Péter Erdõ

 

TYPEN DES VERHÄLTNISSES ZWISCHEN KIRCHE UND STAAT IN DEN BEITRITTSLÄNDERN

Die Kirchen als Partner der Europäischen Union?[1]

 

 

 

 

1.      Grundbegriffe

 

 

a. Die Beitrittsländer

 

Es gibt derzeit zwölf Länder, die als Kandidaten für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union gelten. Die Verhandlungen mit der Tschechischen Republik, Polen, Slowenien, Ungarn, Estland und Zypern haben schon 1998 begonnen, während die Verhandlungen mit Bulgarien, Lettland, Litauen, Malta, Rumänien und der Slowakischen Republik in Februar 2000 eröffnet wurden. Die Rechtslage der Türkei als eines vollberechtigten Beitrittslandes ist noch nicht ganz geklärt. Man hat nämlich über die Eröffnung der Verhandlungen noch keine Entscheidung getroffen.

Bei dem heutigen Stand der Verhandlungen haben zehn Länder eine Chance, in der nahen Zukunft zugelassen zu werden. Von der Türkei abgesehen werden, nach der Meinung der Kommission, auch Bulgarien und Rumänien eine längere Periode bis zum Eintritt benötigen. Im folgenden beschäftigen wir uns nur mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche in denjenigen der zehn Beitrittsländer, die zur mitteleuropäischen Region gehören (das heißt Tschechien, Ungarn, Polen, Slowenien und die Slowakei).

Dem Charakter dieser Tagung entsprechend, müssen wir uns besonders die rechtliche Seite des Staat-Kirche-Verhältnisses vor Augen halten, mit anderen Worten die Rechtstellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den verschiedenen Ländern der Region. Die Typologie dieser Verhältnisse hängt mit der kulturellen und gesellschaftlichen Erbschaft der einzelnen Länder zusammen.

 

b. Die Rechtstellung der Kirchen

 

Mit der Ausnahme von Slowenien geht es hier um ehemalige Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes, die jedoch nicht zur Sowjetunion gehörten. In all diesen Ländern sind die lateinische Kultur und das westliche Christentum vorherrschend. Unter den Christen machen die Katholiken überall die Mehrheit aus, wobei die Tschechische Republik soweit säkularisiert ist, dass die Mehrheit der Christen doch noch eine Minderheit in der Gesellschaft darstellt. In den anderen Ländern sind die getauften Katholiken – natürlich nicht unbedingt die Praktizierenden – die absolute Mehrheit der Bevölkerung (in Ungarn zumindest 55%, in Slowenien 72%, in der Slowakei 73% und in Polen 96%). Die Statistiken haben nicht überall offiziellen Charakter. Dies ist auch auf die Unterschiede in der rechtlichen Regelung zurückzuführen.

 

 

2. Die Quellen der rechtlichen Beziehungen von Staat und Kirche

 

 

In den Beitrittsländern der Region sind die Verfassungen, andere grundlegende Gesetze, besonders diejenigen, die nach der Wende über die Religionsfreiheit und über Entschädigungen erlassen wurden, sowie die internationalen Vereinbarungen die wichtigsten Grundlagen der rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche.

 

 

a. Die Verfassungen

 

Die neuen oder neu modifizierten Verfassungen der Region haben die gemeinsame Tendenz, die internationalen Kriterien der Religionsfreiheit geltend zu machen. Es ist insbesondere klar, dass die Verfassungen fast all dieser Länder den Normen der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (MRK) entsprechen wollten. Der Artikel F (6) Abs. 2 des Vertrags über die Europäische Union (“Maastricht-Vertrag“, UnionsV) vom 7. Februar 1992 bestätigt die Achtung der Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet sind[2]. Obwohl die meisten Verfassungen der Beitrittsländer schon vor diesem Unionsvertrag verabschiedet worden sind, steht das Bestreben dieser Verfassungen nach der Sicherung der Religionsfreiheit im Sinne der Menschenrechtskonvention auch mit dem Unionsvertrag meistens in vollem Einklang.

