.
Bedeutsam war im Mittelalter auch die Fürsorge der Ritterorden, die durch ihr Gelübde dazu verpflichtet waren, für die kranken und verlassenen Glaubensbrüder zu sorgen. Der Dreißigjährige Krieg zerstörte zwischen 1618 und 1648 die Fürsorgeeinrichtungen der Kirche und der inzwischen auch von größeren Städten erbauten Hospitäler. An ihre Stelle trat die Selbsthilfe auf gemeinschaftlicher Grundlage. Die wichtigsten Einrichtungen waren Selbsthilfe im Bergbau und im Handwerk.
Die Bruderschaft der Bergleute, die Knappschaft, verrichtete die Arbeit der Kranken mit, so daß kein Verdienstausfall eintrat. Später wurden an den Lohntagen Büchsen aufgestellt, in die jeder Knappe nach Belieben Geld einwarf. Aus der freiwilligen Spende entwickelte sich die Verpflichtung zur Entrichtung des "Büchsenpfennigs". Die Büchsenkassen wurden zu Knappschaftskassen, aus denen Bergleuten und ihren Familien Krankheitskosten, Arzneien oder Sterbegeld ersetzt wurden. Bei den Handwerkern gab es Zusammenschlüsse in Form von Zünften oder Innungen. Sie bildeten Zunftbüchsen und Zunftvermögen, in die jedes Mitglied meist einen bestimmten Betrag zu zahlen hatte. Die Gesellen schlossen sich zu Gesellenbruderschaften zusammen.
Mit dem Beginn der Industrialisierung verloren die Zünfte und Gilden an Bedeutung. Wer als Industriearbeiter wegen Krankheit, Invalidität oder Alter aus dem Arbeitsleben ausscheiden mußte, konnte nicht mehr mit der solidarischen Hilfe anderer rechnen. Die tiefgreifende, soziale Umwälzung machte ein Eingreifen des Staates erforderlich. Bereits im preußischen allgemeinen Landrecht vom 05.02.1794 befinden sich Bestimmungen über die staatliche Armenpflege.
Während in England und Frankreich die ersten staatlichen Schutzbestimmungen - Arbeitszeitbegrenzungen zunächst für Kinder und Jugendliche - unter dem Druck einer trotz wiederholter Rückschläge sich langsam formierenden Arbeiterschaft zustande kamen, waren es in Preußen, wo sich die Arbeiterbewergung erst später parallel mit der industriellen Aufschwungphase nach 1850 entwickelte, vor allem obrigkeitsstaatliche Erwägungen, die zum sogenannten Preußischen Regulativ von 1839 führten. Hierbei gaben neben fürsorgerischem Denken vor allem wohl handfeste Interessen an der Erhaltung der Wehrtüchtigkeit der Arbeiterbevölkerung den eigentlichen Ausschlag. Diesem Anfang staatlicher Arbeiterschutzpolitik, die die krassesten Fälle der Ausbeutung von Kinderarbeit verhindern sollte, aber mangels Kontrollmöglichkeiten kaum Anwendung fand, folgten in den nächsten Jahrzehnten kaum weitere Aktvititäten.
Erwähnenswert ist allenfalls die Preußische Gewerbeordnung von 1845 mit der Novellierung von 1849, die eine Öffnung der handwerklichen Hilfskasen und Versicherungseinrichtungen - Kranken-, Hilfs-Sterbe- und Sparkassen - für die Industriearbeiter herbeiführte. Diese Hilfskassen, sich sich aus den mittelalterlichen Brüderbüchsen und Laden der Zünfte entwickelt haben, weisen - wie dargelegt - eine jahrhundertelange Tradition auf. Mit der Verpflichtung der Unternehmer zur anteilsmäßigen Mitfinanzierung der Kosten, des Rechts auf Selbstverwaltung und der Möglichkeit, die freiwillige Mitgliedschaft durch behördliche Anordnung verpflichtend zu machen, wurden hier schon wesentliche Gestaltungsprinzipien der späteren Bismarckschen Sozialversicherungspolitik ansatzweise erprobt.[7]
Das Gesetz über die Vereinigung der Berg-, Hütten- und Salinenarbeiter in Knappschaften vom 10.04.1854 war die erste landesgesetzliche, öffentlich-rechtliche Arbeiterversicherung. Diese und andere landesgesetzliche Regelungen waren jedoch noch unzureichend, weil sie nur einen Teil der Bevölkerung betrafen. Durch die "Kaiserliche Botschaft" vom 17.11.1881 wurde der Aufbau der Arbeiterversicherung eingeleitet. Wilhelm I. forderte in seiner Thronrede zur Eröffnung des Reichstages auf Anraten von Reichskanzler Bismarck den Reichstag auf, "zur positiven Förderung des Wohles der Arbeiter" Gesetze zum Schutz der Arbeiter gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter zu beschließen. Nach langwierigen Vorbereitungen und Untersuchungen verabschiedete der Reichstag am 15.06.1883 das Krankenversicherungsgesetz, am 06.07.1884 das Unfallversicherungsgesetz und am 22.06.1889 das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz. Die zunächst geplante organisatorische Zusammenlegung der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung führte nicht zum Ziel. Lediglich die drei unterschiedlichen Sozialversicherungsgesetze wurden 1911 in der "Reichsversicherungsordnung" zusammengefaßt, die ab Mitte der siebziger Jahre durch das Sozialgesetzbuch (SGB) abgelöst wurde.
Als regional gegliederte Versicherungsträger der Invalidenversicherung - wie die Rentenversicherung anfänglich hieß - wurden Landesversicherungsanstalten errichtet. Ihnen standen Ausschüsse, die heutigen Vertreterversammlungen, und Vorstände vor, in denen Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten die Geschicke der einzelnen Anstalten lenkten. Die Rentenversicherung war somit von Anfang an nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisiert.
Die Versicherungspflicht war zunächst auf die Industriearbeiter beschränkt. Finanziert wurde das System vor allem über Beiträge der versicherten Arbeiter und/oder ihrer Arbeitgeber, wobei bei der Rentenversicherung ein Staatszuschuß gewährt wurde. Dieser Ansatz, die Lebensrisiken - anfangs allerdings nur die Erwerbsunfähigkeit - außerhalb der Betriebe in einer Versichertengemeinschaft der potentiell Betroffenen aufzufangen, stellte eine wichtige Ergänzung der Arbeitsschutzpolitik dar, insofern hier auch Risikofaktoren, die nicht unmittelbar an den Arbeitsplatz geknüpft waren, einbezogen wurden. Zudem bot eine derartige Konstruktion die Möglichkeit, auch nicht erwerbstätige Familienmitglieder wie Ehefrau und Kinder mit in die Solidargemeinschaft aufzunehmen.[8]
Das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz hatte neben den Arbeitern auch Angestellte in die Versicherungspflicht einbezogen. Der Berufsstand der Angestellten forderte aber eine selbständige und unabhängige Angestelltenversicherung mit eigenem Versicherungsträger. Dies geschah mit dem Versicherungsgesetz für Angestellte vom 20.12.1911, das zum 01.01.1913 in Kraft trat.
Der Erste Weltkrieg, die Inflation in den Jahren 1921 und 1923 und die Weltwirtschaftskrise, die im Sommer 1930 in Deutschland voll durchschlug, trafen die Sozialversicherung schwer. Die Folge waren Kriegs- und Währungsgesetze, wie sie für solche Notzeiten typisch sind. In den dreißiger Jahren erholte sich die Rentenversicherung wieder. Zwar wurde die noch junge Selbstverwaltung durch das Führerprinzip abgelöst, doch die Grundlagen der Sozialversicherung wurden dadurch nicht erschüttert. 1927 wurde das System der sozialen Sicherung um die Arbeitslosenversicherung ergänzt.
Mit der Rentenreform im Jahre 1957 wurde die Rentenversicherung im alten Bundesgebiet grundlegend umgestaltet. Die Renten folgten seitdem der wirtschaftlichen Entwicklung; sie erhielten Lohnersatzfunktion und wurden in der Regel jährlich entsprechend der Bruttolohnentwicklung erhöht, seit 1992 entsprechend der Nettolohnentwicklung.
Im selben Jahr folgte das Gesetz über die Altershilfe für Landwirte, mit dem diese erstmalig in die soziale Sicherung einbezogen wurden. 1963 trat die Neuordnung der gesetzlichen Unfallversicherung in Kraft. Weitere Stationen in der Entwicklung der sozialen Sicherung waren die Versicherungspflicht aller Angestellten im Jahre 1968, die Öffnung der Rentenversicherung, insbesondere für Selbständige und Hausfrauen im Jahre 1972, die Anpassung der Unfallrenten und der Kriegsopferrenten an die wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 1964 und 1972 und die Sozialversicherung der Rehabilitanden und Behinderten 1974 und 1975 sowie der selbständigen Künstler und Publizisten im Jahre 1983. Die soziale Pflegeversicherung ist am 01.01.1995 als Schlußstein des Sozialversicherungsgebäudes als eigenständige Säule der sozialen Sicherheit in Kraft getreten und der gesetzlichen Krankenversicherung angegliedert.