Die Verfassungen der einzelnen Beitrittsländer haben jedoch verschiedene technische Lösungen gewählt. Die slowenische Verfassung[3] garantiert das freie private und öffentliche Bekenntnis religiöser und anderer Überzeugungen, und verbietet, dass jemand zur Offenlegung der eigenen religiösen oder anderen Überzeugung verpflichtet wird. Die Verfassung garantiert das Recht der Eltern zur religiösen und moralischen Erziehung ihrer Kinder, auch wenn einige Beschränkungen im diesem Bereich vorgesehen sind.

In Ungarn hat die Verfassung[4], ähnlich wie in Slowenien, ebenfalls das Recht gewährleistet, die eigene religiöse Überzeugung nicht offenlegen zu müssen. Im übrigen wird im selben Paragraph der Verfassung die Bestimmung des Art. 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention fast wörtlich übernommen. Der einschlägige Text der Verfassung lautet:

“In der Republik Ungarn hat jedermann das Recht auf Gedankenfreiheit, Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit.

Dieses Recht umfasst das Recht der freien Wahl oder Annahme einer Religion oder eines anderen Bekenntnisses und das Recht, die Religion bzw. das Bekenntnis durch religiöse Handlungen, Zeremonien oder auf andere Weise allein oder mit anderen zusammen, öffentlich oder im privatem Kreis zum Ausdruck zu bringen, oder zu verschweigen, es auszuüben oder zu lehren.

In der Republik Ungarn“ sind – oder wortwörtlich: “funktionieren oder wirken – die Kirchen von dem Staat getrennt“.

In der slowakischen Verfassung[5] findet sich zwar ein Hinweis auf die geistliche Erbschaft von Cyrillus und Methodius, es wird aber im Artikel 1 betont, dass der Staat nicht von einer Ideologie oder einem religiösen Glauben geleitet wird. Im Artikel 24 derselben Verfassung wird dann die Religionsfreiheit im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert, wobei auch erwähnt wird, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften autonom sind besonders bei der Organisierung der eigenen Körperschaften, bei der Ernennung der eigenen Kleriker, beim Unterricht der Religion und bei der Gründung von Ordensgemeinschaften und anderer kirchlichen Institutionen.

Die Verfassung der Tschechischen Republik[6] enthält kein besonderes Kapitel über Menschenrechte. Im Artikel 10 findet man aber einen klaren Verweis auf die ratifizierten und promulgierten internationalen Verträge über Menschenrechte und grundlegende Freiheiten. Über die Religionsfreiheit enthalten jedoch andere Gesetze wichtige Bestimmungen[7]. Die katholische Kirche, beziehungsweise ihre wichtigsten Struktureinheiten (Diözesen, Pfarreien) sind als juristische Personen anerkannt. Neulich wurde aber (im Gesetz Nr. 3 aus dem Jahr 2002) die Fähigkeit der Kirchen einigermaßen beschränkt, ihre Institutionen als juristische Personen besonderer Art anerkennen zu lassen.

Die polnische Verfassung vom 1997 sieht in ihrem Artikel 25 einerseits die Unparteilichkeit des Staates in Sachen der religiösen und philosophischen Überzeugungen vor, gewährleistet andererseits die Anerkennung und Unabhängigkeit der Kirchen und religiösen Organisationen sowie die Kooperation mit ihnen. In dieser Verfassung gibt es eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen der Katholischen Kirche und den anderen Religionsgemeinschaften. Die Unterscheidung stellt jedoch keine Diskriminierung dar, sondern versucht, der Natur der verschiedenen Gemeinschaften zu entsprechen. Es wird nämlich vorgesehen, dass die Beziehungen zwischen der Republik Polen und der Katholischen Kirche durch einen internationalen Vertrag mit dem Heiligen Stuhl geregelt werden (Abs. 4), während für die anderen Religionsgemeinschaften Verträge mit dem Ministerrat zu schließen sind (Abs. 5). Mit diesem Verweis auf die bilaterale Normensetzung stellt die polnische Verfassung eine besondere Lösung dar, welche an das italienische Modell erinnert.

Man kann also feststellen, dass alle Verfassungen der Beitrittsländer der Region die Religionsfreiheit in einer Form anerkennen, die der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht. Dies gilt auch für Kroatien und die Baltischen Länder. Die Trennung von Kirche und Staat wird in der ungarischen Verfassung ausdrücklich erklärt. Eine ähnliche Aussage kommt übrigens auch in der kroatischen[8], in der lettischen[9] und in der bulgarischen[10] Verfassung vor. Nicht in den unmittelbaren Beitrittsländern, sondern in einigen Ländern orthodoxer Tradition kommt in der jeweiligen staatlichen Verfassung der orthodoxen Nationalkirche eine besondere Rechtsstellung zu. Dies ist der Fall z. B. in Mazedonien[11], aber auch in Bulgarien, wo übrigens – wie gesagt – Staat und Kirche ausdrücklich getrennt sind. Die bulgarische Verfassung bezeichnet das orthodoxe Christentum als “traditionelle Religion“ in der Bulgarischen Republik[12].

In der slowakischen Verfassung wird zwar vom Erbe von Cyrillus und Methodius gesprochen, die Bedeutung dieses Hinweises ist jedoch nicht klar, weil der Staat – wie oben erwähnt – nicht von einem religiösen Glauben geleitet wird.

 

 

b. Die internationalen Vereinbarungen

 

Die Tschechische Republik hat keine Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl. Ob dies auf den hohen Grad der Säkularisierung der Gesellschaft zurückzuführen ist oder auf eine rechtliche Tradition und Mentalität, die im alten österreichischen Staatswesen wurzelt, ist schwer zu entscheiden. Slowenien hat vor kurzem ein Abkommen mit dem Heiligen Stuhl unterzeichnet.

Der Gegenpol scheint Polen zu sein, wo nicht nur die Verfassung auf eine bilaterale Regelung verweist, sondern wo ein feierliches Konkordat in klassischer Form (Sollemnis conventio) besteht. Es wurde am 28. Juli 1993 geschlossen, aber erst am 25. März 1998 ratifiziert[13]. Im Konkordat wird festgestellt, dass die katholische Religion die Religion der Mehrheit der Staatsbürger ist, es wird die Rolle der Kirche in der polnischen Geschichte und ihre Bedeutung für die Entwicklung der menschlichen Person sowie für die Stärkung der Sitten anerkannt. Der Artikel 1 des Konkordats legt die Unabhängigkeit und die Autonomie des Staates und der Kirche fest, aber auch die Absicht zur Kooperation. Es wird im staatlichen Bereich die juristische Persönlichkeit der Katholischen Kirche und ihrer eigenen juristischen Personen anerkannt, denen eine solche Persönlichkeit nach dem kanonischen Recht zukommt (Art. 4). Weitere kirchliche juristische Personen können die Anerkennung im polnischen Recht auf Antrag der kirchlichen Behörden erhalten (Art 4, 3). Im Konkordat werden auch Fragen geregelt, die das kirchliche Verfassungsrecht betreffen. Für die Gründung, Aufhebung oder Änderung der Organisationsstrukturen der Kirche wird die kirchliche Zuständigkeit anerkannt. Es wird jedoch bestimmt, dass kein polnisches Gebiet zu einer Diözese oder Kirchenprovinz gehören darf, die ihren Sitz außerhalb der Polnischen Republik hat (Art 6, 2). Aber auch keine polnische Diözese darf sich über die polnischen Staatgrenzen erstrecken (ebd. 3). Es dürfen keine Bischöfe zur Polnischen Bischofskonferenz gehören oder in Polen ihre Jurisdiktion ausüben, wenn sie nicht polnische Staatsbürger sind (ebd. 5, vgl. Art 7. 3). Die Kooperation von Kirche und Staat wird dann in diesem Konkordat sehr detailliert geregelt. Kirchliche Schulen, Kultstätten, Militärordinariat, staatliche Anerkennung der kirchlichen Feiertage und der kirchlichen Eheschließung sowie andere Materien werden geregelt. Die juristische Persönlichkeit der Kirche ist also weitgehend anerkannt, ihre Autonomie ist gewährleistet, auch wenn mit bilateral verabredeten Beschränkungen.