Während nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in den amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen das traditionelle Sozialversicherungsrecht im wesentlichen erhalten blieb, ging die Verwaltung der sowjetischen Besatzungszone einen eigenen Weg. Hier entwickelte sich eine Einheitsversicherung, in der Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung zusammengefaßt waren. Sie wurde von zwei Trägern verwaltet. Die dem FDGB zugeordnete Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten war für 85 % aller Bürgerinnen und Bürger zuständig. Daneben existierte die Sozialversicherung der Genossenschaftsmitglieder und der selbständig Tätigen bei der staatlichen Versicherung der DDR. Im Mai 1990 wurde das Sozialsystem der DDR dem der alten Bundesrepublik angeglichen und ab dem 01.01.1991 das gegliederte Sozialversicherungssystem des alten Bundesgebietes auf die neuen Bundesländer übertragen. Inzwischen ist die Zusammenführung der unterschiedlichen Systeme abgeschlossen; es kann grundsätzlich wieder von einer einheitlichen Grundlage ausgegangen werden.
Heute umfaßt die Sozialversicherung rund 90 % der Bevölkerung. Es sind insbesondere Arbeiterinnen, Arbeiter und Angestellte, die gegen die "Wechselfälle des Lebens", also Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Erwerbsminderung, Alter, Pflegebedürftigkeit und Tod, versichert sein müssen. Die Sozialversicherung versucht in diesen Situationen, den Lebensstandard des Versicherten und seine Stellung im Soialgefüge zu erhalten.
Läßt man die Entwicklung des Sozialversicherungsrechts in den letzten Jahrzehnten einmal Revue passieren, so fällt auf, daß die Phase des Auf- und Ausbaus in den fünfziger, sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch stark expandierende Tendenzen gekennzeichnet war. Positiv-rechtlich hat sich dies insbesondere darin niedergeschlagen[9], daß einerseits der von der Sozialversicherung erfaßte versicherungspflichtige bzw. -berechtigte Personenkreis kontinuierlich erweitert, andererseits aber auch das soziale Leistungssystem Schritt für Schritt ausgebaut wurde.
Die Sozialpolitik dieser Jahre wurde dabei maßgeblich von der oftmals eher ergebnisorientierten, zuweilen emotionshehafteten Vorstellung beherrscht, die individuellen und gesellschaftlichen Risiken, denen der einzelne ausgesetzt ist, vorrangig in einer öffentlich-rechtlich organisierten Versicherungsgemeinschaft abzudecken. Diese Organisationsform wurde daher unter sozialstaatlichen Gesichtspunkten oftmals als einzige Möglichkeit angesehen, die wirtschaftlichen Folgen sich realisierender Gefahren für den einzelnen erträglicher zu gestalten. Der Solidargedanke war insoweit stark dominierend.
So achtenswert die Motive eines Sozialgesetzgebers, die individuellen Freiräume des einzelnen soweit als möglich aufzubauen und abzusichern, auch sind, so wichtig ist es auf der anderen Seite, die Motivation des einzelnen zu eigenverantwortlichem Handeln nicht dadurch zu untergraben, daß die Anforderungen an die Gewährung der Sozialleistungen weitgehend von dem Individualverhalten des einzelnen abgekoppelt werden. Auf diese Weise wird ein Motivationsdefizit erzeugt, das befürchten läßt, daß die Mitglieder solcher Sicherungssysteme im Laufe der Zeit ein Sozialverhalten und -bewußtsein entwickeln, das letztlich in einem fordernden Anspruchsdenken gipfelt und all diejenigen staatlichen Maßnahmen als "unsozial" einstuft, die einen gewissen Einsatz eigener Ressourcen voraussetzen.
Das Ziel eines Sozialstaates kann nicht darin bestehen, soziale Sicherheit um jeden Preis zu gewährleisten. Die wesentliche Aufgabe besteht vielmehr darin, soziale Güter dorthin zu transportieren, wo dies mit dem Postulat der sozialen Gerechtigkeit vereinbar ist und dem Freiheitsprinzip unserer Verfassung nicht widerspricht.[10] Nur harmonisches Recht kann geordnete Systeme hervorbringen, die ihrer Steuerungsfunktion gerecht werden und den Normadressaten zu systemadäquaten Verhaltensweisen veranlassen. Dies setzt nicht zuletzt ein inneres Gleichgewicht zwischen den Begünstigungen und Lasten des entsprechenden Systems voraus, was zu der Erkenntnis geführt hat, daß Rechte nicht ohne Pflichten bestehen können. Gerade Pflichten verfolgen den Zweck, die Rechtsunterworfenen zu einem systemadäquaten Verhalten zu motivieren. Diese Verhaltenssteuerung trägt entscheidend dazu bei, einen systemkonformen Gebrauch der eingeräumten Rechte zu gewährleisten und damit das Funktionieren des Systems insgesamt abzusichern.
Aus
dem frühen Mittelalter liegen keine Beweise vor, ob es jemals eine
versicherungsähnliche Form, wie eine "gemeinnützige" Opfergabe gegeben hätte.
Vielmehr gab es damals die eng zusammengeschlossene Bauerngemeinschaft, die
durch das auf Solidarität aufbauende Familienmodell und die gemeinsamen Risiken
wegen Unwetter, schlechter Ernte usw. einen ziemlich wirksamen Ersatz für die
Versicherung anbot. Erst mit dem Erscheinen frühkapitalistischer Arbeitsformen,
sowie der Ansätze vom gemeinsamen, organisierten Auftreten der städtischen bzw.
Bergarbeiterschaft könnte man von den Anfängen des Versicherungsgedankens
sprechen.
Eine
Grundbedingung der Entwicklung der Sozialversicherung war in Ungarn auch der
Umstand, daß eine solche soziale Schicht entstanden ist, deren Vertreter in
ihrer Person - im Gegensatz zum feudalistischen Modell - bereits unabhängig,
beruflich aber sehr abhängig, sogar ausgeliefert waren. Gewisse zusätzliche
Bedingungen wirkten noch verstärkend auf diese Entwicklung ein, so z. B. die
besondere Gefahr, die mit dem Bergbau schon immer verbunden war. Kein Wunder,
wenn die ersten Einrichtungen in der beruflichen Sozialfürsorge sich auf dem
Gebiet des äußerst gefährlichen Bergbaus fanden. Die Selbsthilfe-Tätigkeit der
Bergarbeiter entfaltete sich zunächst unter dem Druck und der Leitung der
Kirche. Sie übernahm anfangs nicht selten die volle Organisation der Selbsthilfe
der Bergleute, darüber liegen uns bereits aus dem Jahre 1224 Angaben vor. Die
Bergleute unterstützten aus ihren Beiträgen in erster Linie ihre krank und alt,
daher arbeitsunfähig gewordenen Kollegen. Die Blütezeit der sog. Büchsenkassen
(ung. "Bányatárslúda" = gemeinsame Bergwerksbüchse) ist auf das Ende des 15. und
den Anfang des 16. Jahrhunderts zu setzen. Die erste Büchsenkasse in Ungarn,
worüber uns Dokumente verblieben, wurde 1346 in einem Bergwerk von János Thurzó
eingerichtet. Die Büchsenkasse entstand in jedem Fall aus dem gemeinsamen Willen
des Arbeitgebers und seiner Arbeitnehmer, und sie wurde von der Gemeinde der
Bergwerkleute auf Selbstverwaltungsbasis verwaltet. Ihre finanziellen Mittel
stammten z. T. aus den Beiträgen, die aus dem Lohn der Bergleute abgesetzt
worden sind, z. T. aus der Mithilfe des Arbeitgebers. Die Leistungsformen der
Büchsenkassen waren folgende:
1. im
Falle einer Krankheit: Versorgungsgeld, ärztliche Versorgung, Arzneimittel;
2. im
Falle der Arbeitsunfähigkeit Pension oder Abfindung;
3. die
Versorgung von Witwen und Waisen;
4. Beerdigungsfórderung
(Sterbegeld).
Die
Organe der Büchsenkassen waren die Vollversammlung (közgyülés), die Körperschaft
der sog. "Büchsenväter" (társládaatyók), und der Sekretär (jegyzö). 1778 wurde
dann die verbindliche Organisierung der Büchsenkassen in jedem königlichen
Bergwerk Ungarns angeordnet. Das österreichische Bergwerksgesetz aus dem Jahre
1854, das auch in Ungarn in Kraft gesetzt wurde, verfügte, daß jeder
Bergwerkeigentümer zur Hilfe aller von ihm angestellten Bergleute sowie ihrer
Angehörigen je eine Büchsenkasse errichten soll. Dieses Gesetz wurde jedoch für
die kleineren, finanziell schwächeren Bergwerke mit weniger Mannschaft nicht
angewendet. Darüber hinaus gab es keine Wechselseitigkeit zwischen den einzelnen
Büchsenkassen, d. h. wenn ein Bergmann zu einem anderen Bergwerk wechselte, dann
verlor er alle Rechte, die er bei der früheren Büchsenkasse erwarb.