Ungarn hat mit dem Heiligen Stuhl drei Teilabkommen geschlossen. Im Gegensatz zur polnischen Lösung, wo die Verfassung auf das Konkordat verweist, enthält das erste kurze Abkommen mit Ungarn[14] einen allgemeinen Verweis auf die autonome Regelung der für die Kirche relevanten Fragen einerseits durch den Codex Iuris Canonici, andererseits durch das ungarische Gesetz über die Gewissens- und Religionsfreiheit und die Kirchen[15] (Nr. 3). Diese parallele Regelung garantiert der Kirche eine sehr große Freiheit. Das erwähnte Gesetz, das nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann, anerkennt automatisch die juristische Persönlichkeit der Katholischen Kirche Ungarns und all ihrer internen juristischen Personen, von denen einige (wie die Ordensgemeinschaften) bei Gericht registriert werden müssen, andere hingegen (wie die Pfarreien) nicht einmal eine staatliche Eintragung brauchen, um anerkannt zu werden. Die kirchlichen Funktionäre können ohne weiteres auch ausländische Staatsbürger sein. Mit der Gründung, Modifizierung, Aufhebung und mit den Grenzen von kirchlichen Verwaltungseinheiten beschäftigt sich der Staat überhaupt nicht.

Ein anderes Abkommen wurde dann zwischen Ungarn und dem Heiligen Stuhl über das Militärordinariat geschlossen[16]. Das dritte Abkommen über die Finanzierung der Tätigkeit der Kirche im öffentlichen Dienst und im eigentlich religiösen Bereich sowie über einige Vermögensfragen wurde am 20. Juni 1997 geschlossen und ist erst in April 1998 in Kraft getreten[17]. Auch dieses Abkommen ist keine umfassende Regelung der Beziehungen, sondern eher eine Konkretisierung und eine Lösung einiger Probleme der Ausführung des Gesetzes Nr. IV vom 1990 über die Gewissens- und Religionsfreiheit und des Gesetzes Nr. XXXII von 1991 über die Regelung bezüglich Eigentums der ehemaligen kirchlichen Immobilien. Diese Vereinbarung löst jedoch einige wichtige Fragen, indem sie – aufgrund der italienischen und spanischen Erfahrungen – das System der Verfügung der Staatsbürger über 1% ihrer Personaleinkommenssteuer zugunsten der Kirchen einführt (II, Art. 4), und eine andere, noch wichtigere Einnahmequelle für die Kirche eröffnet. Das Gesetz Nr. XXXII. von 1991 hat nämlich die Rückgabe von Gebäuden der Kirche vorgesehen, die 1948 für religiöse Zwecke oder für gemeinnützige Tätigkeiten der Kirche (etwa Krankenhäuser, Sozialheime, Schulen oder Kulturhäuser) gebraucht waren. Nach dem Gesetz durfte die Kirche nicht frei über diese Immobilien verfügen, sondern musste sie für ähnliche Zwecke verwenden[18]. Für die gemeinnützige Tätigkeit der Kirche war schon im Gesetz Nr. IV von 1990 die staatliche Finanzierung vorgesehen[19]. Die volle staatliche Finanzierung solcher Einrichtungen ist in Ungarn keine besondere Freundlichkeit des Staates, sondern eine harte Notwendigkeit, weil die Kirche auch alle anderen Güter verloren hat und überhaupt keine Restitution von kirchlichen Produktionsmitteln oder Kapital stattgefunden hat. In dieser Hinsicht war die Lage sowohl in der Slowakei als auch in einigen anderen Ländern der Region anders. So musste das ungarische Abkommen wichtige Probleme der staatlichen Finanzierung solcher Anstalten auch regeln. Im Abkommen hat die Kirche auf einen beträchtlichen Teil der nach dem Gesetz zurückzugebenden Gebäuden verzichtet. Ihr wurde dafür eine im Realwert stabile jährliche Bezahlung für unbegrenzte Zeit garantiert. Dies ist heute die Hauptquelle der Finanzierung der ungarischen Kirche[20].

Mit der Slowakischen Republik hat der Heilige Stuhl zwar nicht ein formelles Konkordat, jedoch eine Grundvereinbarung (Accordo base) geschlossen. Sie wurde am 24. November 2000 unterzeichnet und schon am 18. Dezember desselben Jahres ratifiziert[21]. In der Präambel der Vereinbarung spricht man auch hier – ähnlich wie im polnischen Konkordat – unter anderen über die Sendung der katholischen Kirche in der Geschichte der Slowakei sowie über ihre Rolle im sozialen, moralischen und kulturellen Bereich. Im weiteren verweist man auf die Erbschaft von Cyrillus und Methodius, wie sie auch in der Verfassung erwähnt wird.

Schon im Artikel 1 (Abs. 2) wird die rechtliche Persönlichkeit der Slowakischen Republik und des Heiligen Stuhls sowie ihrer eigenen juristischen Personen wechselseitig anerkannt. So sind alle Einheiten, die im kanonischen Recht als juristische Personen gelten, auch in der Slowakei als solche anerkannt. Auch die volle Autonomie der Kirche wird anerkannt, und es wird ausdrücklich bestimmt, dass die Kirche ihre internen Kompetenzen, die im kanonischen Recht gesichert sind, sowohl im Bereich des Vermögensrechts, als auch in der Organisierung der internen Angelegenheiten, frei ausüben kann (Art. 2, Abs. 1). Die Kirche verpflichtet sich sogar, alle entsprechende Mittel für die sittliche Erziehung der Staatsbürger einzusetzen[22]. Es wird auch die Freiheit der Kirche garantiert, ihre hierarchischen Einheiten und andere Strukturen zu errichten und zu modifizieren (Art. 3, Abs. 1). Über die schon erfolgte Errichtung, Änderung oder Aufhebung von Kirchenprovinzen, Erzdiözesen, Diözesen, Eparchien, Exarchaten und Apostolischen Administraturen hat der Heilige Stuhl, vor der Veröffentlichung, den Staat zu informieren (Art. 3, Abs. 2). Der Heilige Stuhl garantiert, dass die Grenzen der slowakischen Diözesen und Apostolischen Administraturen  sowie der griechisch katholischen Eparchien  und Exarchaten die Staatsgrenzen nicht überschneiden (Art. 3, Abs. 3). Es wird auch für die Zukunft anerkannt, dass die Kirche das Recht hat, juristische Personen zu errichten (Art. 3, Abs. 4). Eine lange Reihe von Freiheiten und Unterstützungen wird ebenfalls in diesem Grundvertrag garantiert, wie zum Beispiel das Recht der katholischen Kirche in der Slowakei, Kontakte mit dem Heiligen Stuhl, mit der Weltkirche, mit Bischofskonferenzen anderer Länder sowie mit anderen Kirchen und Religionen zu pflegen (Art. 4), die staatliche Anerkennung von wichtigen kirchlichen Feiertagen (Art. 9) oder die Freiheit und die staatliche Unterstützung der kirchlichen Schulen und Universitäten (Art. 13).

Als Ausblick kann man anmerken, dass auch Kroatien 1996 drei wichtige Abkommen mit dem Heiligen Stuhl geschlossen hat[23]. 1998 ist eine vierte Vereinbarung über ökonomischen Fragen unterzeichnet worden[24] Das erste Abkommen vom 1996 regelt die “rechtlichen Fragen“. Es ist weniger feierlich und ausführlich als die polnische und die slowakische Vereinbarung, hat jedoch einen gewissen grundlegenden Charakter. Die unersetzliche Rolle der katholischen Kirche wird anerkannt, sowie die Tatsache, dass die Mehrheit der Staatsbürger der Kroatischen Republik zur katholischen Kirche gehört. Die Unabhängigkeit und die Autonomie von Staat und Kirche werden ebenso anerkannt (Art. 1), wie die rechtliche (sogar öffentlich rechtliche) Persönlichkeit der katholischen Kirche und aller ihrer Institutionen, die eine solche Persönlichkeit nach dem kanonischen Recht haben (Art. 2, Abs. 2). Die zuständige kirchliche Autorität kann die kirchlichen juristischen Personen nach dem kanonischen Recht frei gründen, ändern und aufheben. Sie muss aber darüber die staatlichen Verwaltungsorgane zwecks Registrierung informieren (Art. 2, Abs. 3). Es wird auch das Recht der kirchlichen Autorität ausdrücklich anerkannt, die eigene Ordnung und Struktur der Kirche, besonders ihre Verwaltungseinheiten und juristischen Personen frei zu gestalten (Art. 5). Andere typische Fragen, die in Konkordaten gewöhnlich geregelt werden, kommen natürlich auch in der kroatischen Vereinbarung vor: die kirchlichen Feiertage, die heiligen Orte, sowie das Beichtgeheimnis sind geschützt, die kirchliche Eheschließung anerkannt. In den zwei anderen gleichzeitig geschlossenen Vereinbarungen werden die Militärseelsorge und die Zusammenarbeit im Bereich der Erziehung und der Kultur geregelt[25].