Die
industrielle Arbeiterschaft ihrerseits richtete z. T. nach diesem Muster ihre
Hilfsvereine, und Hilfskassen (segélyegyletek, segélypénztórak) ein. Dabei
spielten natürlich die Zunfttraditionen und später auch bestimmte
Rechtsvorschriften eine beträchtliche Rolle. Seit den 1840er Jahren werden
nämlich regelmäßig Gesetze erlassen, die die Arbeitgeber zur Pflege und
Unterstützung ihrer Arbeitnehmer, Gehilfen und Lehrlinge verpflichten, die eine
Krankheit bzw. einen Unfall erlitten. Das Gesetz Nr. XVII von 1884 über Gewerbe
und Industrie verankert z. B., daß die Körperschaften der Gewerbe und Industrie
(ipartestületek) zur Einrichtung von Hilfskassen verpflichtet sind. Gemäß diesem
Gesetz entstanden zahlreiche Kassen vor allem in den größeren Fabriken. Die
betroffenen Arbeiter gründeten auch oft ihre Arbeitervereine (munkásegyletek)
mit dem Zweck, die kranken Arbeiter zu versorgen. Einer der ältesten Vereine,
der Pension- und Krankenpflegevereín des Handels von Budapest wurde z. B. 1846
gegründet. Der Hilfsverein der Drucker entstand bloß zwei Jahre danach. 1869
gründete man den Verein für die Bildung der Arbeiter (Munkásképzö Egylet), im
Rahmen dessen die Allgemeine Arbeiterkranken- und Invalidenkasse (ÁltaIános
Munkásbetegsegélyezö és Rokkantpénztär, 1870) eingerichtet wurde. Zweck der
Kasse war, im Falle der Krankheit bzw. Invalidität des Arbeiters
Versorgungshilfe, im Sterbefall Sterbegeld zu gewähren. Nach dem Statut konnte
jeder Mann und jede Frau zwischen 12 und 60 Jahre Mitglied sein. Die Mitglieder
wurden dann in drei Altersgruppen und vier Zahlungsklassen eingeteilt. Die Höhe
der Beiträge und Beihilfen wurde je nach Klasse verschieden festgelegt. Jedes
Mitglied war berechtigt, ärztliche Versorgung bzw. Arznei zu beziehen. Das
Beihilfegeld wurde 26 Wochen lang in voller Höhe nach Altersgruppe und
Zahlungsklasse ausgezahlt. Dann bestand die Möglichkeit, weitere 26 Wochen lang
die Hälfte des vollen Betrages zu bekommen. Die Kosten eines
Krankenhausaufenthaltes standen ebenfalls 26 Wochen lang dem Versicherten zu.
Die Mutter bekam die Gebärungshilfe 1 Woche lang, wenn sie aber längere Zeit
nach der Geburt noch immer erwerbsunfähig war, erhielt sie die Hälfte 26 Wochen
lang. Vor der Einführung der Versicherungspflicht 1891 machte die Gesamtanzahl
der Privatversicherten etwa 40 % aller Arbeiter und Arbeiterinnen in Ungarn aus.
Eine
entscheidende Wende des ungarischen Sozialversicherungswesens brachte die
Versicherungspflicht. In Ungarn fungierte in dieser Hinsicht das Gesetz Nr. XIV
von 1891 über das Krankenversicherungswesen als bahnbrechend. Der persönliche
Anwendungsbereich dieses Gesetzes erstreckte sich auf alle Arbeiter und
Angestellten, die in Bereichen des Bergbaus, der Metallindustrie, des Bauwesens,
der Eisenbahnen, der Telekommunikation (Postwesen), der Schiffahrt und des
sonstigen Transportwesens tätig waren. Als Leistung erhielten die Versicherten
gemäß dieses Gesetzes ärztliche Behandlung, Arznei, Krankengeld für die Periode
der Erwerbsunfähigkeit, max. aber für 20 Wochen, oder die Kosten eines
Krankenhausaufenthaltes, 4 Wochen Kindbetthilfe sowie Sterbegeld. Die Höhe des
Krankengeldes betrug in jener Epoche 50 % des beitragpflichtigen Lohnes. Ein
Drittel der Beiträge wurde von den Arbeitgebern, zwei Drittel von den
Versicherten entrichtet. Der Beitragsschlüssel soll 2–5 % gewesen sein. Die
Pflichtversicherung konnte laut Gesetz von den Betroffenen selbst in Form von
Krankenkassen organisiert werden, die ihrerseits in den Bezirken, innerhalb von
Firmen oder der Körperschaften der Gewerbe und Industrie bzw. durch privat
gegründete Vereine eingerichtet werden konnten. Die Direktion der so zustande
gekommenen Krankenkassen oblag den Selbstverwaltungen, über die die
Körperschaften der Gewerbe und Industrie, sowie der Handelsminister Aufsicht
ausübten. Dem Minister kam auch die Aufgabe der Bewilligung des jeweiligen
Krankenkassen-Statutes zu. Es gab 1891 gut 450.000 Pflichtversicherte in Ungarn.
Davon wurden 250.000 im Rahmen der Bezirkskrankenkassen, der Rest bei Firmen-
oder sonstigen Krankenkassen versichert. Die mit der Versicherungspflicht
zusammenhängenden Aufgaben wurden von etwa 100 Krankenkassen wahrgenommen. Das
bedeutet eine ziemlich große Versplitterung, die ernsthafte Schwierigkeiten bei
der Erfüllung der Versicherungsaufgaben ergab und die administrativen Kosten
wesentlich vermehrte. Oft kam es vor, daß die Versicherungsgesellschaften nicht
einmal ihren gesetzlich vorgeschriebenen Grundaufgaben nachkommen konnten.
Die
Mängel des ersten Versicherungspflichtgesetzes wurden bald gut ersichtlich.
Hauptsächlich mußte man zwei Probleme so rasch wie möglich lösen: Die
zersplitterte Struktur sollte vereinheitlicht, die übrigen Zweige des
Versicherungswesens sollten organisiert werden. Das Gesetz Nr. XIX von 1907
schuf dementsprechend das einheitliche und zentralisierte
Krankenversicherungssystem und die Einrichtung der Unfallversicherung. Der Kreis
der Versicherten wurde erweitert, die Familienangehörigen des Versicherten
wurden mitversichert, also zur Versorgung und Pflege berechtigt. Die Kosten
wurden zur Hälfte von den Arbeitgebern, zur Hälfte von den Arbeitnehmern
gedeckt. Die Vertretung in den Selbstverwaltungsorganen wurde auch an dieses
Verhältnis angepaßt. Dieses System war dann wesentlich effektiver, als das
vorausgehende, doch mußte man noch mit etlichen Schwierigkeiten rechnen. Das
größte Problem war, daß die Zentralkrankenkasse mit ihrer Tätigkeit praktisch
ohne jedwede finanzielle Grundlage anfing, und die Einnahmen zur Deckung der
Ausgaben unzulänglich waren, zum Teil, weil die Beiträge irreal festgesetzt
wurden, zum Teil weil ein beträchtlicher Teil der Arbeitgeber, unter Berufung
auf die Wirtschaftskrise und den Balkankrieg, ihre Einzahlungen nicht zeitgemäß,
oder gar nicht leisteten.
Dem
ersten Weltkrieg folgte eine schwere Lage auch im Bereich der
Sozialversicherung. Ungarn verlor riesige Gebiete, und die Wirtschaft mußte neu
organisiert werden. Die Heilanstalten der Zentralkrankenkasse (Orszúgos Pénztár)
sowie der Bezirkskrankenkassen gingen während der vier Kriegsjahre zugrunde, die
Ausrüstung wurde zerstört, und die Nachkriegsinflation höhlte die
wirtschaftliche Leistungskraft der Krankenkassen aus. In einer derartigen
Situation fand die wohl eigenartigste Periode der ungarischen Geschichte, die
kaum mehr als 300 Tage der sog. "Räterepublik" statt. Die kommunistische
Räterepublik, die 1919 in Ungarn herrschte, war bestrebt, das äußerst
komplizierte Sozialversicherungswesen zu vereinheitlichen. Die Verordnungen, die
durch die Räteregierung erlassen wurden, schlossen die Arbeitgeber aus den
Selbstverwaltungen aus, und vertrauten die Vertretung der Arbeiterschaft den
Arbeitern selbst an. Der "Revolutionäre Regierungsrat" betonte in weiteren
Verordnungen, daß alle Arbeiter, auch die Landarbeiter versichert sind. Das ist
wohl insofern von Belang, weil die Landarbeiter früher nicht zur Gruppe der
Pflichtversicherten gehörten. Gemäß Verordnung ist Arbeiter jeder Mensch, der in
verstaatlichtem bzw. privatem Dienst gegen Lohn oder Gehalt arbeitet. Die Zeit
der Krankenbeihilfe wurde von 20 Wochen auf ein Jahr erhöht. Die diesbezüglichen
Regierungsratsverordnungen brachten noch weitere grundlegende Begünstigungen für
die Arbeiter, die Beiträge wurden allerdings auch erhöht, und zwar auf 6 % des
Tageslohnes. Die Beitragspflicht der Arbeitgeber wurde aber nur in der
verstaatlichten Industrie und in der Verwaltung verwirklicht. Im staatlichen
Sektor war es nämlich nicht erlaubt, die Beiträge auf die Arbeiter bzw.