Die drei Vereinbarungen, die mit Litauen am 5. Mai 2000 geschlossen wurden[26], sind in ihrer Struktur den kroatischen ähnlich. Eine – zwar nicht grundlegend genannte, aber tatsächlich grundlegende - Vereinbarung über die rechtlichen Fragen, eine andere über die Zusammenarbeit im Bereich von Erziehung und Kultur und eine dritte über die Militärseelsorge sind entstanden. Die juristische Persönlichkeit der Kirche und ihrer juristischen Personen, die nach dem kanonischen Recht als solche gelten, wird anerkannt, sowie das Recht der zuständigen kirchlichen Autorität, das Leben der Kirche selbst zu organisieren (Art. 5, Abs. 1).

Die schon unterzeichnete Vereinbarung mit Lettland, ebenso Ergebnis des Jahres 2000[27], sieht auch die Anerkennung der Kirche als öffentliche juristische Person vor, sowie die Anerkennung ihrer inneren, im Sinne des kanonischen Rechts gegründeten juristischen Personen (Art.2). Es wird auch das Recht der Kirche garantiert, ihre innere Regierung selbständig zu bestimmen (Art. 4).

 

 

 

3. Zusammenfassung

 

 

Trotz aller Unterschiede, die innerhalb unserer Region in der rechtlichen Regelung der Beziehungen von Staat und Kirche existieren, sind einige Grundtendenzen klar festzustellen. Die positive, gesellschaftlich, kulturell, aber auch historisch und moralisch wichtige Rolle der katholischen Kirche (und in anderen Länder der Orthodoxie) wird vom Staat anerkannt und ihre Mitwirkung sogar erwünscht. Ihre juristische – in einigen Länder starker katholischen Tradition sogar öffentlich rechtliche – Persönlichkeit wird anerkannt. Ihre eigenen juristischen Personen werden mit Verweis auf das kanonische Recht auch als solche im staatlichen Bereich anerkannt. Die Freiheit und das Recht der Kirche, ihre innere Struktur und ihre Verwaltungseinheiten zu bestimmen, wird anerkannt und garantiert. Man wird nicht gezwungen, etwa Kultvereine zu gründen, damit die Kirche anerkannt und handlungsfähig wird. Diese Rechtslage ist sowohl eine Folge der Situation dieser Gesellschaften, die nach dem Kommunismus ein kulturelles Vakuum zu füllen haben, als auch eine verantwortungsvolle Anpassung an die Kriterien, die 1989 in Wien von den Vertretern der europäischen Staaten in bezug auf die Religionsfreiheit angenommen wurden[28]. Die Religionsfreiheit soll nach diesen Kriterien nicht nur als individuelles Recht anerkannt werden, auch nicht nur als Möglichkeit, dieses individuelle Recht kollektiv auszuüben, sondern es muss ermöglicht werden, dass die Religionsgemeinschaften als solche als juristische Personen anerkannt werden und ihre innere Strukturen nach den eigenen Glaubensprinzipien selbständig bestimmen können. Es scheint also für unsere Region, aber auch für die westeuropäischen Gesellschaften, die inzwischen auch eine ähnliche Krise der kulturellen Identität erfahren haben, wichtig zu sein, dass die zukünftige europäische Verfassung diese Kriterien weiterhin enthält und garantiert. Dies würde dazu beitragen, dass die Europäische Union noch vermehrt als eine Wertegemeinschaft vor der Welt erscheint.

 



[1] Der Text dieses Beitrags geht auf einem Vortrag des Verfassers zurück, der am 22. April 2002 in Heiligenkreuz, an der Tagung “Die Kirchen und die Europäische Union. Rechtliche Konsequenzen der EU-Erweiterung für die Kirchen“ gehalten wurde.

[2] Vgl. z. B. G. Robbers: Europarecht und Kirchen, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Hrsg. J. Listl – D. Pirson, 2Berlin 1994, I, 319.

[3] Aus dem Jahre 1991, Artikel 41.