Angestellten zu überwälzen. Die Räterepublik hatte noch vor, weitere
Bestimmungen während ihrer Tätigkeit zu erlassen, die das Rentenwesen zu regeln
hätten. Die Weiterentwicklung des Sozialversicherungswesens wurde dadurch
verhindert, daß die Räterepublik noch im selben Jahr ( 1919) stürzte, und in der
letzten Periode ihres Bestehens hatte sie keine Möglichkeit mehr, ihre
politischen Vorstellungen umzusetzen.
Nach
dem Sturz der Räterepublik bemühte sich die neue Regierung, alles abzuschaffen,
was mit dem vorausgehenden kommunistischen Regime in Verbindung war. Das
Selbstverwaltungssystem im Sozialversicherungswesen wurde ebenfalls abgeschafft.
Die Leitung der Sozialversicherung wurde in den paar darauffolgenden Jahren (bis
1927) von ministeriellen Beauftragten wahrgenommen. Alle von der Räterepublik
getroffenen Maßnahmen wurden später methodisch außer Kraft gesetzt, einige
blieben aber trotzdem bestehen. So wurde die Zeit der Krankenbeihilfe auf 1 Jahr
erhöht, die Höhe des Krankengeldes wurde auf 60 % (nach der vierten Woche der
Erwerbsunfähigkeit 75 %) festgesetzt, es wurde die Schwangerschaftsbeihilfe
eingeführt usw. Das so gestaltete System wurde aber nur schwer durchschaubar,
darüber hinaus verursachten die Inflation und die rechtlichen Fragen weitere
Schwierigkeiten.
Die
erneute Umstrukturierung der Krankenversicherung erschien wieder notwendig. Dies
wurde mit dem Gesetz Nr. XXI von 1927 erledigt. Dieses Gesetz entwickelte die
organisatorische Zentralisierung weiter. Die örtlichen Organe verloren ihre
Rechtspersönlichkeit, nur das Nationale Institut konnte sich nunmehr als
alleinige Rechtsperson behaupten. Die unteren Organe erließen ihre Bescheide im
Namen des Nationalen Institutes. Der Kreis der Pflichtversicherten wurde auch
etwas erweitert (auf die Anwaltskanzleien, ärztliche Ordinationen, Handels- und
Gewerbekammer), die Landarbeiter blieben aber weiterhin ausgeschlossen - ein
Artikel des Gesetzes untersagte ausdrücklich auch ihren eventuellen freiwilligen
Beitritt. Die Versorgungsregel blieben im wesentlichen unverändert, es wurde
aber noch die Einrichtung der Versorgung der Berufskrankheiten eingeführt. Da
das neue System mathematisch unbegründet und die ganze Organisation allzu groß
war, sowie die Betriebskosten übermäßig hoch waren, zeigten sich innerhalb von
Jahren riesige Defizite im Haushalt der Sozialversicherung. Die Beiträge wurden
dementsprechend erhöht, die Beihilfen und sonstigen Leistungen hingegen gekürzt.
Mit
dem Gesetz Nr. XL von 1928 wurde das System der Alters- und
Invalidenversicherung geschaffen. Der Kreis der Versicherten stimmte im
wesentlichen mit dem der übrigen Sozialversicherungssubjekten überein. Die
Landarbeiter waren hier auch nicht mit einbegriffen. Es gab zwar in den 1930er
Jahren Versuche, den Kreis der Versicherten nach Möglichkeit zu erweitern,
besonders mit den Gesetzen Nr. XXXVI von 1936, Nr. XII von 1938 und Nr. XVI von
1939. Die volle Erfassung der Gesamtbevölkerung blieb jedoch eine Utopie. 1944,
im vorletzten Kriegsjahr, wurde die Pensionsaltersgrenze von 65 auf 60 gesenkt,
das konnte aber wegen der allgemein bekannten Ereignisse kaum durchgesetzt
werden.
Zusammenfassend
läßt sich also feststellen, daß den Tendenzen der sozialpolitischen Entwicklung
in Westeuropa in Ungarn erst mit einer beträchtlichen Verspätung gefolgt wurde.
Hinzu kam, daß das ganze Sozialversicherungswesen von inneren Widersprüchen
ständig geschwächt wurde. Die Sozialversicherung umfaßte bloß eine relativ
schmale Gesellschaftsschicht, 1938 z. B. war nur 31"% der Gesamtbevölkerung
versichert. Besonders bedauernswert war, daß die Bauern und Landarbeiter, die
einen wesentlichen Teil der Bevölkerung ausmachten, nur mit einer ziemlichen
Verspätung und dann auch mangelhaft Schutz von der Sozialversicherung erhielten.
Die Struktur des Sozialversicherungswesens war auch vielfältig. Verschiedene
"Institute" kümmerten sich um die verschiedenen Kategorien der Versicherten. Es
gab wesentliche Unterschiede in den Bedingungen und dem Ausmaß der Leistungen,
darüber hinaus war das Rechtsmaterial der Sozialversicherung auch ein
undurchsichtiges, verflochtenes Gewebe. Die Hälfte der Beiträge wurde von den
Arbeitnehmer entrichtet, doch nahm ihre Repräsentation innerhalb der
Selbstverwaltungen ständig ab. Die Kontrollmöglichkeiten wurden schrittweise
auch zurückgedrängt. So ist es kein Wunder, daß immer größere Skandale im
Zusammenhang mit der Sozialversicherung ausbrachen. Vor dem zweiten Weltkrieg
konnte also keine besonders vertrauensvolle Atmosphäre um die Sozialversicherung
entstehen.
Die
Zerstörungen des zweiten Weltkrieges verschonten auch die Einrichtungen der
Sozialversicherung nicht. Die wertvollsten Immobilien und das gesamte
Geldvermögen wurden von den immer wieder wechselnden Besatzungsarmeen
weggeschleppt; laut Angaben aus dem Jahre 1946 betrugen die Kriegsverluste der
Sozialversicherung annähernd 160 M $. Der Ministerrat (die Regierung) mußte also
eingreifen, und gewährte der Sozialversicherung eine Soforthilfe, die letzten
Endes die finanzielle Grundlage der (auch heutigen) modernen ungarischen
Sozialversicherung abgab. Doch durfte man noch nicht einmal an die grundlegende
Umstrukturierung des Institutionensystems der Sozialversicherung denken. Dazu
benötigte man zunächst die politische Stabilität und eine aktuelle und gültige
Konzeption. Nicht zuletzt mußte man das ganze Sozialversicherungswesen von den
diskriminativen Elementen befreien. Die Versicherungsaufgaben wurden aber
weiterhin von mehr als 30 Versichern versehen. Die Zusammensetzung der
Selbstverwaltungen veränderte sich aber: Zwei Drittel der Delegierten wurde aus
den Reihen der Arbeitnehmer entsandt, während das restliche Drittel die
Vertreter der Arbeitgeber ausmachten. Parallel dazu ging ein sehr relevanter
Prozeß vor sich. Die Mehrheit der großen Unternehmen, Fabriken usw. wurden
verstaatlicht. Da der Staat viele Großarbeitgeber einfach aufkaufte bzw. ihre
Fabriken beschlagnahmte, mußte er bald als der größte Arbeitgeber auftreten.
Dementsprechend gingen die bei den Firmenkrankenkassen Versicherten automatisch
zu den staatlichen Versicherungsgeber über. 1948 wurde zu diesem Zweck die
Zentrale Pensionskasse der Verstaatlichten Unternehmen (Állami Vállalatok
Központi Nyugdijpénztára) eingerichtet. Seit I948 wurde der Kreis der
Versicherten noch erweitert. 1949 erfaßte die Krankenpflichtversicherung die
Seelsorger und ihre Angehörige der anerkannten Kirchen und Konfessionen, 1950
die Universitäts- und Hochschulstudenten. 1951 wurden die Genossenschaften der
Kleingewerbe auch versichert: Seit 1954 stand der Abschluß eines
Krankenversicherungsvertrages praktisch jedem offen.
Aus
juristischer Sicht erscheint wichtig, die Gesetzesverordnung Nr. 39 vom Jahre
1955 zu nennen. Dies war die erste Rechtsvorschrift, die mit dem bis dahin
herrschenden Prinzip der "materiellen Versicherung" brach. Von da an war die
Basis der Versicherung das sog. "Personenversicherungssystem". Das heißt ferner
, daß es nicht mehr untersucht wurde, bei welchem Arbeitgeber man angestellt
ist, der Versicherungsstatus wurde vielmehr nach dem jeweiligen Beruf bestimmt.
Das Niveau der Leistungen wurde auch verbessert, und die einzelnen
Versorgungsformen wurden auch für längere Zeit gewährt. Auch die Struktur der
Sozialversicherung wurde verändert. Die beiden größten Versicherungsinstitute
fusionierten bereits 1949, die kleineren Institutionen gingen schrittweise darin
auf. Die Leitung der Sozialversicherungsorganisation wurde den Gewerkschaften
anvertraut, denen der Nationalrat der Gewerkschaften (SZOT) vorstand.
Der
1. Januar 1958 war die Geburtsstunde des ersten genossenschaftlichen
Rentensystems, wo auch diejenigen mitversichert werden, die wegen ihres Alters
bzw. ihrer Erwerbsunfähigkeit an der gemeinsamen Arbeit nicht teilnehmen können.
Genau ein Jahr danach trat die Gesetzesverordnung Nr. 40 vom Jahre 1958 über das
einheitliche Rentensystem in Kraft. Die Gesetzesverordnung Nr. 6 vom Jahre 1964
führte zur Vereinheitlichung der Struktur der Sozialversicherung und ihrer
Leitung durch die Gewerkschaften. Das Gesetz über das Gesundheitswesen aus dem
Jahre 1972 besagte, daß alle ungarischen Staatsbürger zur unentgeltlichen
ärztlichen Versorgung berechtigt sind. Nach eingehenden Vorbereitungsarbeiten
entstand das, bis 1997 geltendes, Gesetz über die Sozialversicherung (Gesetz Nr.
II von 1975), das das ganze Spektrum des ungarischen Sozialversicherungswesens
umfaßte und nach einheitlichen Prinzipien regelte. Dieses Gesetz wurde jedoch
mehrmals novelliert, die wichtigsten Novellen sind die folgenden:
·
1984
wurde die strukturelle und funktionelle Ordnung der Sozialversicherung
umgestaltet (Gesetzesverordnung Nr. 5 von l984).
·
Am
1. März 1985 trat die Regierungsverordnung über die Kinderbeihilfe in Kraft
(3/1985. (I.17) MT).
·
Mit
dem Gesetz Nr. XXV von 1990 wurde die Berechtigung zur Familienbeihilfe bloß an
die Staatsbürgerschaft geknüpft. Dafür ging die, bis dahin automatische,
Krankenversorgung in das Sozialversicherungswesen hinein.
·
1991
wurde das Gesetz verabschiedet, das die Selbstverwaltungen wieder in das
Sozialversicherungswesen einführte (Gesetz Nr. LXXXIV von 1991)[11]
Die
heute geltenden Bestimmungen auf dem Gebiet der sozialen Gesetzgebung sind
folgende:
·
Gesetz
Nr. III von 1993 über die Sozialleistungen;
·
Gesetz
Nr. XXII von I992 über das Arbeitsgesetzbuch;
·
Gesetz
Nr. XXXI von 1997 über den Schutz der Kinder;
·
Gesetz
Nr. LXXX von 1997 über die Sozialversicherung und die Privatrentenversicherung;
·
Gesetz
Nr. LXXXI von 1997 über das Rentenwesen; Gesetz Nr. LXXXII von 1997 über die
Pensionskassen;
·
Gesetz
Nr. LXXXII von 1997 über die Versorgungen der
Krankenpflichtversicherung.
Die
Sicherung eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie eines hohen Maßes an sozialem
Schutz ist eines der grundlegenden Ziele der Gemeinschaft, das ausdrücklich
unter den Aufgaben in Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union
aufgeführt ist. Der Sozialschutz ist ein grundlegender Bestandteil und – da
nationale Sozialversicherungssysteme sich im Laufe der Zeit abhängig von
nationalen Bedürfnissen und Prioritäten entwickelt haben - ein
Unterscheidungsmerkmal des europäischen Gesellschaftsmodells.
Im
Juli 1992 verabschiedete der Rat eine Empfehlung über die Annäherung der Ziele
und der Politik im Bereich des sozialen Schutzes. Das Ziel dieser
Annäherungsstrategie bestand darin, gemeinsame Ziele festzulegen, die die
Politik der Mitgliedstaaten leiten sollten, um die Koexistenz unterschiedlicher
einzelstaatlicher Sozialschutzsysteme zu ermöglichen und sie sowohl im Einklang
miteinander als auch in Übereinstimmung mit den grundlegenden Zielsetzungen der
Gemeinschaft weiterzuentwickeln.
Jeder
Mitgliedstaat ist für Gestaltung und Finanzierung seines eigenen
Sozialschutzsystems selbst verantwortlich. Angesichts der gemeinsamen
Herausforderungen, denen sich die Mitgliedstaaten in diesem Bereich
gegenübersehen, kommt jedoch der Erörterung dieser Fragen auf europäischer Ebene
erheblicher Wert zu. Demzufolge legte die Kommission Ende 1995 eine Mitteilung
mit dem Titel "Rahmen für eine europäische Debatte über die Zukunft des
Sozialschutzes" vor und regte an, daß die Gemeinschaftsinstitutionen gemeinsam
mit den Mitgliedstaaten prüfen sollten, mit Hilfe welcher Maßnahmen der
Sozialschutz beschäftigungsfreundlicher und effizienter gemacht werden
könnte.
|
% des
BIP |
Alter/Hinterbliebene % der
Gesamtausgaben |
Arbeitslosigkeit % der
Gesamtausgaben |
|
1995 1994 |
1994 1980 |
1994 1980 |
Belgien |
29,7 27,0 |
44,2 41,5 |
11,0 11,6 |
Dänemark |
34,3 33,7 |
36,6 35,7 |
16,8 12,9 |
Deutschland |
29,4 30,8 |
41,2 42,6 |
9,2 4,5 |
Griechenland |
20,7 16,0 |
66,6 66,1 |
2,7 2,7 |
Spanien |
21,9 23,6 |
42,6 41,0 |
18,1 15,7 |
Frankreich |
30,6 30,5 |
43,7 43,9 |
8,1 5,1 |
Irland |
19,9 21,1 |
27,5 31,4 |
17,2 8,8 |
Italien |
24,6 25,3 |
64,0 55,1 |
2,5 2,3 |
Luxemburg |
25,3 24,9 |
46,0 47,5 |
2,3 0,9 |
Niederlande |
31,6 32,3 |
36,8 31,0 |
10,4 6,1 |
Portugal |
20,7 19,5 |
40,1 39,4 |
5,8 2,8 |
Vereinigtes Königreich |
27,7 28,1 |
41,3 42,8 |
7,3 9,6 |
EU
12 |
28,6 |
44,2
43,3 |
9,2
6,4 |
Österreich |
29,7 30,2 |
44,5 |
5,3 |
Finnland |
32,8 34,8 |
32,3 |
15,2 |
Schweden |
35,6 |
|
|
EU
15 |
28,4 |
|
|
Quelle: Eurostat 1997/1998
Die
Aufwendungen für den Sozialschutz machen inzwischen rund 28 % des BIP der
Europäischen Union aus, wobei die Werte der einzelnen Staaten von knapp 20 % bis
über 35 % reichen. Sie spielen in bezug auf Einkommensumverteilung und sozialen
Zusammenhalt, politische Stabilität und wirtschaftlichen Fortschritt eine
wesentliche Rolle. Je flexibler das Erwerbsleben wird, desto mehr verlangen die
Bürger von ihren Sozialschutzsystemen Sicherheit. Ein guter Sozialschutz und ein
erfolgreiches Wirtschaftsleben unterstützen sich daher gegenseitig. Diese Sicht
des Sozialschutzes wird durch eingehende internationale Vergleiche untermauert,
die darauf hindeuten, daß bei Berücksichtigung der privaten wie auch der
öffentlichen Ausgaben die Gesamtaufwendungen der privaten Haushalte für
Sozialschutz, Gesundheitswesen und Renten in einer Reihe entwickelter
Industrieländer verhältnismäßig einheitliche Werte aufweisen6.
Ferner haben Mitgliedstaaten mit einem starken sozialen Netz häufig im Hinblick
auf Pro-Kopf-BIP oder Zahlungsbilanz bessere Ergebnisse zu verzeichnen als
Mitgliedstaaten mit einer schlechteren Absicherung. Auf der anderen Seite ist
eine gesunde und leistungsfähige Volkswirtschaft die Voraussetzung für ein hohes
Sozialschutzniveau. Die Vollendung des Binnenmarkts wird dazu beitragen, diese
Voraussetzung zu erfüllen. Die Gründe dafür, daß die Sozialschutzsysteme
reformiert werden müssen erwachsen nicht aus dem Wettbewerb mit Drittstaaten.