[4] Gesetz Nr. XX von 1949 modifiziert durch das Gesetz Nr. XXXI von 1989, § 60.

[5] Aus dem Jahre 1992.

[6] Aus dem Jahr 1993.

[7] Z. B. Gesetz der AbASFR vom 4. Juli 1991 über die Freiheit des religiösen Glaubens und die Stellung der Kirchen und Religionsgemeinschaften (nach § 4 Abs. 2 sind Kirchen und Religionsgesellschaften juristische Personen). Deutscher Text: H. Marré – D. Schümmelfeder (Hrsg.): Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Mittel- und Osteuropa (Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 29), Münster 1995, 267-273. Vgl. F. Lobkowicz: Länderbericht über das Staat-Kirche-Verhältnis in Tschechien,  ebd. 122-132.

[8] Aus dem Jahr 1990, Art. 40 (1).

[9] Aus dem Jahr 1992, Art 99.

[10] Aus dem Jahr 1991, Art 13 (2).

[11] Vgl. Verfassung aus dem Jahr 1991, Art 19 (3).

[12] Verfassung aus dem Jahr 1991, Art. 13 (3).

[13] AAS 90 (1998) 310-329; vgl. J. T. Martin de Agar: Raccolta di Concordati 1950-1999, Città del Vaticano 2000, 682-696; R. Puza: Stichworte zum Konkordat des Heiligen Stuhles mit Polen, in R. Puza-A. P. Kustermann (Hrsg.): Neue Verträge zwischen Kirche und Staat. Die Entwicklung in Deutschland un Polen, Freiburg Schweiz 1996, 109-119; J. Krukowski: Konkordaty Wspólczesne, Warszawa 1995.

[14] Vom 9. Februar 1990; Martin de Agar: Raccolta 851-852.

[15] Gesetz Nr. IV vom 1990; auf deutsch: H. Marré – D. Schümmelfeder (Hrsg.): Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Mittel- und Osteuropa (Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 29), Münster 1995, 280-285.

[16] Vom 10. Januar 1994, ratifiziert am 26. April 1994: AAS 86 (1994) 574-579.

[17] AAS 90 (1998) 330-341; Kommentar P. Erdö in Ius Ecclesiae 10 (1998) 652-659.

[18] Vgl. P. Erdö: Die gegenwärtige Lage des Staat-Kirche-Verhältnisses in Ungarn. Staatkirchenrechtliche und kanonistische Aspekte, in: H. Marré – D. Schümmelfeder (Hrsg.): Die Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Mittel- und Osteuropa (Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 29), Münster 1995, 137-138.

[19] § 19.

[20] Über die Staat-Kirche-Verhältnisse in Ungarn siehe z. B. P. Erdö – B. Schanda: Church and State in Hungary. An Overview of Legal Questions, in: European Journal for Church and State Research 6 (1999) 219-231; B. Schanda (ed.):Legislation on Church-State Relations in Hungary, Budapest 2002.

[21] AAS 93 (2001) 136-155; vgl. T. Hajdu: L’accordo Base tra la Santa Sede e la Repubblica Slovacca, in: Ius Ecclesiae 13 (2001) 513-517.

[22] Vgl. z. B. Konferencia Biskupov Slovenska: Základná zmuluva medzi Svätou stolicou a Slovenskou republikou s komentárom, kom. M. Smid, Bratislava 2001, 53 usw.

[23] Alle drei wurden am 19. Dezember 1996 geschlossen und am. 9. April 1997 ratifiziert: AAS 89 (1997) 277-302.

[24] Vom 9. Oktober 1998. Ratifiziert am 14. Dezember 1998: AAS 91 (1999) 170-178.

[25] Ein ausführlicher Kommentar der vier Vereinbarungen mit Kroatien ist J. Bozaniæ (predgovor), N. Eteroviæ (komentar): Ugovori izmedu Svete Stolice i Republike Hrvatske, Zagreb 2001.

[26] Ratifiziert am 16. September 2000: AAS 92 (2000) 783-816.

[27] Geschlossen am 8. November 2000, Text: J. T. Martin de Agar: I concordati del 2000, Città del Vaticano 2001, 9-22.

[28] O. S. Z. E., Schlussdokument vom 19. Januar 1989, Art. 16.

2002/3. szám tartalomjegyzéke