Freihandel und Globalisierung sollten nicht als Bedrohung für das europäische
Sozialmodell gesehen werden.[12]
Nach einem Bericht von Eurostat liegen die Sozialschutzausgaben je Einwohner zwischen 7.725 KKS[13] in Luxemburg bzw. 6.391 KKS in Dänemark und 2.250 KKS in Griechenland. Gemessen am BIP[14] der Steuern und Sozialabgaben zahlt Schweden mit 54,1 % mehr als jeder andere EU-Mitgliedsstaat. Im Verhältnis zum BIP der EU-15 gingen die Sozialschutzausgaben im Zeitraum 1994-1995 von 28,6 auf 28,4 % zurück.[15] In Dänemark fallen die Steuern viel stärker ins Gewicht als die Sozialabgaben, in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden ist es genau umgekehrt. Diese Zahlen lassen aber lediglich Entwicklungstendenzen erkennen und sagen nichts über die konkrete Belastung der einzelnen Bürger und Unternehmen aus. In den meisten Mitgliedsstaaten entfiel 1995 das Gros der Sozialausgaben auf Alters- und Hinterbliebenenrenten.[16]
Bereits
seit 19598
verfügt die Union über ein europäisches System zur Koordinierung der
Sozialversicherungssysteme der Mitgliedstaaten, das die Rechte der
Wanderarbeitnehmer in der Union schützt. Dies bedeutet, daß der soziale Schutz
einer beachtlichen Zahl von Menschen ganz oder teilweise von einem gut
funktionierenden Koordinierungssystem abhängt. Da Koordinierung ein dynamischer
Prozeß ist, der die Entwicklung der einzelstaatlichen Sozialschutzsysteme und
die wechselnden Erfordernisse widerspiegelt, muß das Koordinierungssystem
vereinfacht und reformiert werden, um es an die neuen Erfordernisse anzupassen,
die sich aus neuen Formen des Sozialschutzes und neuen Migrationsmustern
ergeben. Die Wanderungsbewegungen erstrecken sich zunehmend auf
hochqualifizierte Arbeitnehmer, für die ergänzende Sozialschutzsysteme von
besonderer Bedeutung sind
Die
heutigen europäischen Sozialschutzsysteme wurden unmittelbar nach dem Zweiten
Weltkrieg konzipiert. Sie sollten ein Ersatzeinkommen für Arbeitnehmer
garantieren, die entweder vorübergehend (wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit)
oder endgültig (wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit oder Ruhestand) ihre
Erwerbstätigkeit aufgeben mußten. Damit trugen sie recht wirksam zur Linderung
der Armut bei, doch sieht sich der soziale Schutz jetzt einem neuen Phänomen,
der Ausgrenzung, gegenüber. Es handelt sich dabei um ein Zusammentreffen
mehrerer Arten von Deprivation: Mangel an Bildung, sich verschlechternder
Gesundheitszustand, Obdachlosigkeit, Verlust der familiären Unterstützung,
Nichtbeteiligung am regulären gesellschaftlichen Leben und Mangel an
Beschäftigungsmöglichkeiten.
Sozialschutz
allein kann nicht jede Ausgrenzungssituation beseitigen. Er kann jedoch den
ausgegrenzten Menschen nicht nur zu einem Einkommen verhelfen, das ihnen
weiterhin ein Leben in menschlicher Würde ermöglicht, sondern auch die
Wiedereingliederung der Betroffenen in die Gesellschaft erleichtern.
Ein
weiteres Problem ist die Alterung der Bevölkerung in Europa. Es ist nicht nur
dafür Sorge zu tragen, daß die staatlichen Rentensysteme langfristig
finanzierbar sind, sondern es wird auch immer bedeutender, zu gewährleisten, daß
die heutigen Beschäftigten und künftigen Rentner im Ruhestand über ein
Einkommensniveau verfügen, das sie vor einer Senkung ihres Lebensstandards
bewahrt. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, ist die Förderung der Bildung von
Zusatzrenten, die im Kapitaldeckungsverfahren finanziert werden. Rentenfonds
können durchaus parallel zu den öffentlichen Systemen, die im Umlageverfahren
finanziert werden, in den Ländern bestehen, in denen sich solche Systeme
zunehmend durchsetzen.
In
praktisch allen Mitgliedstaaten sieht das Sozialschutzsystem auch bestimmte
Regelungen vor, die die soziale Absicherung einer Person von ihrer familiären
Situation abhängig machen, also davon, ob sie z. B. ledig oder verheiratet ist,
ob sie mit jemandem zusammenlebt usw. Abgeleitete Ansprüche haben in der
Vergangenheit viele Menschen vor Armut bewahrt. Abgeleitete Ansprüche stellen in
gewisser Hinsicht jedoch auch ein Problem dar. Sie begründen ein
Abhängigkeitsverhältnis von der Person, die einen unmittelbaren Anspruch auf
Sozialleistungen hat. Zum zweiten können abgeleitete Ansprüche Frauen davon
abhalten, in den Arbeitsmarkt einzutreten, oder auch einen Anreiz bieten, Jobs
in der informellen Wirtschaft – ohne soziale Absicherung – anzunehmen. In
einigen Ländern bleibt man, wenn man einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht,
gänzlich von der Sozialversicherung ausgeschlossen.
Die
nationalen Gesundheitssysteme in den Mitgliedstaaten unterscheiden sich
insoweit, als jedes System das Spiegelbild einer einzigartigen Konstellation
historischer und kultureller Entwicklungen ist. Dennoch lassen sich die
Gesundheitssysteme in der Europäischen Union in zwei Hauptgruppen unterteilen:
zum einen in die Gruppe der Mischformen von Systemen, die sowohl private als
auch öffentliche Leistungsträger in Anspruch nehmen, die vorwiegend aus
Beiträgen zur obligatorischen Krankenversicherung finanziert werden, und zum
anderen die Gruppe der nationalen Gesundheitsdienste, bei denen die Erbringung
der Leistungen und die Finanzierung im wesentlichen durch die öffentliche Hand
erfolgen.
Die
Gesamtausgaben für das Gesundheitswesen variieren in den Mitgliedstaaten
zwischen gut 5 % des BIP und annähernd 10 %. In absoluten Werten ausgedrückt
steigen die Ausgaben seit vielen Jahren, und in sämtlichen Mitgliedstaaten wird
die Belastung der dortigen Gesundheitsdienste ständig größer. So betragen
beispielsweise die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheitsversorgung zugunsten sehr
alter Menschen das Fünffache der Ausgaben für eine Person im Erwerbsalter. Da
die Altersgruppe der über 75jährigen in den kommenden 20 Jahren um annähernd 50
% zunehmen wird, werden sich daraus signifikante Auswirkungen auf die
Gesamtausgaben für die Gesundheitsversorgung ergeben. Diese Entwicklung ist
nicht nur durch die demographischen Veränderungen bedingt, sondern auch auf die
wachsenden Ansprüche, die an das Gesundheitssystem gestellt werden,
zurückzuführen.
Diese
Belastung, der sich die Gesundheitssysteme ausgesetzt sehen, hat dazu geführt,
daß die Mitgliedstaaten eine Reihe von Reforminitiativen sowohl zur Verbesserung
des Leistungsstandes der Gesundheitsversorgung insgesamt so daß sich daraus
Mehrwerte für den Bereich Gesundheit ergeben als auch zur Verbesserung der
Effizienz der erbrachten Leistungen ergriffen haben. In ihrem Bestreben nach
Verbesserung der Effizienz der Gesundheitssysteme versuchen einige
Mitgliedstaaten – allerdings unter Vorgabe angemessener rechtlicher
Rahmenbedingungen und Sicherheiten – eine Wettbewerbssituation zwischen den
privaten wie öffentlichen Versicherern im Gesundheitsbereich zu schaffen.
Um
Freizügigkeit in Europa zu gewährleisten, ist es erforderlich, die
einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren, und davon,
wie weit das gelingt, wird letztlich das Zusammenwachsen Europas abhängen.
B. Gesetzliche
Mitwirkungspflichten außerhalb des SGB
Der Begriff und das Phänomen "Mitwirkung" ist der deutschen Rechtsordnung nicht unbekannt. In den drei grundliegenden Rechtsgebieten, dem Zivil-, dem Straf- und dem Öffentlichen Recht sind die unterschiedlichsten Formen gesetzlicher Mitwirkungshandlungen verankert. Versucht man diese Mitwirkungshandlungen einer grundsätzlichen Klassifizierung zuzuführen, so kristallisieren sich insbesondere zwei Grundtypen heraus. Dies sind zum einen die auf ein bestimmtes Verfahren bezogenen Mitwirkungshandlungen und zum anderen materiell-rechtliche Verhaltensregelungen, die die inhaltliche Seite der konkreten Rechtsbeziehung betreffen. Unabhängig davon, ob gesetzlich normierte Mitwirkungshandlungen im verfahrensrechtlichen oder materiellrechtlichen Bereich statuiert sind, wird vom Normadressaten erwartet, daß er sich in bestimmter Weise verhält, also gewissen Verhaltensanforderungen nachkommt, um ein bestimmtes, gesetzlich vorgegebenes Regelungsziel nicht zu gefährden. Zwischen dem Systemzweck und der rechtlichen Ausgestaltung der erwarteten Verhaltensanforderungen müssen gewisse Interdependenzen bestehen, die sowohl eine Über- als auch eine Unterforderung des vom einzelnen erwarteten Verhaltens verhindern sollen.
I.
Mitwirkung im
Zivilprozeß
Im Zivilprozeß ist der Kläger unter anderem für die Darlegung des Prozeßstoffes verantwortlich[17], da es am öffentlichen Interesse fehlt, die Wahrheit von Tatsachen zu ermitteln, die privaten Rechtsbeziehungen zugrunde liegen.[18] Danach bleiben nicht vorgetragene Tatsachen unberücksichtigt, während umgekehrt von Prozeßgegnern nicht bestrittene Tatsachenbehauptungen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dem Urteil zugrunde gelegt werden. Nach § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärung über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben, und die Erklärungspflicht des § 138 Abs. 2 ZPO begründet für jede Partei, wenn sie bestimmte Rechtsnachteile vermeiden will, die Last, sich zu den Tatsachenbehauptungen, die die Gegenpartei im Prozeß aufgestellt hat, zu erklären.[19]
Weitere Aufklärungspflichten erstrecken sich von der Pflicht zur Vorlage bestimmter Urkunden gemäß § 142 ZPO über die Vorlegung bestimmter Akten gemäß § 143 ZPO bis hin zum persönlichen Erscheinen einer Partei gemäß § 141 ZPO. Außerdem gibt es Auskunftspflichten, beispielsweise die des Drittschuldners nach § 840 ZPO oder des Vollstreckungsschuldners nach § 836 Abs. 3 ZPO. Aufgrund der allgemeinen Prozeßförderungspflichten[20] ist jede Partei zu einer sachgemäßen und sorgfältigen Prozeßführung verpflichtet, wenn sie Rechtsnachteile als Folge von Mitwirkungsdefiziten vermeiden will.
In materiell-rechtlicher Hinsicht können neben einer vertraglichen Hauptleistung Nebenleistungspflichten existieren, die in erster Linie der Vorbereitung, Durchführung und Sicherung der Hauptleistungspflicht dienen.[21] Danach schuldet der Verpflichtete aus dem jeweiligen Schuldverhältnis oftmals noch eine konkretisierende Auskunft, Belehrung, Aufklärung oder die Vornahme bzw. das Unterlassen bestimmter Handlungen, um letztlich den Leistungserfolg nicht zu gefährden. Die Nichterfüllung dieser aus dem jeweiligen Schuldverhältnis resultierenden Verhaltenserwartungen kann mit bestimmten Rechtssanktionen verbunden sein.
Außerdem gibt es Nebenpflichten als Ausfluß des in § 242 BGB normierten Gebots, "die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern". Daher dienen diese Pflichten auch nicht der Herbeiführung oder Sicherung des Leistungserfolges, sondern dem Schutz sonstiger Rechtsgüter des Gläubigers. Hierzu zählen insbesondere Treue-, Rücksichts- und Fürsorgepflichten, welche eine ordnungsgemäße Durchführung und Abwicklung des Rechtsverhältnisses gewährleisten sollen[22]. Dazu kann beispielsweise die Pflicht des krank geschriebenen Arbeitnehmers gehören, sich so zu verhalten, daß er schnell wieder gesund wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung kann dabei im Einzelfall die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung rechtfertigen, ohne daß es des Nachweises einer tatsächlichen Verzögerung des Heilungsprozesses bedarf. Die Verletzung dieser Verhaltenserwartungen kann darüber hinaus mit weiteren Rechtsnachteilen, wie einer Haftung aus culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung, verbunden sein.[23]
Die Regelung in § 254 Abs. 2 BGB will den Geschädigten im Rahmen der Schadensentwicklung zu bestimmten Mitwirkungshandlungen motivieren und ist als gesetzliche Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB anzusehen.[24] Danach verstößt derjenige gegen das Gebot des "venire contra factum proprium", der für den erlittenen Schaden vollen Schadensersatz verlangt, obgleich ihm eine Mitverantwortung bei der Entwicklung des Schadens trifft. Nach der herrschenden Meinung[25] handelt es sich hier in rechtpolitischer Hinsicht um Obliegenheitsverletzungen, da es sich bei dieser "Mitverantwortlichkeit" lediglich um ein sogenanntes Verschulden gegen sich selbst handeln soll mit der Folge, daß die Höhe des entstandenen Schadens entsprechend dem Grad des mitwirkenden Verschuldens gekürzt wird.[26]
Außerhalb des Bürgerlichen Rechts im engeren Sinne gibt es im Privatrecht eine Fülle von Mitwirkungshandlungen. Exemplarisch seien hier nur die umfangreichen Auskunfts-, Aufklärungs- Informations-, Beratungs- und sonstigen Mitwirkungspflichten auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts genannt.[27]
II. Mitwirkung im
Strafrecht
Auch im Strafrecht sind verhaltensbezogene Mitwirkungsregelungen nicht unbekannt. So trifft den Beschuldigten unter anderem die Pflicht vor Gericht oder vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen[28] und sich zur Feststellung von Tatsachen untersuchen oder erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.[29]
Strafrechtlich relevante Handlungspflichten ergeben sich beispielsweise aus der tatsächlichen Übernahme der Gewähr für ein bestimmtes Rechtsgut, aus vorangegangenem gefährlichen Tun, aus der Eröffnung einer Gefahrenquelle oder aus konkreten Lebensbeziehungen, und einige Straftatbestände, die das Unterlassen bestimmter Handlungen unter Strafe stellen, sollen damit die jeweiligen Normadressaten zu einem vom Gesetzgeber gewollten, weil der staatlichen Rechtspflege dienlichen Verhalten motivieren. So bedroht § 323 c StGB den mit Strafe, der es unterläßt, bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not Hilfe zu leisten, obwohl dies erforderlich und ihm nach den Umständen auch zumutbar war.[30] Daß der Gesetzgeber es für nötig erachtete, diese Nothilfe strafrechtlich abzusichern, zeigt, welch hohe Erwartungen hier an die Mitwirkung im Bereich der allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht gestellt werden. Strafbar macht sich auch, wer es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige von einer geplanten Straftat im Sinne von § 138 StGB zu machen. Zweck dieser Vorschrift ist es, die Normadressaten zur Mitwirkung an der staatlichen Rechtspflege anzuhalten.[31]
III.
Mitwirkung im
öffentlichen Recht
Nach der Regelung in § 26 Abs. 2 VwVfG sollen die Verfahrensbeteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Trotz der Formulierung als "Soll-Vorschrift" ist diese Norm, die vor allem der Durchsetzung und Verteidigung der Rechte der Beteiligten dient[32], so zu interpretieren, daß eine Mitwirkungsverpflichtung immer dann anzunehmen ist, wenn der Beteiligte dazu ohne weiteres in der Lage ist.[33] Die inhaltliche Konkretisierung dieser Mitwirkungspflicht umfaßt insbesondere die Mitteilung von bekannten Tatsachen und Beweismitteln, die Erteilung von Auskünften, die Zurverfügungstellung von Urkunden und Akten sowie die Gestattung der Augenscheinseinnahme. Eine Verletzung dieser allgemeinen Mitwirkungspflichten hat zwar keine materiell-rechtlichen Konsequenzen[34], doch können den Beteiligten daraus insoweit Rechtsnachteile erwachsen, als die Behörde nicht mehr gehalten ist, von sich aus allen sonstigen denkbaren Erkenntnismöglichkeiten nachzugehen. Darüber hinaus ist sie sogar berechtigt, zum Nachteil der Beteiligten ungünstige Schlüsse hinsichtlich der in Frage stehenden Tatsachen zu ziehen[35], wenn konkrete Anhaltspunkte, die für das Gegenteil sprechen könnten, fehlen.[36]
Beim steuerlichen Verwaltungsverfahren ergibt sich aus § 90 AO die Verpflichtung der Verfahrensbeteiligten zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts. Wichtig ist hier auch die Erteilung von Auskünften nach § 93 AO, die Versicherung an Eides Staat nach § 98 AO sowie die Vorlage von Urkunden nach 97 AO und Wertsachen nach § 100 AO.
Auch im materiellen Verwaltungsrecht gibt es bestimmte Handlungs- bzw. Verhaltenspflichten, die die materielle Bindung zwischen dem Bürger und der Verwaltung betreffen. So enthält das allgemeine Polizeirecht für die Vollzugspolizei die Legitimationsgrundlagen dafür, unter bestimmten Voraussetzungen drohende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden oder eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dadurch zu beseitigen, daß den sogenannten "polizeipflichtigen Personen" bestimmte Handlungen auferlegt werden, z.B. ein verbotswidrig abgestelltes Kraftfahrzeug zu entfernen - oder gar verlangt wird, bestimmte, die Rechtsgütersphäre tangierende Handlungen hinzunehmen, wie z.B. die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Maßnahme oder die Durchsuchung von Personen, Sachen oder Wohnungen.[37] Im Umweltrecht gibt es zur Überwachung der Eigentümer und Anlagenbetreiber eine Reihe von Vorschriften in Naturschutzgesetzen und dem Bundesimmissionsschutzgesetz, die durch bestimmte Nachweis-, Auskunfts- und Anzeigepflichten ergänzt bzw. konkretisiert werden.
Im Bereich des Straßen- und Wegerechts wird vom Eigentümer oder Nutzungsberechtigten eines Grundstücks, das einer öffentlichen Straße dient, verlangt, daß er diejenigen Einschränkungen seiner Rechtssphäre duldet, die sich aus dem Gemeingebrauch ergeben, und im Rahmen des Wasserrechts trifft den Gewässereigentümer die Pflicht, die durch Erlaubnis oder Bewilligung legitimierte Gewässerbenutzung zu dulden.[38]
In vielen Bereichen der Rechtsordnung wird also vom Gesetzgeber die Notwendigkeit bejaht, durch Normierung bestimmter "verhaltensbezogener Mitwirkungspflichten" die Bürger dazu anzuhalten, sich so zu verhalten, daß das vom Gesetzgeber angestrebte Regelungsziel nicht unterlaufen wird. Die inhaltliche Ausgestaltung der "Mitwirkungspflichten" richtet sich maßgeblich daran aus, von welchen Rechtsgrundsätzen und Interessengegensätzen die betreffenden Rechtsgebiete, in denen entsprechende "Mitwirkungspflichten" existieren, beherrscht werden. So sind im Bereich der Eingriffsverwaltung - insbesondere im Polizei- und Sicherheitsrecht - und im Strafrecht überwiegend Duldungspflichten anzutreffen. Im Rahmen der Leistungsverwaltung gewinnt hingegen die aktive Mitwirkung maßgeblich an Bedeutung. Schon das besondere Interesse des Beteiligten, das auf Gewährung einer Leistung gerichtet ist, sowie der Schutz der Gemeinschaft, deren finanzielle Belange vor mißbräuchlicher Inanspruchnahme geschützt werden müssen, rechtfertigen eine qualifiziertere Kooperationserwartung sowohl bei der Feststellung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen als auch bei der Frage, ob deren Voraussetzungen vorliegen.
[1] Wolff-Bachof: Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, § 36 I 3.
[2] V. Gierke, Otto: Das Deutsche Genossenschaftsbuch, Bd. I, Graz 1954, schreibt dazu auf S. 361: "Schon im 11. und 12. Jahrhundert entstanden dadurch, daß die aus Kaufleuten bestehenden Bürgerverbrüderungen das gemeinsame Handelsinteresse unter die Vereinsangelegenheiten aufnahmen und als Gesamtheiten Handelsprivilegien erwarben, die ältesten Gewerbegilden und die Handelsinnungen. Diese Genossenschaften erfuhren seit dem 13. Jahrhundert eine überaus reiche äußere und innere Entwicklung."
[3] Schmidl, Edmunt: Die Entwicklung des Versicherungswesens in der Volkswirtschaft und seine wirtschaftliche Entwicklung bis zum Jahre 1930, Diss. Innsbruck 1956, S. 31 f.
[4] Das folgte aus der Benediktinerregel
[5] Uhlhorn, G.:
Der Einfluß der wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Entwicklung des Mönchtums
im Mittelalter, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, Bd. XIV, 3. Heft, Gotha 1994, S. 347
ff.
[6] Ogris, Werner: der mittelalterliche Leibrentenvertrag, Wien/München 1972, S. 13 ff.
[7] Neumann/Schaper: Die Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 1998, S. 21.
[8] Neumann/Schaper, a.a.O., S. 23.
[9] Jantz, Kurt: Die neueren Ausweitungen des Personenkreises und des Leistungskreises der Sozialversicherung in ihrer Bedeutung für das Verhältnis der Sozialversicherung zur Privatversicherung, in: ZVersWiss 1973, S. 213 ff.
[10] Scholz, Rupert: Öffentliche und Privatversicherung unter der grundgesetzlichen Wirtschafts- und Sozialverfassung, in: Festschrift für Sieg, S. 507, 511.
[11] Czücz, Otto, Tärsadalombiztosítäsi jog I. Ältalänos kérdések, Szeged 1994. S. 29-41.
[12] Modernisierung und Verbesserung des Sozialschutzes in der Europäischen Union. Mitteilung der Kommission, 1997.
[13] Kaufkraftstandards.
[14] Bruttoinlandprodukt.
[15] Vgl. Tabelle.
[16] Eurostat Statistik kurzgefaßt: Bevölkerung und soziale Bedingungen, Nr. 14/98.
[17] Ähnliche Mitwirkungspflichten treffen die Parteien im ungarischen Zivilprozeß, doch werden diese nicht unter dem Stichwort „Mitwirkung“ zusammengefaßt, sondern finden sich verstreut im Gesetz Nr. II aus dem Jahre 1952 über die Zivilprozeßordnung. So enthält § 121 die Vorschriften über die Einreichung der Klage, und § 105 und § 106 die Wirkung der Versäumnis bzw. ihre Entschuldigung in besonderen Fällen.
[18] Thomas-Putzo:
Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und den Einführungsgesetzen,
21. Auflage, München 1998, Einl.
I 1
ZPO.
[19] Thomas-Putzo, a.a.O., § 138 Anm. 11
ZPO.
[20] Geregelt in den §§ 282 Abs. 1, 277 Abs. 1 und 3, § 340 Abs. 3, 697 Abs. 3, 700 Abs. 3 ZPO.
[21] Palandt, O.: Bürgerliches Gesetzbuch. Kommentar, 58. Auflage, 1998, Palandt-Heinrichs, Einl. v. § 241 BGB, Anm. 1 a.
[22] Esser-Schmidt: Schuldrecht Bd.. I, Allgemeiner Teil, Teilband 1, 1975, § 4 III.
[23] So beispielsweise LAG Hamm, in: BB 1992, S. 279.
[24] BGHZ 34, 363; NJW 1978, 2024 f.
[25] Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. I: Allgemeiner Teil, 1984, Rdnr. 2 zu § 254 BGB mit vielen Nachweisen.
[26] Ähnliche Bestimmungen finden sich auch im ungarischen Gesetz Nr. IV aus dem Jahre 1959. § 205 regelt das Zustandekommen des Vertrags durch gegenseitige und übereinstimmende Willensäußerung der Parteien und formuliert Informations- und Treuepflichten, während § 340 Abs. 1 verlangt, daß der Geschädigte bei Abwendung bzw. Minderung des Schadens so vorgeht, wie das in der gegebenen Lage im allgemeinen erwartet werden kann, und kein Ersatz für den Teil des Schadens geleistet werden muß, der sich daraus ergeben hat, daß der Geschädigte seiner Pflicht zur Schadensminderung nicht nachgekommen ist.
[27] So etwa §§ 86 Abs. 2, 86 a, Abs. 2, 87 c Abs. 3, 118, 166 HGB; §§ 20 ff., 90, 131 Abs. 1 AktG, §§ 51 a, 52 GmbHG.
[28] §§ 133, 134, 163 a Abs. 3, 230 Abs. 1, 2 StPO.
[29] §§ 81 a und 81 b StPO.
[30] Eine entsprechende Regelung enthält das ungarische Gesetz Nr. IV von 1778 „Btk“ in § 172. Dort heißt es:
(1) Wer Verletzten oder solchen Personen, deren Leben oder körperliche Unversehrtheit sich in direkter Gefahr befindet, nicht die von ihm zu erwartende Hilfe leistet, begeht ein Vergehen und ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, mit gemeinnütziger Arbeit oder Geldstrafe zu bestrafen.
(2) Die Strafe ist wegen Verbrechens eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wenn der Verletzte verstirbt und sein Leben durch die Hilfeleistung hätte gerettet werden können.
(3) Die Strafe ist wegen Verbrechens eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, in Fällen des Abs. 2 eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, wenn die Gefahrensituation vom Täter verursacht wird oder er auch ansonsten zur Hilfeleistung verpflichtet ist.
(4) Der letzte Halbsatz von Abs. 3 kann demgegenüber nicht angewendet werden, der aufgrund der Verkehrsregeln zur Hilfeleistung verpflichtet ist.
[31] Dreher/Tröndle: Strafgesetzbuch, 49. Aufl., 1998, § 138 Rdnr. 1 StGB.
[32] Kopp, Ferdinand D.: Verwaltungsverfahrensgesetz. Kommentar, 6. Aufl., 1996, § 26 Rdnr. 41 VwVfG.
[33] Obermayer, K.: Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl., 1999, § 26 Rdnr. 104 VwVfG.
[34] Kopp, a.a.O., § 26 Rdnr. 41 ff. VwVfG.
[35] Kopp, a.a.O., § 26 Rdnr. 44 VwVG.
[36] In Ungarn ergibt sich aus dem Gesetz Nr. IV von 1957 über das Verwaltungsverfahren ebenfalls das Grundprinzip der Aktivität der Partei, indem die Verwaltung nur innerhalb von gewissen Fristen den Antrag der Partei bearbeitet und im übrigen nur auf die von der Partei initiierten Rechtsaktivitäten reagiert.
[37] Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Fassung vom 31.03.1994, GVBl. II S. 310-363, §§ 34-40.
[38] Hessisches Straßengesetz vom 09.10.1962, GVBl. II, S. 60-66, § 13; Hessisches Wassergesetz in der Fassung vom 22.01.1990, GVBl. II S. 85-87, §§ 82-92.